Es ist erstaunlich, wie viele Irrtümer es hinsichtlich relevanter Lagerkennziffern gibt. Nachdem wir uns vorgestern über die bei Durchschnittsbewertung (§240 Abs. 4 HGB) und FIFO-Bewertung (§256 HGB) unterschiedliche Lagerdauer ausgelassen haben, werfen wir heute einen Blick auf die Lagerdauerrechnung bei LIFO.
Das scheint angebracht, denn auf unseren Artikel hin schrieb mir jemand, die maximale und die durchschnittliche Lagerdauer sei doch wohl bei FIFO, Durchschnittsbewertung und LIFO stets gleich. Während wir oben schon demonstriert haben, daß das bei Durchschnittsbewertung und FIFO offenbar nicht der Fall sein kann, denn die durchschnittliche Lagerdauer kann offenbar nicht gleich sein, wenn ich bei Durchschnittsbewertung stets irgendeinen Artikel entnehmen kann, bei FIFO aber immer nur den jeweils ältesten, betrachten wir heute mal die Verhältnisse bei der LIFO-Bewertung.
LIFO ist die Abkürzung für Last In First Out und am besten mit einem Haufen zu vergleichen: die eingelagerten Bedarfsgegenstände werden von oben auf den Haufen abgelegt, bei Bedarf aber auch von oben wieder entnommen. Was aber hat das mit der Lagerdauer zu tun?
Vermutlich eine ganze Menge: führen wir beispielsweise einen Eisernen Bestand, so liegt dieser jetzt nämlich unten – und wird, anders als bei Durchschnittsbewertung oder FIFO, niemals entnommen, denn bei den anderen Verbrauchsfolgeverfahren kann ich jeden Artikel irgendwann erreichen. Bei LIFO erreiche ich was zuunterst liegt niemals, solange sich das Lager nicht auf null leert. Einige Artikel lagern also, mindestens unter regelmäßigen Bedingungen, unendlich lange.
Mehr noch lassen sich auch innerhalb des "normalerweise" durch Einlagerungen und Entnahmen umgewälzten Bereiches keine allgemeinverbindlichen Aussagen machen, wenn Einlagerungen und Entnahmen betragsungleich sind, also nicht genau die Menge entnommen wird, die zuvor eingelagert wurde. Anders als beispielsweise bei FIFO, wo immer der älteste Artikel "dran" ist, würde bei LIFO eine einzelne Entnahme mehrere, unterschiedlich alte Bedarfsobjekte umfassen. Eine allgemeine Aussage über deren Lagerdauer wird damit aber generell unmöglich. Man kann nur allgemeinverbindlich feststellen, daß die empirische mittlere Lagerdauer um so größer ist, je weiter ein Artikel "unten" im Haufen liegt, aber noch nichtmal, mit welcher Progression dies geschieht, also wie weit unten eine wie viel längere Lagerung bedeutet.
Die durchschnittliche Lagerdauer ist also nicht nur bei FIFO anders als bei der Durchschnittsbewertung; sie ist auch bei LIFO anders als bei den anderen beiden Verfahren. Und, mehr noch: sie ist bei LIFO unvorhersagbar.
Dies war übrigens der Hauptgrund für das IASB, die LIFO-Methode in IAS 2 abzuschaffen. Warum sie dagegen der deutsche Steuergesetzgeber zur alleinseligmachenden Methode erklärt und dafür FIFO abgeschafft hat, ist ein Rätsel, das wohl nur der Finanzminister lösen kann.
Links zum Thema: Lagerwesen: warum sich die Lagerdauer bei FIFO verdoppelt | Verbrauchsfolgebewertung: denn sie wissen nicht, was sie tun | Lagerdauer und Lagerumschlagshäufigkeit: Gravierende Fehler in Lehrbüchern für Auszubildende | Lagerdauer und Lagerumschlagshäufigkeit: Diskussion zu unseren Postulaten | Formelsammlung der BWL | Skript zur Disposition | Skript zur Bestellmengenrechnung | Lagerkennziffernrechner für Excel | Verbrauchsfolgerechnung für Excel (interne Links) LIFO im Gründerlexikon nachschlagen (externer Link)