Betriebswirt/IHK: Neuer Ansatz in der BWL-Prüfung?

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Wir haben uns an dieser Stelle stets von Prognosen künftiger Klausuren enthalten, und werden das auch in Zukunft so halten – mit einer kleinen Ausnahme: interpretiert man die letzte Prüfung "Schwerpunkte angewandter Betriebswirtschaft" im Lehrgang Betriebswirt/IHK nämlich als Trendindikator, dann gibt es eine Entwicklung, die jenseits aller Gerüchte steht. Ich verrate hoffentlich nicht mehr als ich darf, wenn ich mal versuche, diesen Trend mit meiner Lehrerfahrung abzugleichen.

Ein allen Leerkörpern wohlbekanntes Bild sind Lehrgangsteilnehmer, die mit gespritztem Stift zur Lehrveranstaltung erscheinen, und jedes Wort mitschreiben – oft noch mit den kleinen Witzchen zwischendrin, die ein guter Dozent zur Auflockerung seines Themas machen sollte. Und sogar Diktiergeräte wurden schon gesehen, möglicherweise zum Auswendiglernen des Wortlautes. Daß diese Lernmethode wenig Erfolg verspricht, war eigentlich schon lange klar. Jetzt haben wir es aber amtlich, und zwar vom Aufgabenausschuß der Industrie- und Handelskammern.

Die BWL-Prüfung gliedert sich bekanntlich in drei Teile, wobei die Teil A sich mit strategischem Marketing befaßt und Teil B mit Rechnungswesen, und aus den Teilen A und B der Lehrgangsteilnehmer nur einen Teil wählen muß. Nur Teil C, der Fragen aus allen Bereichen enthalten kann, muß von allen Kandidaten absolviert werden. Der Marketing-Teil A hatte dabei bisher nicht nur den wohlverdienten Ruf, ein "Laber-Fach" zu sein, sondern auch, auf Reproduktion auswendig gelernter Sachverhalte zu bauen – ein leichtes Spiel also für die Nutzer von Diktiergeräten, die beispielsweise an Controlling-Aufgaben wie dieser hier, die eine Menge Transferwissen und vertieftes Verständnis erfordern, gnadenlos scheitern würden. Das scheint vorbei zu sein…

Schon lange war bekannt, daß die Marketing-Aufgabe oft mit einer langatmigen Fallstudie beginnt, in der die Tips gegeben werden, die man später richtig zusammensetzen muß. Dabei bauten die bisherigen Prüfungen auf der Kenntnis bestimmter Modelle – SWOT, neuerdings sogar von den Kämmerlingen so genannt, Ansoff, Chancen-Risiken – das sollten bekannte Namen sein. Doch dieses Mal endeten die guten alten Tage des Auswendiglernens: so wurde pauschal gefragt, ein Marketing-Konzept aufzustellen, also nicht eine bestimmte Technik anzuwenden, sondern auch die in gerade dieser Situation angemessene Technik selbst zu wählen. Ganz offensichtlich ist das nicht nur schwieriger – man muß alle möglichen Verfahren kennen, und wissen, was wo geeignet ist -, sondern hängt auch die Auswendiglerner gnadenlos ab, die die Inhalte von Portfolio-Skizzen lernen wie andere Leute Vokabeln, aber nicht wissen, wie sie untereinander zusammenhängen.

Wir haben Hinweise zu solchen Marketing-Fallstudien schon an anderer Stelle gegeben. Auch im Handbuch für Prüfungsteilnehmer (ISBN 3-937473-06-8, 14,80 EUR) finden sich entsprechende Ratschläge, die jetzt möglicherweise noch ernster genommen werden sollten – falls die nächste Prüfung wieder so einen Hammer enthält. Und das vermute ich, denn die Kämmerlinge wissen genau, daß das nicht nur das Sieb ein wenig heftiger schüttelt, und damit den Wert des Diploms für die erhöht, die es schaffen, sondern auch den mit einer Prüfung ja auch verbundenen Realitätsnutzen: denn in einem Unternehmen sagt dem Absolventen niemand, was er wann wie machen muß. Das sollte er selbst wissen – und er weiß es nicht mit auswendiggelerntem Wissen.

Links zum Thema: Break Even Rechnung: so versuchen die Prüfungslyriker Euch zu kippen! | Interner Zinsfuß: eine hammerharte Prüfungs-Knallschote | Break Even Rechnung: eine echte Prüfungs-Knallschote | Hinweise zu komplexen Marketing-Aufgaben (interne Links)

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