Wie man Beiträge zur Zwangssozialversicherung im Insolvenzverfahren erfolgreich zurückfordert

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In dem Maße, in dem die Sozialversicherung nicht mehr der Versorgung der Alten, Kranken und sonst sozial Schwachen, sondern der Beraubung der Gesunden und Leistungsfähigen mißbraucht wird, gewinnen Konzepte zur Selbstverteidigung an Anziehungskraft. Aus diesem Grunde springen die Krankenkassen derzeit über eine neue Methode im Dreieck, an Sozialversicherungen gezahlte Zwangsbeiträge im Rahmen des Insolvenzverfahrens zurückzufordern. Wenn auch unfreiwillig retten die Sozialversicherungen also manchmal die Betriebe, die sie nicht selten selbst erst in die Insolvenz getrieben haben:

So erlaubt dieses BGH-Urteil aus 2003 dem Insolvenzschuldner, aufgrund einer simplen Anfechtung sämtliche in der Verjährungsfrist gezahlten Zwangsbeiträge wirksam zurückzufordern. Es liegt auf der Hand, daß das die umgehende Sanierung des zahlungsunfähigen Unternehmens bewirken kann, was zweifellos alleine schon ein Grund ist, es an dieser Stelle zur Nachahmung zu empfehlen. Leider ist es etwas kompliziert zu verstehen, wie so vieles im deutschen Recht. Aber einen Haken hat es nicht…

"Insolvenzanfechtung" und "Benachteiligung des Insolvenzgläubigers" sind die magischen Worte, zu finden in den §§129ff, insbesondere in §131 Insolvenzordnung (InsO). Sich das gründlich durchzulesen, kann viel Geld zurückbringen, also versuchen wir es mal: "Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen", weiß §129 Abs. 1 InsO, "kann der Insolvenzverwalter […] anfechten". Verschafft sich ein Insolvenzgläubiger also gegenüber den anderen einen (unrechtmäßigen) Vorteil, so kann dies zu einer Anfechtung führen. Das bringt uns zur sogenannten "inkongruenten Deckung" nach §131 Abs. 1 InsO: Nach dieser Regelung, die man schon zweimal lesen muß um sie zu verstehen, ist aufgrund von §129 InsO eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung seiner Forderung gewährte, obwohl dem Gläubiger bekannt war, daß sie andere Insolvenzgläubiger benachteiligte.

So weit, so abstrakt. Im oben erwähnten Fall hatte eine Krankenkasse mehrfach mit einem Insolvenzantrag gedroht, wenn ein Unternehmen, das mit der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Rückstand war, nicht unverzüglich zahlen würde – wie wir wissen eine häufige Praxis unter Krankenkassen, die ganze Abteilungen nur damit beschäftigen, solche Insolvenzverfahren anzudrohen und zu beantragen. Der schlaue Insolvenzgläubiger argumentierte nun aber, diese Drohung der Krankenkasse habe andere Insolvenzgläubiger benachteiligt, weil diese ja nicht mit einer Insolvenz gedroht hätten, so daß das Unternehmen vorrangig die Forderungen der Krankenkasse beglichen habe – also habe im Sinne des §131 Abs 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung, eine sogenannte "inkongruente Deckung" vorgelegen.

Und was das Schönste ist: der Bundesgerichtshof folgte dieser Darstellung – und verurteilte die Krankenkasse zur Rückzahlung aller vom Insolvenzschuldner geleisteten Sozialbeiträge von (damals) 73.425,80 DM (ca. 37.542 €). Bingo!

Das genannte Urteil des IX Zivilsenats des BGH hatte natürlich Signalwirkung, so daß sich seither immer mehr Insolvenzverwalter auf die Anfechtung wegen inkongruenter Deckung berufen – was mittlerweile zu einer Art Zauberwort geworden ist. Kein Wunder also, daß die Sozialkassen im Dreieck springen, kann man nämlich sogar nach einer Insolvenzdrohung einer Krankenkasse einen Betrieb absichtlich in die Insolvenz rauschen lassen, um hernach durch die genannte Vorgehensweise die seit Jahren gezahlten Beiträge zurückzufordern.

Der sagen wir mal, äh, informellen Sanierung von Unternehmen mir Zahlungsproblemen öffnet das ganz neue Perspektiven, aber vielleicht nicht mehr lange: das Bundesjustizministerium soll nämlich eine entsprechende Änderung der Insolvenzordnung noch dieses Jahr angekündigt haben. Wie die meisten entdeckten Schlupflöcher wird also auch dieses bald geschlossen. Wer sich aber gerade in einem Insolvenzverfahren befindet, sollte sich diesen Artikel möglicherweise nochmal durchlesen und ihn dann seinem Insolvenzverwalter ausdrucken…

Links zum Thema: Der konspirative Dozent: Wie die BfA Existenzen vernichtet | Beitrag zur Zwangs-Krankenversicherung: 27% | Bürgerversicherung: Die Leitbilder der Zwangsmentalität (interne Links) | Der Bundesgerichtshof | Das im Artikel erwähnte Urteil im vollen Wortlaut (externe Links)

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