Hans Eichel und das Stabilitätsgesetz

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Die immer düsteren Konjunkturaussichten haben jetzt auch die Bundesregierung erfaßt. Bundesfinanzminister Hans Eichel sagte kürzlich im ZDF, daß das Wirtschaftswachstum dieses Jahr nur bei 0,75% liegen werde, und daß möglicherweise eine zweijährige "Konjunkturdelle" bevorstehe. Und natürlich ging das Parteiengezänk sogleich los, und die die Union bezeichnete dies als "Bankrotterklärung" der derzeitigen Regierung und der Unions-Fraktionschef Friedrich Merz bezeichnete Eichel gar als "Trittbrettfahrer der Terroranschläge vom 11. September".

Diesen Stil kennen wir – allerdings von beiden Seiten. Und daß Sachargumente dabei untergehen, ist auch nichts Neues. Etwa hätte man über das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, das sogenannte Stabilitätsgesetz vom 8. Juni 1967 (BGBl 1967 I, S. 582) nachdenken können, das meines Wissens bis heute geltendes Recht ist. Dieses Gesetz schreibt nämlich im Wortlaut des §1 "im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung" (in Zeiten der Planwirtschaft im Energiesektor an sich schon ein interessanter Satz) dem Bund und den Ländern eine antizyklische Konjunktursteuerung vor, ein heute schon weitgehend vergessenes auf J.M. Keynes und dessen Empfehlungen zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre zurückgehendes Konzept.

Demnach soll der Staat in Zeiten der Expansion und des Wachstums seine Beteiligung am Wirtschaftsleben zurückfahren, etwa Investitionsprogramme verschieben und durch Genehmigungsverfahren verzögern sowie eine Konjunkturausgleichsrücklage aufbauen (§§5, 6, 10, 11 StabG), in Phasen der Krise aber durch zusätzliche Ausgaben die Schwäche der privaten Wirtschaft ausgleichen – wenn nötig gegen zusätzliche Verschuldung, so daß die dann wieder stärker sprudelnden Steuereinnahmen helfen, das Defizit wieder abzubauen – eine Politik, die als deficit spending bezeichnet wird.

Aber dennoch hält Hans Eichel an dem zunehmend unrealistisch werdenden Ziel fest, bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – koste, es, was es an Sparanstrengungen wolle.

Niemandem scheint dabei aufzufallen (oder niemanden scheint es noch zu interessieren), daß dies eigentlich ein Verstoß gegen das Stabilitätsgesetz ist!

Noch weniger bekannt, dafür in der Debatte um die Erhöhung der Versicherungs- und Tabaksteuer weitgehend verdrängt ist der Umstand, daß pünktlich zum 1. November, also in knapp zwei Wochen, die zweite Erhöhung der Mineralölsteuer für dieses Jahr ansteht – diesmal um drei Pfennig – und zum 1. Januar, also in nur gut zwei Monaten kommt schon der nächste Preisschock.

Und ganz vergessen wurde offensichtlich, daß auf der sogenannten Klimakonferenz am 23.07.2001 in Bonn u.a. die Einführung einer indirekten CO2-Steuer beschlossen wurde, die mehr als den Preis von Importkohle ausmachen könnte: dann wird die Horrorvision von 5 DM/Liter schlagartig Realität. Aber in der derzeitigen Lage spricht keiner mehr davon: wofür die Terroranschläge alles gut sind, ist immer erstaunlicher…

Aber das momentane Projekte wichtiger sind als Bundesrecht, ist nichts Neues, denn schon in der Zeit vor der Euro-Einführung 1998 hätte man eigentlich durch Konjunkturprogramme der schon damals schwächelnden Wirtschaft nachhelfen müssen – tat es aber nicht, um die Euro-Kriterien nicht zu verfehlen.

Ja, wir leben in einem Rechtsstaat!

Link zum Thema: Soviel zahlen Sie schon: Steuern und Sozialabgaben bei Arbeitnehmern (29k)

 

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