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Wie ist die Meinung zur "Balanced Scorecard" ?

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Gast
Mich würde interessieren, wie die nun ja nicht mehr branntneue BSC von Kaplan/Norton von ihnen (Praktiker, Dozenten etc.) eingeschätzt wird. Lohnt sich der Aufwand ? Ab welcher Unternehmensgröße macht die BSC Sinn ?
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Hi Ulrich,

es stimmt zwar, daß das der BSC ursprüngliche Werk über Performance Measurement schon etwas staubig ist, aber die BSC ist zu dem Leitparadigma des Controlling überhaupt geworden - einschlägige Fachmagazine sind voll mit Beiträgen dazu. Das hat sich inzwischen sogar zur IHK herumgesprochen, die, teilweise sehr zum Mißfallen der Prüfungsteilnehmer, Fragen dazu in die Prüfungen schreiben, was ein sicheres Indiz ist, daß aus einem einstigen Spezialisten-Thema inzwischen ein Mainstream-Ding geworden ist.

Das ist mE nach auch nicht ganz falsch, und zwar aus drei Hauptgründen:

1. Die BSC vernetzt Bereiche oder Abteilungen, sie fördert also ganzheitliche Sichtweisen
2. in der Prüfung fordert und fördert sie das Denken in Zusammenhängen und
3. sie steht in Zielharmonie zu den drei großen Managementsystemen (Qualität, Risiko, Umwelt).

Schon durch das gerade in Kraft getretene BilRefG und die darin festgelegten erweiterten Berichtspflichten im Lagebericht wird also die BSC noch wichtiger (im BWL-Boten, vor ein paar Tagen, u.a. http://www.bwl-bote.de/20041210.htm).

Zur Frage des Aufwandes wäre anzumerken, daß die BSC, genau wie ein QMS, sich nach Umfang und Komplexität am jeweiligen Unternehmen orientieren sollte. Es sollte also, wenn es sachgerecht gemacht wird, nie "zu aufwendig" sein. Mit der BSC ist es eigentlich wie mit dem QM: es ist nicht zu teuer, es zu machen, sondern zu kostspielig, es zu unterlassen! (http://www.bwl-bote.de/20030922.htm)
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Hallo

Sie schreiben:
Schon durch das gerade in Kraft getretene BilRefG und die darin festgelegten erweiterten Berichtspflichten im Lagebericht wird also die BSC noch wichtiger!!

In wie fern messen Sie der BSC durch das BilReG mehr gewicht bei und wie könnte das Eingang in die BSC finden?
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Hi,

Zitat
In wie fern messen Sie der BSC durch das BilReG mehr gewicht bei und wie könnte das Eingang in die BSC finden?


"In wie fern"... köstlich ;-) Aber zur eigentlichen Sache: Das läßt sich exemplarisch an einer Vielzahl von Einzelregelungen festmachen, die durch das BilReG neu in das HGB geschrieben wurden. Zum Beispiel müssen durch §289 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und b) HGB n.F. die Risikomanagementziele sowie Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken sowie die Risiken aus Zahlungsstromschwankungen, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft und sofern dies für die Beurteilung der Lage oder der voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist, berichtet werden. Hier ist also eine detaillierte Marktbetrachtung erforderlich. Auch eine Kennzahlenrechnung ist erforderlich und muß offengelegt werden (§289 Abs. 1 Satz 3 HGB), die sich bei großen Kapitalgesellschaften (i.S.d. §267 HGB, der ebenfalls neue Grenzwerte erhalten hat) auch auf nichtfinanziellel Leistungsindikatoren erstrecken muß (§289 Abs. 3 HGB).

Dies alles baut aber auf Kennzahlen auf, die möglicherweise bereits in einer BSC vorliegen, oder erlaubt die leichtere Errichtung einer BSC, die ja gerade auch Kennzahlen voraussetzt. Zwischen (dem neuen) Lagebericht und der BSC besteht also Synergie. Zudem bietet die BSC ja eine Gesamtsichtweise, die ja gerade auch im Lagebericht vermittelt werden soll. Es ist daher naheliegend, BSC und Lagebericht aufgrund einheitlicher Kriterien zu gestalten und möglicherweise eine ("obere"?) Ebene der BSC-Daten zum veröffentlichten Lagebericht zu machen bzw. (als Teil des Lageberichtes) offenzulegen.

Aus BSC-Sichtweise betrachtet würden die Sichtweisen Markt --> Finance und Prozesse --> Finance u.a. durch neue Inhalte des Lageberichtes besser strukturiert in der Weise, daß bisher gar nicht oder nur informell betriebene Analysen und Auswertungen nunmehr zum Pflichtprogramm der Minimaloffenlegung gehören.

Ich hoffe, daß das Ihre Frage beantwortet? Wenn nicht, fallen mir weitere Beispiele ein... z.B. hinsichtlich des Anhanges (§285 Nr. 18 und 19 HGB).

Ach ja, eine ähnliche Wirkung hatte zuvor übrigens schon der Corporate Governance Kodex, wenngleich wesentlich schwächer wie ich denke, denn er richtet sich weniger an "BSC-relevante" Sachverhalte.
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Zunächst einmal vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort und natürlich auch für das "köstlich" :lol: !

Das die BSC ein geeignetes Instrument ist, um die hierin bereits enthaltenen Wertschöpfungsprozesse (v.a. auch mit den intangible assets) auch an die Investoren zu kommunizieren ist verständlich, auch wenn ich natürlich immer an den von Ihnen genannten weiteren Ideen interessiert bin, was die Auswirkung des BilReG auf die BSC betrifft.

Aber ist neben der steigenden Bedeutung des Instruments BSC auch eine direkte inhaltiche Änderung in den Zielen und Kennzahlen durch das BilReG auszumachen. Wie spiegelt sich das BilReG innerhalb der BSC wieder?
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Hi,

Zitat
Aber ist neben der steigenden Bedeutung des Instruments BSC auch eine direkte inhaltiche Änderung in den Zielen und Kennzahlen durch das BilReG auszumachen. Wie spiegelt sich das BilReG innerhalb der BSC wieder?


Ich würde nicht (unbedingt) sagen, daß die BSC sich durch das BilReG ändern muß, obgleich dies der Fall sein kann, etwa wenn man Kennzahlen, die man nunmehr auch öffentlich berichten muß, jetzt in die BSC mit aufnimmt. Die Wirkung ist eher umgekehrt, d.h., die neuen Berichtspflichten lassen sich leichter erfüllen, wenn eine BSC schon besteht, aber die Errichtung einer neuen BSC wäre auch leichter, wenn man das im Zusammenhang mit der Einführung neuer, durch das BilReG vorgeschriebener Berichte macht. Dies betrifft mE nach insbesondere das Thema Risikomanagement, das ja schon durch das KonTraG seit 1998 im Prinzip auf dem Plan steht, nunmehr aber noch um einiges gewichtiger geworden ist.

Mal ein kleines Beispiel eines komplexen Zusammenhanges:
* Allgemein gibt es im Lagebericht jetzt Berichtspürlichten über Preisrisiken (http://www.bwl-bote.de/20041210.htm).
* Das ist auch über den eigentlichen Anwendungsbereich der Finanzinstrumente hinaus interessant und Gegenstand einer u.U. umfangreichen Analyse (z.B. http://www.zingel.de/pdf/09prs.pdf und http://www.zingel.de/zip/09prs.zip).
* Die in den vorstehenden beiden Links dargestellten Mechanismen können in der Kunden- und der Finance-Sichtweise der BSC relevant sein.
* Sie demonstrieren, daß auch mit Preiserhöhungen ein Gewinnanstieg möglich sein kann.
* Dies kann eine Zielsetzung in der BSC sein - finden der optimalen Preise. Kennzahlen wären neben Elastizität auch Kostendaten.
* Die Varianz der Stichprobe ist das Risikomaß für die öffentliche Berichterstattung.
* Controlling, Marketing und Offenlegung stehen also zueinander in Synergie.


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