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PISA-Nachlese: Hauptschüler sind die wahren Verlierer

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Hauptschüler sind die wahren Verlierer

Bildungschancen sind in Deutschland ungerecht verteilt. Was das heißt, zeigt ein Ortsbesuch in Berlin

Viel Zu oft gleichen die Sätze einem Hindernislauf. Patrick ringt mit dem Wort "Portier", stolpert, nimmt neuen Anlauf. Vier Minuten, zehn Sätze, er gibt auf. "Keine Lust mehr, Frau Faber", sagt er. Mahmud holpert durch den nächsten Absatz. Irgendwann fragt Frau Faber, was sie da gerade gelesen haben. Kaum einer der 15 Schüler weiß eine Antwort.

"Wie auch? Bei dem Gestammel ist dem Inhalt schwer zu folgen", sagt Wiltraud Faber später. Sie ist Lehrerin an der Kepler-Oberschule, einer Hauptschule in Berlin Neukölln, und weiß, daß es ihren 14jährigen Schülern nicht nur schwerfällt zu lesen, sondern auch sich auf einen Text länger als fünf Minuten zu konzentrieren. Zehn ihrer Schüler haben Eltern, die aus der Türkei, aus arabischen Ländern und Albanien stammen. Zu Hause sind deutschsprachige Bücher selten. Und auch in den meisten deutschen Elternhäusern wird eher ferngesehen als gelesen.

Seit über 30 Jahren ist Wiltraud Faber im Schuldienst. In dieser Zeit hat sie die Aufgabenstellungen an ihre Achtklässler immer wieder anpassen müssen. "In den ersten zwei Jahren vermitteln wir heute Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen - also das, was die Schüler früher nach der Grundschule konnten."

Als am vergangenen Sonntag vorab Ergebnisse der zweiten internationalen Schulstudie Pisa durchsickerten war ein Punkt besonders auffällig: die soziale Selektion. Schon Pisa I hatte gezeigt, daß keine andere Industrienation so sehr bei der Förderung von Kindern aus den unteren Schichten versagt wie Deutschland. Pisa II scheint dies erneut zu bestätigen. Und auch der Armutsbericht der Bundesregierung, der nächstes Jahr vorgestellt wird, soll laut "Spiegel" festgestellt haben: Die Chancen einer Gymnasialempfehlung sind für ein Kind aus höherer sozialer Schicht dreimal so hoch wie die eines Facharbeiterkindes; die ein Studium aufzunehmen sogar 7,4mal so hoch. Die Kepler-Oberschule ist eine Hauptschule, wie es viele in Deutschland gibt. Zwar befinden sich bei weitem nicht alle der 6000 Hauptschulen in sozial schwachen Vierteln. 60 Prozent der Kepler-Schüler sind Kinder von Einwanderern, viele Eltern sprechen kaum deutsch. Die Eltern der übrigen 40 Prozent sind oft arbeitslos, geschieden, haben Alkohol- oder Drogenprobleme. An Hauptschulen wie diesen zeigt sich, was soziale Selektion wirklich heißt.

"Restschule", Wolfgang Lüdtke, 55, mag das Wort nicht. Den Leiter der Kepler-Schule stört die Stigmatisierung der Hauptschule. "Wie sollen meine Schüler Selbstbewußtsein entwickeln, wenn es nach außen so aussieht, als ob die Hauptschule das Schlimmste sei, was einem passieren kann? Die glauben doch ohnehin schon, Versager zu sein." Lüdtke weiß, daß seine Schüler mehr Probleme haben als die anderer Schulformen. 25 Prozent von ihnen verliert er, bevor sie einen Abschluß machen. Weil sie schwänzen, weil zu Hause die Eltern mehr mit eigenen Problemen als denen ihrer Kinder beschäftigt sind, weil sie keinen Sinn sehen im Lernen. Lüdtke und sein Kollegium versuchen dagegenzuhalten mit besonderen Angeboten von Deutsch als Zweitsprache bis Tauchen, mit Schülerfirmen, in denen die Jugendlichen lernen, wie in einem Unternehmen gearbeitet wird, mit hohem persönlichen Einsatz. Doch er weiß, daß all das nicht reicht. "Was sage ich einem Schüler, der sich müht, einen Abschluß zu machen, wenn er doch keine Lehrstelle findet, weil Arbeitgeber lieber Gymnasiasten und Realschüler einstellen?" Seit Lüdtke vor 20 Jahren die Leitung der Kepler-Schule übernommen hat, beobachtet er, wie sie immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Damals gingen noch 66 Prozent eines Jahrgangs auf die Hauptschule. Heute sind es in Berlin zehn Prozent, bundesweit rund 30. "Sind die Menschen so viel schlauer geworden?" fragt er.

Die Antwort fällt sehr verschieden aus, je nachdem, wer gefragt wird. Für den Deutschen Lehrerverband (DLV) sind neben dem hohen Anteil an Migrantenkindern die Gesamtschulen schuld an der Misere der Hauptschule. "Mit ihrem Entstehen in den 70er Jahren begann der Trend hin zur höheren Schule", sagt DLV-Präsident Joseph Kraus.

Nicht die Gesamtschule, sondern das dreigliedrige Schulsystem macht dagegen Andreas Schleicher, Pisa-Koordinator der OECD, als Schuldigen aus. "Solange der Lehrer eines Gymnasiums oder einer Realschule keinen Anreiz hat, schwächere Schüler zu fördern und sie an die darunterliegende Schulform weiterreichen kann, wird sich an der Situation nichts ändern", sagt Schleicher. Auch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) hat in einer vertieften Auswertung der ersten Pisa-Daten nachgewiesen, wie sehr das deutsche Schulsystem die soziale Selektion verstärkt. Schüler, die in einer Klasse mit vielen schwachen Mitschülern sitzen, weisen wesentlich schlechtere Leistungen auf, als aufgrund ihrer Fähigkeiten zu erwarten wäre. "Hauptschüler sind doppelt benachteiligt. Sie werden im Elternhaus weniger gefördert und zudem in einem schwachen Lernumfeld konzentriert", sagt MPI-Forscherin Gundel Schümer.

Tatsächlich zeigen Länder, die nicht so stark selektieren wie etwa Finnland, Kanada oder Japan, daß sich durch gemischte Schülerprofile Zugpferd-Effekte einstellen - die stärkeren nehmen die schwächeren Schüler mit, das Lernniveau steigt. Eine stärkere individuelle Förderung, damit schwächere Schüler nicht durch das System weitergereicht werden müssen, fordert daher auch Dietmar Bronder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hauptschulen. "Kinder reicher Eltern bekommen private Nachhilfe, Kinder sozial schwacher Eltern gehen leer aus", sagt Bronder. Der Bundesverband der Schulfördervereine, dessen Vorsitzender Bronder ist, läßt daher gemeinsam mit einem privaten Nachhilfeinstitut derzeit eine Art "Nachhilfekurs für Arme" entwickeln. Finanziert werden soll das bundesweite Angebot, das im Sommer 2005 starten will, über Bildungsstiftungen und Spenden. Auch der Einsatz von spezialisierten Privatlehrern an Schulen ist für Bronder denkbar.

Wie niveauübergreifend erfolgreich gelernt werden kann, zeigt das Beispiel der Berliner Hauptschule "Stadt als Schule". 140 Schüler, die an Gymnasien, Real- und Hauptschulen gescheitert waren, werden hier durch individuelle Förderung und Praxisbezug zu einem Abschluß gebracht. Die Hälfte der Zeit verbringen sie in Praktika. Für jeden wird individuell ein Curriculum erstellt. Drei zusätzliche Lehrer hat Schulleiter Guido Landreh dafür bewilligt bekommen. Eine Investition, die sich lohnt. Zwei Drittel seiner Schüler schaffen den Abschluß. Ablak Cahit, 16, will im nächsten Schuljahr dazugehören. An seiner früheren Schule hatte man ihn bereits abgeschrieben. Schlechte Noten und Gewalt bestimmten seinen Schulalltag. Heute ist der türkischstämmige Ablak Schulsprecher. "Hier hatte ich das erste Mal das Gefühl, die nehmen mich ernst", sagt er. Früher sah er nicht ein, warum er lernen sollte. Heute paukt er freiwillig Englisch-Vokabeln. Denn für sein Berufsziel sei Englisch wichtig, sagt er. Ablak will Politiker werden: "Um etwas zu ändern für Jugendliche wie mich." Heike Vowinkel

Quelle: http://www.welt-am-sonntag.de/data/2004/11/28/366828.html

Betrachtet man die langsam aber stetig fallende Qualität des staatlichen Schulsystems zusammen mit der demografischen Entwicklung, so kann man zu dem Schluss kommen, dass den Weiterbildnern Deutschlands so schnell die Arbeit nicht ausgeht. Immer mehr Dinge, die noch vor zehn Jahren selbstverständlich erschienen (z.B. Azubis die einwandfrei lesen, schreiben und rechnen können) werden in zehn Jahren zur Ausnahmeerscheinung werden.

Guido Strunck
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Guten Abend Guido,

das Schlimme an diesem Posting ist, daß es so schrecklich wahr ist - und die Vorhut derer, die hier beschrieben werden, habe ich schon hier und da in Bildungsveranstaltungen der verschiedensten Art gesehen. Nur: was können wir wirksam dagegen tun?
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« Zuletzt durch zarathustra am 22.12.2005 19:22 Uhr bearbeitet. »
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Hallo in die Runde,

das bundesdeutsche Bildungssystem macht auf mich eher den Eindruck einer asiatischen Kastengesellschaft, als den, daß man allen gleiche Chancen einräumen wollte. Die soziale Herkunft ist ja keine Aussage über die Fähigkeiten eines Menschen, sondern bestenfalls darüber, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß vorhandende Anlagen auch entwickelt wurden. Goethe senior und junior dürften auch heutzutage genügend Entsprechungen haben.

So ist Zahathustras Hinweis auf die Gymnasiasten keinesfalls eine Schutzbehauptung, denn der Bericht über die Neuköllner Hauptschule ähnelt bezüglich der Fähigkeiten der Schüler frappierend dem, den ich von einem Englischdozenten einer südwestdeutschen Fachhochschule über seine Studenten hörte.
Da bleibt es nicht aus, daß man sich als ehemaliger Schüler einer Polytechnischen Oberschule verzweifelt fragt, wie jemand, der etwas anspruchsvollere deutschsprachigen Zeitungsartikel nicht verstehend lesen kann, zu einer Hochschulzugangsberechtigung gekommen ist. Und was derjenige auf einer höheren Schule sucht, wo er sich - vorwiegend im Selbststudium - sein Wissen auch aus fremdsprachiger Fachliteratur anzueignen hat. Anläßlich der anstehenden Exmatrikulation (die ich in solchen Fällen als Wohltat gegenüber dem Studenten betrachte), erhält der betreffende Dozent dann Schreiben, die mit "Lieber Herr Professor" eingeleitet werden und mit "P.S.: Mein Name ist ..." enden.

Zwar ist die Antwort, die ich auf meine obige Frage erhalten habe, für mich keinesfalls neu. In einem Fall gab es an meiner Schule wider jeglicher pädagogischer Vernunft auf Grund Papas Intervention eine Versetzung in die zweite Klasse, was dann bis zur achten zu dem oben beschriebenen Leistungsstand führte. Neu für mich war nur, daß diese damalige Ausnahme heute mancherorts die Regel darstellt - infolgedessen eben auch das Ergebnis.

Grüße,
Peter
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"HZingel" schrieb
Guten Abend Guido,

das Schlimme an diesem Posting ist, daß es so schrecklich wahr ist - und die Vorhut derer, die hier beschrieben werden, habe ich schon hier und da in Bildungsveranstaltungen der verschiedensten Art gesehen. Nur: was können wir wirksam dagegen tun?


Die beschriebenen Probleme sind die Folge zahlreicher sich aufsummierender Fehlentscheidungen im politischen und sozialen Bereich. Sie sind auf der individuellen Ebene nicht lösbar. Hier müssen gravierende politische und soziale Veränderungen her. Und selbst dann dauert es wahrscheinlich noch 10 Jahre bis die Dinge wieder ins Lot kommen.

Nur um es zu verdeutlichen: Wir reden hier nicht über kleine begrenzte Fehlentwicklungen. Wir reden über Probleme in der Größenordnung Wiederaufbau von Kriegszerstörungen oder Sanierung von Umweltgroßschäden. Also Sachen die lange dauern und richtig viel kosten.

Aber es ist nicht nur eine rein materielle Thematik, die man mit Zeit und Geld vom Tisch bekommt. Sondern wie Zarathustra ausführt auch eine Frage von gesamtgesellschaftlichen Werten und Idealen. Und genau da kommen jetzt wir als Personen wieder ins Spiel. Denn es geht hier um eine gesellschaftliche Richtungsentscheidung. Eine individualistisch-liberale Gesellschaft mit Minimalstaat und sozialer Mindestversorgung auf dem Niveu Äthiopiens wird das Problem anders angehen als z.B. eine kommunitaristisch oder humanistisch-sozialdemokratisch orientierte Gesellschaft, die ein höheres Regulierungsniveau anstrebt und das mit übergreifenden sozialen Wertvorstellungen rechtfertigt.

Und es geht auch nicht nur um die Frage "wieviel Staat" sondern auch darum, was es außerhalb staatlicher Zuständigkeit an Lösungen für langfristige Bildungsthemen geben soll. Hillary Clinton sagte einmal "it needs a community to eduacate a child". Und sie dürfte damit gemeint haben, dass Bildung keine rein staatliche Angelegenheit sein kann, sondern dass da jeder in irgendeiner Weise gefordert ist. Und dass ist bei vielen sozialen Themen so.

Und in allen Fällen wird es auch einen Preis zu zahlen geben, für alles was getan oder unterlassen wird.

Gruß, Guido
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Ort: Bayern
"HZingel" schrieb
Nur: was können wir wirksam dagegen tun?


Wer sich dafür interessiert, was man als Einzelner gegen Schul- und Lernprobleme oder gegen die große Bildungsmisere tun kann, dem empfehle ich einen Blick in die "Wandzeitung" von http://www.birkenbihl-insider.de/ zu werfen. Da wird für meine Begriffe Tacheles geredet. Auch wenn dass für manchen lehrenden Leerkörper sehr unangenehm sein kann.

Gruß, Guido
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"Guido" schrieb
Da wird für meine Begriffe Tacheles geredet. Auch wenn dass für manchen lehrenden Leerkörper sehr unangenehm sein kann.


Unangenehm in dem Sinne das sie ungerecht beschuldigt werden.
Was soll eine Lehrerin denn machen wenn da 15 von 20 Schülern von sozial schwachen Familien stammen und man jede Frage mit den selben saublöden, beleidigenden und drohenden Kommentaren beantwortet werden?
Schau dir das Rohmaterial doch mal an, guck 10 Minuten eine Talkshow und sag dann "die Lehrer sind schuld".
Aber so hat man ein ruhiges Gewissen, die Lehrer sind an allem schuld, da erhöht man die Ausgaben in dem Bereich und das Thema erledigt sich von selbst, herrlich.
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Hallo Guido und Zarathustra,

es gibt sowohl Lehrer, die ihren Beruf eindeutig verfehlt haben, als auch Umgebungsbedingungen, in denen der beste kaum Chancen hat. Insofern habt Ihr beide Recht. Dennoch meine ich, daß die größten Katastrophen schon eingetreten sind, wenn die Einschulung ansteht. Das geht nicht nur darum, daß manche Kinder mangels Deutschkenntnissen dem Unterricht nicht folgen können. Auch deutsche Eltern sind, wie Zarathustra schon schrieb, gelegentlich weit von dem entfernt, was in der Vorschulzeit hätte geleistet werden müssen. Mangelnde Spracherziehung, eklatante Konzentrationsschwächen und Disziplinlosigkeit haben ihre Ursachen nun einmal nicht vor allem in der Schule. Tanzen die Gören schon im Kindesalter den Eltern auf dem Kopf herum, so geht das naturgemäß in der Schule weiter. Und die Frage, ob sich die Eltern hinsetzen und mit ihren Kindern Lesen und Schreiben üben, erledigt sich in solchen Fällen oft von selbst.

Die entsprechende "soziale Herkunft" ermöglicht es dann, den Lehrern im Falle zutreffender Benotung Zivilklagen anzudrohen. Freilich ein Extremfall, in der Regel funktioniert das wohl subtiler. Womit die Frage beantwortet ist, wie funktionale Analphabeten die Abiturprüfungen schaffen - bzw. inwiefern Intelligenz vor allem durch "soziale Herkunft" bedingt ist.

Grüße,
Peter
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Moin,

kleine Anekdote am Rande, ich war vor kuzem im Rahmen einer Ausstellung auf einer Handwerks- und Baumesse in Köln. Unser Stand war gegenüber der Handwerkskammer Köln platziert. Die Handwerkskammer nutzt solche Anlässe gerne um Jugendliche an Handwerksberufe zu führen. So kam es, dass ganze Schulklassen busseweise herangekarrt wurden :shock: .

Die Kammer hat eigens dafür eine Tribüne bauen lassen, auf der eine Art "Wer wird Millionär" unter dem Titel "Wer wird Friseur" nach dem Jauchschen Muster mit den Jugendlichen gespielt werden sollte.
Bei Fragen wie "Welcher Beruf arbeitet nicht mit Holz?"
"1. Zimmerer, 2. Tischler, 3. Parkettleger, 4. Speditionskaufmann"
oder "Wie heißt der Bundespräsident?"
"1. Merkel, 2. Adenauer, 3. Köhler, 4. Hallervorden"
kam ausser Achselzucken bei den Hauptschülern (80% Türken) nix rüber.
Als dann sogar Dreisatz gefragt wurde, rannten alle panisch davon :roll:

Fakt ist, dass gerade in westdtsch. Großstädten die Hauptschulen vorrangig für Migrantenkindern (vorwiegend Südeuropäer) als Auffangbecken dienen. Einfachste Allgemeinbildung oder mathematisch-technische Fähigkeiten werden nicht gefördert. Lehrer sind mehr als Streetworker und Pädagogen gefordert. Der Rahmenstoffplan bleibt auf der Strecke.

In Ostdeutschland ist die Sache anders gelagert, dort werden Kinder untergebracht, die z.T. aus schwierigsten Verhältnissen kommen. Themen wie Alleinerziehung, Arbeitslosigkeit und Gleichgültigkeit sind Tagesordnung.

Beispiel dafür: Während die o.g. Neuköllner Hauptschule (Westberlin) in der Tagespresse meist wegen Drogendelikten und Erpressung in Erscheinung tritt, gibt es auf einer Marzahner Hauptschule (Ostberlin) ständig Gewaltauswüchse und Diebstahl.

Und auch auf weiterführenden Berufschulen, wie in den Medien zuletzt über Braunschweig berichtet, setzt sich diese Entwicklung weiter fort. In einem überbetrieblichen Ausbildungzentrum habe ich einen Ausbilder kennengelernt, der weniger durch seinen didaktischen Methoden, sondern eher wegen seiner Judo-Ausbildung von Kollegen geschätzt wird.

Fakt ist, dass das bisherige Schulsystem gnadenlos versagt hat, Fakt ist auch, dass sich diesen Umstand die Kultusminister, Lehrer und vor allem die Erziehungsberechtigten anrechnen lassen müssen. Denn wenn Jugendliche sich durch deren Gleichgültigkeit nur noch mit Fernsehen, Herumhängen o.ä. den Verstand betäuben lassen, sollte man die Erwartungshaltung niedrig halten.

Gruß Axel
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Guten Morgen,

was der Axel hier gerade geschrieben hat, kann ich leider aus eigener Erfahrung bestätigen, vgl. http://www.bwl-bote.de/20020429.htm. Ich habe auch schon Vorschläge zur Abhilfe gemacht, vgl. http://www.bwl-bote.de/20040916.htm, die allerdings eher für deutsche Schüler gedacht sind und das Migrantenproblem möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigen. Insgesamt bin ich leider immer ratloser...
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"Axel" schrieb
Moin,

...
Fakt ist, dass das bisherige Schulsystem gnadenlos versagt hat, Fakt ist auch, dass sich diesen Umstand die Kultusminister, Lehrer und vor allem die Erziehungsberechtigten anrechnen lassen müssen. Denn wenn Jugendliche sich durch deren Gleichgültigkeit nur noch mit Fernsehen, Herumhängen o.ä. den Verstand betäuben lassen, sollte man die Erwartungshaltung niedrig halten.

Gruß Axel


Hallo in die Runde,

dieser Einschätzung wäre eigentlich nichts hinzuzufügen. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich es als eines der großen Probleme an, daß ausgerechnet das Gebiet der Bildung, bei dem bundesweite Standards eigentlich wichtig wären, als Spielwiese von siebzehn Ministern dienen muß, wobei offenbar jeder davon seine Persönlichkeit durch Sonderregelungen herauszustreichen versucht. Und dem ganzen setzt man dann eine Institution wie die KMK auf, die auch nicht den Eindruck erweckt, wenigstens die notwendigen Mindeststandards setzen zu können.

Daß in der obigen Aufzählung auch die Lehrer mit enthalten sind, finde ich angesichts der kürzlichen Diskussion um das neue hessische Bildungsgesetz nicht so toll. In der ganzen Diskussion erinnere ich mich überhaupt nur an eine zustimmende Wortmeldung von einer Lehrkraft und die dabei abgegebene Begründung qualifiziert sie eher für´s Sekretariat als für´s Klassenzimmer.
Aber selbstverständlich wird sich ein hochdotierter Kultusminister nicht von der Meinung seines Fußvolkes beeindrucken lassen - oder anders herum gesagt, in einem demokratischen Staatswesen wird natürlich das gemacht, was die Betroffenen als unzweckmäßig erachten. Insofern zähle ich die Mehrzahl der Lehrer eher zusammen mit den Schülern als Opfer dieses Bildungssystems, denn als zielgerichtet gestaltendes Element.

"Harry" schrieb
Ich habe auch schon Vorschläge zur Abhilfe gemacht, vgl. http://www.bwl-bote.de/20040916.htm, die allerdings eher für deutsche Schüler gedacht sind ...


Mit Deinem Beitrag komme ich nicht ganz klar: einerseits schlägst Du Schuluniformen vor, andererseits verteufelst Du "sozialistische Gleichmacherei".
Ich möchte daher nicht nur Dich darauf hinweisen, daß bis auf die Bekleidungsordnung alle Deine Vorschläge in der DDR Selbstverständlichkeiten waren, über die niemand ernsthaft diskutiert hätte.

Das Ärgernis "Mobiltelefon" gab es zwar noch nicht, aber das Konfiszieren von dergleichen "Spielzeug" war kein Problem (ggf. persönliche Abholung durch die Eltern). Die Lehrer hatten für die allermeisten Disziplinarverstöße genügend wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten, wie bspw. Nachsitzen (heute wohl Freiheitsberaubung), Informationen an die Eltern (wie Du sagst: Datenschutzverstoß), Gestaltung der Kopfnoten (diese waren: Betragen, Mitarbeit, Fleiß) und der Verbalbeurteilung, die Zeugnisbestandteile waren, bis hin zum Schulverweis in absoluten Extremfällen. Dagegen hätten auch damals körperliche Übergriffe für den jeweiligen Lehrer ernste Strafen zur Folge gehabt.

Daß die Kinder berufstätiger Eltern (und das waren fast alle) nachmittags betreut wurden und qualifizierte Hilfe bei den Hausaufgaben bekamen, war kein Diskussionsgegenstand. Diese Einrichtung wurde bei uns als "Schulhort" oder kurz "Hort" bezeichnet.

Zudem hatten wir, wenn Du so willst, auch ein "mehrgliedriges" Schulsystem: die Mehrzahl der Schüler besuchte zehn Jahre lang die Polytechnische Oberschule und kümmerte sich in der neunten Klasse um eine Lehrstelle. Es bekam jeder eine, wenn auch nicht immer die erwünschte (die meisten Jungs wollten bspw. Kfz.-Mechaniker werden). Daneben gab es Spezialschulen für besonders Begabte (bspw. naturwissenschaftliche, Sprach- oder Sportschulen) oder Behinderte. Und ab der achten Klasse (bzw. auch noch nach der zehnten) Wechsel ans Gymnasium. Danach konnte das Abitur auch im Abendkurs der VHS erworben werden.

Daß die Mehrzahl der Schüler (so auch ich) von diesen Verhältnissen wesentlich mehr profitierte als von den gegenwärtigen, scheint mir irgendwie offensichtlich. Das hängt aber auch mit der damals verbreiteten Erkenntnis zusammen, daß die Einsicht in Notwendigkeiten von Erziehung und Ausbildung bei einem Erstklässler naturgemäß anders ausgeprägt ist, als bei einem Erwachsenen und daß demzufolge viele Erziehungsmethoden für den "Leistungsempfänger" mit Unannehmlichkeiten verbunden sein müssen. Wenn da allerdings jede Maßnahme zur Disposition einer richterlichen Überprüfung steht, muß man sich nicht wundern, daß die Ergebnisse entsprechend ausfallen.
Zumal es sich bei den genannten Regelungen ohnehin um Erfindungen und "Errungenschaften" des Sozialismus handelt, deren vollständige und undifferenzierte Beseitigung sich nicht nur mir nach der Wende als vordringlichste Aufgabe dieses Staates darstellte.

Grüße,
Peter


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