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Wie kann der soziale Kahlschlag gestoppt werden ?

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Im Kapitalismus ist jedes wirtschaftliche Tun dem Profitinteresse unterworfen. Aktuelles Beispiel Opel: Der General Motors Konzern schaut, wo er weltweit am günstigsten produzieren kann, und dort tut er es dann auch. Die aus seiner Sicht teureren Standorte schließt er.
Nun können zwar die Arbeiter in den betroffenen Werken durch Streiks den Konzern zu Zugeständnissen zwingen. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Die Konzernleitung rechnet ganz kühl aus, was die Streiks durch den Produktionsausfall kosten, und sind dann ganz sachlich und rechnerisch zu Zugeständnissen bereit. Mit Moral oder Einsicht, Gutmütigkeit oder Rücksicht auf die Arbeitnehmer hat das rein gar nichts zu tun.

Aber diese Zugeständnisse werden immer nur von kurzer Dauer sein. Heute wird vielleicht erklärt, der Standort Bochum wird über 2010 hinaus gesichert, und morgen wird er schon an einen anderen Konzern verkauft, und dieser pfeift dann auf die getroffenen Vereinbarungen.

Dauerhaft können Arbeitsplätze nur gerettet und der Sozialabbau nur verhindert werden, wenn die Werktätigen sich eine andere Gesellschaftsordnung als den Kapitalismus erkämpfen. Diese Gesellschaft hat dann nicht mehr das Profitinteresse im Blickpunkt, sondern das Wohl der Beschäftigten, der Anwohner um die Fabriken und der ganzen Gesellschaft.

Diese Gesellschaftsordnung heißt "Sozialismus". Nun werden uns ständig Horrormeldungen vom Sozialmus erzählt. In Rußland und der DDR etwa sei Sozialismus gewesen, in China und Nordkorea sei er immer noch. Aber das stimmt nicht. Wer nur ein bißchen etwas von Marx und Engels gelesen hat, der versteht, dass der Sozialmis nur in einem Land Erfolg haben kann, das einen entwickelten Kapitalismus hat. Das war in Rußland und China nicht der Fall. Diese beiden großen Länder haben versucht, direkt aus einem Feudalstaat heraus den Sozialismus aufzubauen. Diese Versuche sind gescheitert. Karl Marx hat vor 150 Jahren schon als erste Anwärter für den Sozialismus die Länder Deutschland, England und Frankreich gesehen. Heute würde er sagen: Die USA, ganz Europa oder Japan sind die geeignetsten Kandidaten für einen funktionierenden Sozialismus.

Wie würde der Sozialismus am Beispiel Opel denn nun aussehen ?

Man stelle sich vor, die Arbeiter in Deutschland, Belgien, Polen und Schweden würden selbst entscheiden, welche Autos wie gebaut werden. Außerdem würden die Erlöse aus dem Verkauf der Autos ebenfalls den Arbeitern der Werke zugute kommen bzw. diese hätten zu entscheiden, wie die Gelder verwendet würden. Was wäre die Folge ?

Nun, zuerst einmal würde ein gewaltiger Innovationsschub durch die Betriebe gehen. Nicht mehr millionenschwere Mangager würden über das Geschick der Betriebe entscheiden, sondern die Männer und Frauen aus der Praxis, die unmittelbar in der Produktion beschäftigt sind und sich bestens auskennen. Die Arbeiter und Angestellten würden ihre Gruppen- und Abteilungsleiter selbst wählen bis hin zur Konzernleitung.

Hier wäre aber kein Platz für persönliche Bereicherung ! Abteilungsleiter und Konzernführer - von den Beschäftigten gewählt und jederzeit absetzbar, wenn sie Mist machen - würden dasselbe Gehalt beziehen wie die Arbeiter in der Produktion !

Und für wie teuer müßte man die Autos verkaufen, wenn keine Multimillionäre und Aktionäre mehr sich am erwirtschafteten Gewinn bereichern ? Richtig, die Opelfahrzeuge würden nur noch einen Bruchteil von ihrem jetzigen Preis kosten, ein Viertel oder ein Fünftel vielleicht. Was wäre die Folge ? Nun, die Autos aus einem solchen sozialistischen Betrieb würden gekauft werden wie warme Semmeln ! Der Betrieb würde florieren wie noch nie ! Diese Art von Sozialismus würde ruckzuck Schule machen, und wir hätten schon bald die Vereinten sozialistischen Staaten von Europa, wenn nicht gar die proletarische Weltrevolution und einen weltweiten Sozialismus.

In einem solchen sozialistischen Konzern hätten die Arbeiter keine Angst vor neuen Technologien, sondern würden mit Freuden Computer- und Robotertechnologie einsetzen. Die Folge wäre vielleicht, dass alle Beschäftigten nur noch 20 Stunden die Woche arbeiten müßten, bei vollem Lohnausgleich und ohne auch nur eine einzige Person zu entlassen.

DAS ist Sozialisimus ! SO hat Karl Marx das gemeint mit der Arbeiterherrschaft und nicht das, was Stalin und Mao daraus gemacht haben ! Und wenn Euch jemand erzählt, Sozialismus hieße Mauerbau und Schießbefehl: Lacht über diesen unverbesserlichen Denunzianten und belehrt ihn eines Besseren !

Karl Marx sagte, die Menschheit stünde vor zwei Alternativen: Sozialismus oder Barbarei. Den Weg in die Barbarei, in die Armut und die Slums geht die Gesellschaft gerade, wenn sie weiter am Kapitalismus festhält. Erkämpfen sich die Werktätigen aber den Sozialimus, IHREN Sozialismus, den Sozialismus der Werktätigen, dann hat die menschliche Gesellschaft erstmals wahrhaft glorreiche Zeiten vor sich:

Der Welthunger würde besiegt werden. Kriege wird es nicht mehr geben. Die Umweltverschmutzung würde gestoppt und wieder umgekehrt werden. Der Weltraum würde erforscht werden. Die Menschen würden alle Krankheiten ausrotten. Schließlich würden die Menschen sogar ihre so schnell verfliegende kurze Lebensspanne von rund 80 Jahren bedeutend verlängern. Jeder Mensch könnte bei bester Gesundheit und in Glück Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende leben. Eines Tages würde sogar der Tod besiegt werden !

DAS, liebe Freundinnen und Freunde, bedeuetet Sozialismus !
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Guten Tag,

immerhin stehst Du zu Deinen Idealen, und das ist achtenswert, finde ich. In der Politik hättest Du damit aber gleich verloren, denn wer dort noch Ideale hat, fällt schneller unten durch als er gucken kann :-(

Grundgedanke des Marktes (ich sage bewußt nicht "des Kapitalismus", denn wir haben längst einen Ökosozialismus un keinen Markt mehr) ist die Optimierung der Faktorallokation durch dezentrale Austauschprozesse. Ein Pareto-Optimum wird erreicht, wenn jeder tut, was ihm selbst am meisten nützt. Eigennutz und Gemeinnutz sind damit in Harmonie, eine zentrale lenkende Instanz ist überflüssig und alle Versuche der zentralen Kontrolle führen stets zu suboptimalen Zuständen: Der Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland reflektiert also die bekannten Standortnachteile. Er ist das Musterbeispiel für schädliche Staatseingriffe z.B. in Gestalt von Lohnkosten oder einem betonierten Arbeitsmarkt. Statt gegen Opel bzw. die GM-Führung zu streiken, müßte man also gegen die streiken, die die Produktionsfaktoren, insbesondere die Arbeit hier so teuer machen, und die befinden sich in Berlin.

Kerngedanke des Sozialismus ist, wenn ich Karl Marx zitieren darf (Marx-Engels-Werke, Berlin [Ost] 1979, Band 13) der Umschlag von Quantität in Qualität. Durch Revolutionen aufgrund innergesellschaftlicher Widersprüche erfolgt die gesellschaftliche Höherentwicklung auf das Endziel des Kommunismus hin. Das halte ich für eine christliche Heräsie, ein Paradies ohne Gott, für ein innerweltliches Heilsziel, das der Jude Karl Marx einst konstruiert hat, dessen Unerreichbarkeit vielfach demonstriert worden ist. Stattdessen sollten wir uns mit den wirtschaftlichen Fakten befassen, und das heißt, mit dem internationalen Wettbewerb. Diesen zu öffnen ist mE nach das Beste an der Globalisierung: endlich kriegt eine lokale Regierung wie die in Berlin postwendend die Quittung für ihr Handeln. Sie hat nur noch nicht gelernt, damit im Sinne der Fürsorgepflicht umzugehen.

Zu Deinem Sozialismus-Entwurf fällt mit nur ein, daß zwar dem Bund und den Ländern die Marktwirtschaft durch das StabG vorgeschrieben ist (was auch diese schon seit Jahren ignorieren), aber den Arbeitern doch die Bildung eines "sozialistischen Konzerns" (Kombinat?) gestattet ist. Wenn das also so einen Fortschritt bringt, warum tut es dann keiner?
Gast
Guten Tag,

meiner Meinung sollte der Sozialstaat vollständig abgeschaft werden. Bei uns in der Stadt lebt eine Familie von der Sozialhilfe mit drei Kindern. Das jüngste hatte einen schweren Herzfehler. Die lebensrettende Operation hat das Sozialamt bezahlt.

Meine Meinung dazu:

1. Die Famillie sollte vom meinen Steuergeldern keinen Pfennig kriegen. Wenn sie sich die Wohnung nicht leisten kann, dann muss sie aben unter eine Brücke ziehn. Wenn sie sich das Essen nicht leisten kann, dann muss sie eben verhungern.

2. Das die lebensrettende Operation von der Allgemeinheit bezahlt wurde, ist eine große Sauerei. Wenn die Familie das Geld für die OP nicht selber aufbringen kann, dann muss das Kind eben sterben. So einfach ist das.

3. Die beidne älternen Besuchen die Grundschule, die den Steuerzahler zich Tausende Euro kostet. Die Schule sollte sich das Geld von den Eltern wieder holen. Wenn sich die Eltern das nicht leisten können, dann kann das Kind auch nicht die Schule besuchen, sondrn bleibt Anahlphabet.

Gruß

Ein Zuschauer
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Hi Zuschauer,

Deine Idee finde ich gar nicht schlecht, und weniger polemisch dargestellt sieht das so aus:

Ich hatte kürzlich eine heftige Erkältung, Fieber, stundenlanger Husten, Schmerzen, eben alles, was Spaß macht. Kaum daß es bei mir losging, hatte es meine Frau auch.

Also ging ich zum Arzt: ich bin unversichert, weder privat noch in der Zwangskasse. Nach nur fünf Minuten im Wartezimmer stieß ich auf eine etwas überraschte Ärztin (die noch keine Unversicherten in ihrer Kartei hat). Die machte einen Abstrich und schickte mich mit Fieber- und Hustenmitteln nach Hause. Am nächsten Tag das Ergebnis vom Labor und ein Weg in die Apotheke, zu den Antibiotika. Noch zwei Tage später, und ich war völlig wiederhergestellt. Rechnung: so um die 300 Euro.

Meine Frau ist auch zum Arzt, der hat das Wartezimmer voll. Dieselben Symptome wie ich, aber eine völlig andere Behandlung: Keine Termine frei, drei Stunden Wartezeit. Nach allen Wartezimmerzeitschriften und viel Kopf- und Gliederschmerzen dann doch nur Aspririn und Bettruhe, denn die Ärztin hat irgendein Budget verbraucht und kann (oder: darf) meiner Frau nichts verordnen. Abstrich und Laboruntersuchung? Fehlanzeige. Ihre Kosten für die Zwangsversicherung pro Monat: so ca. 700 Euro.

Zustand heute: Ich bin gesund und verdiene wieder Geld; meine Frau ist krankgeschrieben und verursacht ihrem Arbeitgeber (sie ist im Gegensatz zu mir angestellt) nur Kosten.

Jetzt kannst Du mal überlegen, was Du besser findest. ich habe meine Entscheidung getroffen, und hoffe, auch der <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20030729.htm">Bürgerzwangsversicherung</A> entgehen zu können.
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Wie kann der soziale Kahlschlag gestoppt werden ?

Durch wirtschaftlichen Erfolg, der in den Taschen der Menschen ankommt, die ihn erarbeitet und finanziert haben. Ohne dass ein überdehnter Staat und ein kurzsichtig agierendes geld- und machtgieriges Management das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung zusehr mindern können.

Doch Sozialismus bringt uns das ebenso wenig ein wie Kapitalismus. Denn in beiden Systemen entwickelt sich - systembedingt - früher oder später eine Machtelite, welche die Ressourcen für ihre eigenen Bedürfnisse umlenkt und aufbraucht. Für den großen Rest bleibt dann immer weniger. Bis das System "umkippt" oder ein gewaltsamer Umsturz den "Zähler wieder auf Null setzt".

Ich denke wir stehen (wieder mal) vor einer Situation, in der ein Umbruch im Denken ansteht, wie Wirtschaft und Gesellschaft zu regeln sind. Das hat es schon öfter gegeben und i.d.R. ging das friedlich ab. Jedesmal gab es danach ein höher entwickeltes Modell der Wirtschaft, dass als Denkmodell Wohlstand für mehr Menschen als zuvor brachte.

Die derzeitige Doktrin ist das Modell des Neoliberalismus. Sie hat uns globale Unternehmen, den Aufstieg von Schwellenländern zu "Tigerstaaten", den Zusammenbruch der Sozialismen sowie Deregulierung überfetteter Staatsbürokratien gebracht. Und sie brachte den reichen Ländern Frieden. Denn wer miteinander Handel treibt, kommt nicht auf die Idee, gegeneinander Krieg zu führen.

Aber sie brachte uns auch mehr Steuerlasten ein (weil reduzierte Unternehmenssteuern jetzt vermehrt von Arbeitnehmern bezahlt werden). Sie überzog die Welt mit sozialen Großkonflikten in Entwicklungsländern, in denen die für Industriestaaten gemachten neoliberalen Reformen nicht wie geplant wirkten. Sie brachte die ausdifferenzierten Sozialstaaten zum Wanken, zerstörte die Bildungssysteme und lehrte die Leute, dass sie um ihre Rechte kämpfen müssen - notfalls mit bewaffneter Gewalt. Sie brachte uns Umweltschäden, deren Auswirkungen bis heute noch nicht klar beziffert werden können (wers nicht glauben mag, frage einen Rückversicherungsexperten - denen liegt "grünes Denken" fern aber sie können rechnen...). Und sie brachte uns die WTO - ein System dessen Regeln über jeder Regierung und Verfassung stehen und keiner demokratischen Legitimaton bedürfen.

Gruß, Guido
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Hi Guido,

wie Du von Neoliberalismus sprechen kannst mit Bezug auf einen Staat, der
- Zwangsversicherungen noch ausweitet,
- das Arbeitsrecht betoniert,
- die Wirtschaft mit Sozial-, Gewerbe- und Ökorecht gängelt und
- ab nächstem Jahr den Zertifikatehandel einführt

ist mir schleierhaft, ehrlich! Mit den Ideen von Friedman, Hayek und anderen hat das jedenfalls nichts gemein! Nie vergessen: Libertas = Freiheit: wo aber ist die Wirtschaft in Deutschland frei??
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"HZingel" schrieb
Hi Guido,

wie Du von Neoliberalismus sprechen kannst mit Bezug auf einen Staat, der
- Zwangsversicherungen noch ausweitet,
- das Arbeitsrecht betoniert,
- die Wirtschaft mit Sozial-, Gewerbe- und Ökorecht gängelt und
- ab nächstem Jahr den Zertifikatehandel einführt

ist mir schleierhaft, ehrlich! Mit den Ideen von Friedman, Hayek und anderen hat das jedenfalls nichts gemein! Nie vergessen: Libertas = Freiheit: wo aber ist die Wirtschaft in Deutschland frei??


Zum einen bezieht sich der von Dir erwähnte Freiheitsbegriff meist auf die Freiheit des Menschen von Zwang und Unterdrückung, weniger auf die Freiheit der Wirtschaft von Regulierung und Sozialbindung.

Eine Wirtschaft die uns gängelt, uns unserer Lebensgrundlagen allmählich beraubt, immer größere Teile der Menschheit für immer kleinere Teile zu immer geringeren Löhnen arbeiten lässt ... brauchen wir ebensowenig wie Wiedergänger von Hitler, Mao oder Pol-Pot. Von der reinen Produktivität her wären wir heute soweit, dass man weltweit mit der 10-Stunden-Woche jedem Menschen alles zur Verfügung stellen könnte was er braucht. Und dazu noch vieles mehr. Für ein Einkommen, dass deutlich über den heutigen Sätzen liegen kann. Warum geschieht das nicht? Wer hat ein Interesse das zu verhindern?

Die Antworten auf diese Fragen kann man eine Zeitlang wegdrücken (da sie sehr unangenehm sein könnten). Aber nicht ewig.

Zum anderen ist Neoliberalismus ein volkswirtschaftliches Modell, dass auf die Art und Weise Einfluss nimmt, wie "Wirtschaft" weltweit gedacht und gemacht wird. Das bedeutet nicht, dass es in jedem der ca. 200 Staaten dieses Planeten in gleicher Weise ausgelegt und angewendet wird.

In der Tat ist einer der großen Knackpunkte der neoliberalen Theorie der Anspruch der allumfassenden Gültigkeit für alle Länder in allen Entwicklungsstufen und allen kulturellen Kontexten. Darum wendet man z.B. Ansätze die für Industrieländer gedacht waren z.B. auf Entwicklungsländer wie in Zentralamerika an. Und das wird letzltlich auch einer der Treiber für den anstehenden Paradigmenwechsel sein, von dem ich ursprünglich schrieb.

Gruß, Guido
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Moin Guido,

Zitat
Zum einen bezieht sich der von Dir erwähnte Freiheitsbegriff meist auf die Freiheit des Menschen von Zwang und Unterdrückung, weniger auf die Freiheit der Wirtschaft von Regulierung und Sozialbindung.


Ich vertrete die Auffassung, daß das, was Du als "Regulierung und Sozialbindung" bezeichnest, gerade die Unfreiheit ist, deren Abwesenheit als Freiheit definiert ist.

Zitat
Eine Wirtschaft die uns gängelt...


Es mag, wenn man ausdauernd genug sucht, Beispiele dafür geben, daß man von der Wirtschaft gegängelt wird; i.d.R. ist es aber eher so, daß die Wirtschaft gegängelt und drangsaliert wird - und mit ihr wir alle. Ein schönes Beispiel findet sich unter http://www.bwl-bote.de/20041023.htm

Mehr noch bin ich der Ansicht, daß die derzeitige Politik n icht punktuelle Gewalt (Konzentrationslager, willkürliche Verhaftungen), sondern strukturelle Gewalt insbesondere durch künstliche Verteuerung und Verknappung von Gütern mit starrer Nachfrage ausübt. Dies ist, was ich als eine neue Form des Faschismus bezeichnet habe: http://www.bwl-bote.de/20040716.htm. Solltest Du jetzt einwenden wollen, man könne die Ökosteuer nicht mit Auschwitz vergleichen, so gebe ich Dir insofern Recht; alleine durch das Verbot des segensreichen Pflanzenschutzmittels DDT sind aber mehr Menschen an Malatria gestorben als im zweiten Weltkrieg überhaupt. Eine gewisse Vergleichbarkeit ist also möglicherweise doch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Zitat
Von der reinen Produktivität her wären wir heute soweit, dass man weltweit mit der 10-Stunden-Woche jedem Menschen alles zur Verfügung stellen könnte was er braucht. Und dazu noch vieles mehr. Für ein Einkommen, dass deutlich über den heutigen Sätzen liegen kann. Warum geschieht das nicht? Wer hat ein Interesse das zu verhindern?


Politiker, die hierdurch ihre Macht verlieren würden. Sie müssen die Menschen in Angst versetzen, und seit wir die Klimareligion haben, hört man nichts mehr vom Waldsterben oder vom Ozonloch, denn alle diese Propagandamärchen haben den einzigen Zweck, den Menschen so viel Angst zu machen, daß sie alle Einschränkungen akzeptieren. Die "cui bono"-Frage ist also leicht zu beantworten.
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Hallo in die Runde,

"Guido" schrieb
Von der reinen Produktivität her wären wir heute soweit, dass man weltweit mit der 10-Stunden-Woche jedem Menschen alles zur Verfügung stellen könnte was er braucht. Und dazu noch vieles mehr. Für ein Einkommen, dass deutlich über den heutigen Sätzen liegen kann. Warum geschieht das nicht? Wer hat ein Interesse das zu verhindern?


Etwas anders formuliert ist das nichts anderes als der Ansatz, den man schon einmal versuchte zu verfolgen:

"Jeder nach seinen Möglichkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen."

Dieser Ansatz setzt aber notwendig voraus, daß jeder freiwillig der Gesellschaft dem ihm qualitativ und quantitativ möglichen Beitrag zur Verfügung stellt und daß es einen Konsens darüber gibt, was vernünftigerweise als "Bedürfnisse" zu verstehen ist.

Hier fangen aber die Probleme an. Mancher betrachtet es als Unfreiheit und bezeichnet es als Zwangsarbeit, wenn von ihm überhaupt ein Beitrag zur Bestreitung der Kosten seines Daseins abverlangt wird. Wie kann man nur von Sozialhilfeempfängern gemeinnützige Tätigkeiten fordern?! Ist das überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar?! Als die Freie und Hansestadt Hamburg jedoch diese Forderung erhob, ging die Zahl der Bedürftigen signifikant zurück.
Daher sollten diese Aspekte "Zwangsarbeit" und "Unfreiheit" von einer anderen Seite betrachtet werden, indem man das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Mitgliedern auf ein Handelsgeschäft projiziert: "Leistung und Gegenleistung". Wenn also ein Gesellschaftsmitglied versorgt werden soll, obwohl es den ihm möglichen Beitrag nicht bereit ist zu erbringen, stellt sich die Frage, warum an der Ladenkasse bezahlt werden soll, wenn die Waren genausogut gestohlen werden können.

Ein wesentlicher Bestandteil des Ansatzes "Jeder nach seinen Möglichkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" ist der Abschied von dem Gedanken, daß Leistung und Gegenleistung in einem qualitativ und quantitativ bestimmbaren Verhältnis zu einander stehen müssen. Damit wird der Problemkreis "Erwerbs- und Berufsunfähigkeit" obsolet, weil der geforderte Beitrag des Einzelnen an seinen objektiven Fähigkeiten gemessen wird. Andererseits kann insgesamt nicht mehr verteilt werden, als auch erwirtschaftet wurde. Die Diskrepanz zwischen Leistung eines Schwerbehinderten und von ihm benötigten Mitteln zum Lebensunterhalt müssen demnach diejenigen ausgleichen, die dazu in der Lage sind. Das bedingt eine Art von Solidarität in allen Ebenen der Gesellschaft, die jedoch 1990 abgeschafft wurde.

Wurde oben der Aspekt "Kann ich auch leben, ohne etwas beizutragen" betrachtet, so führt das Beispiel des Schwerbehinderten zu der Frage nach der Bemessungsgrundlage der Bedürfnisse. Wer als Leistungsträger den Solidaritätsgedanken nicht kennt, wird sich nicht mit dem zufriedengeben, was nach vernünftigen Gesichtspunkten zum Leben gebraucht wird:
Es ist ganz wichtig, daß jeder eine Wohnung für sich und seine Familie hat. Wer viel leistet, soll auch ein Haus haben. Es ist aber nicht nur in Hessen schön, wo ich arbeite, sondern auch in der Oberlausitz und an der Nordsee. Also brauche ich dort selbstverständlich auch je ein Haus ...

Das sind Probleme, die zum Scheitern des "real existierenden Sozialismus" mit beigetragen haben. Die Leute in der DDR waren insofern nicht schlechter oder besser als ihre Zeitgenossen in der Bundesrepublik. Beispiele dafür gibt es wirklich genug.

Grüße,
Peter
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Zusammenfassend kann ich sagen: Wir leben heute in vermachteten Strukturen was Politik und Wirtschaft angeht. Politiker die um ihre Macht und ihre Privilegien bangen, blockieren im Zweifel jede Veränderung - egal in welche Richtung. Es sei denn sie werden gekauft oder per Lobbydruck "überzeugt". Und auch "die Wirtschaft", d.h. im wesentlichen die großen Konzerne regieren und bestimmen unser Leben in zunehmenden Maße mit. Obwohl ihre eigentliche Aufgabe ja mal nur in der Bereitstellung nützlicher Güter zu vernünftigen Preisen bestand.

Die Bürger, die Arbeitnehmer, die kleinen Selbstständigen, die regionale KMU-Wirtschaft - sie alle haben das Nachsehen, wenn Politik und Wirtschaft nicht mehr funktionieren.

Letztlich wird wohl nur ein Aufbrechen dieser vermachteten Strukturen zur Lösung der allgegenwärtigen Probleme führen. Es geht ja nicht um das eine große Problem. Sondern um viele kleinere und mittlere Probleme. Jedes für sich betrachtet harmlos aber in der Summe brandgefährlich.

Wenn ich mir z.B. ansehe, dass Großkonzerne einerseits legal ihre Steuern nicht nur auf Null sondern ins Negative drücken, sich andererseits aber beklagen, wenn die Ergebnisse des steuerfinanzierten Schulsystems von Jahr zu Jahr schlechter werden, frage ich mich schon. Zumal das gesparte Geld dann für teure Personalentwicklung (Kosten für eine Woche Seminar = Kosten für ein ganzes Schuljahr) ausgegeben wird, um die Defizite auszubügeln.

Oder im Sozialbereich: Vor kurzem ließ sich ein Bekannter von mir wegen Rückenproblemen behandeln. Für fünf Tage jeweils eine Spritze mit Medikation (Dauer: 10 min). Das kann ambulant oder stationär gemacht werden. Ambulant zum Selberbezahlen oder stationär auf Kassenkosten. Keine Frage welche Wahl er als kassenbeitragszahlender Patient traf.

Und das sind nur zwei kleine Beispiele.

So geht es quer durch die Republik und quer durch alle Themenbereiche politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Strukturen. Da wird auf der einen Seite Mist gebaut um Geld zu sparen. Und an anderer Stelle draufgezahlt, um das wieder hinzubiegen. Volkswirte sprechen dann gerne und zutreffen vom Paradox individuell sinnvoller Entscheidungen, die sich als gesamtwirtschaftlich unsinnig herausstellen.

Letztlich zeigt das nur, dass es so nicht weitergehen kann.

Gruß, Guido
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Guten Morgen,

das mit der Sozialautonomie ist mE nach ein guter Vorschlag, solange er die Ausgestaltung der Regelungen wirklich staatlicher Kontrolle entzieht - was ja, wie man weiß, bei der Tarifautonomie schon nicht mehr immer so ganz wasserdicht funktioniert. Sozialautonomie würde mE nach notwendig auch durchgreifende Nichtstaatlichkeit und Freiwilligkeit nach sich ziehen, denn wie Du sagst, daß Löhne auch nicht im Parlament beschlossen werden, werden es Arbeitsverhältnisse auch nicht. Man kann eines eingehen oder es unterlassen. Also müßte auch die Sozialautonomie auf Freiwilligkeit beruhen. Schon der Vergleich mit der Kfz-"Versicherung" ist mE nach problematisch, denn diese ist bekanntlich keine Versicherung, sondern der teuerste aller Kreditverträge mit kleiner Versicherungskomponente: baue ich den Unfall, so legt mir die "Versicherung" die Schadensregulierung nur aus, holt sich aber das Geld später über höhere Beiträge wieder. Das wäre so, als müßte ich, wenn ich zum Arzt gehe, später höhere Versicherungsbeiträge zahlen - dann kann ich es auch gleich lassen. Ebenso wäre die Kfz-Versicherung eine ganz andere Sache, wenn der Beitritt freiwillig wäre: das führte zu Leistung statt wie bisher zu einer Art Quasi-Besteuerung. Um es kurz zu machen: Freiwilligkeit bis auf die Knochen ist das Kernelement einer Sozialversicherung überhaupt - sonst ist es nur Abzocke, so wie bisher.
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"HZingel" schrieb
... Also müßte auch die Sozialautonomie auf Freiwilligkeit beruhen. Schon der Vergleich mit der Kfz-"Versicherung" ist mE nach problematisch, denn diese ist bekanntlich keine Versicherung, sondern der teuerste aller Kreditverträge mit kleiner Versicherungskomponente: baue ich den Unfall, so legt mir die "Versicherung" die Schadensregulierung nur aus, holt sich aber das Geld später über höhere Beiträge wieder.
...

Freiwilligkeit bis auf die Knochen ist das Kernelement einer Sozialversicherung überhaupt - sonst ist es nur Abzocke, so wie bisher.


Wenn es gelänge ein Regularium zu finden, dass dafür sorgt, dass "freiwillig Nichhtversicherte" am Ende dann nicht doch der steuerfinanzierten Fürsorge zur Last fallen, dann ganz bestimmt.

Allerdings hat man da wieder eines dieser "individuell rational - gesamthaft irrational"-Probleme. Denn wenn ein Bürger sich individuell für Null Beitrag / keine Mitgliedschaft entscheidet, weil er sich für gesund, unsterblich, wohlhabend ... hält und dann plötzlich doch massiv Hilfe braucht und löhnen müsste ... dann gibt es auch in der Sozialautonomie Probleme.

Denn entweder lässt man diese Leute mit ihren selbstverschuldeten Problemen hängen, wenn ihnen plötzlich klar wird, dass z.B. eine Herzkranzgefäßoperation für einen Normalverdiener kaum aus dem Stand bezahlbar ist. Oder man beschließt aus einem sozialen Politikverständnis heraus, für diese Sorte ein Notnagelsystem zu etablieren und es per Steuer umzulegen.

(z.B. so: jeder darf sich versichern wie er will. Ohne Staat. Tut er gar nichts, wird ihm vom Staat zwangsweise eine Zusatzabgabe auferlegt, mit der dieses Risiko finanziert wird. Sonst sind wieder die anderen die Dummen)

Beispielsweise ist heute die persönliche Haftpflichtversicherung (HPV) freiwillig. Wenn irgendein dummer Habenichts ohne HPV Dir oder Deinem Hab und Gut versehentlich einen Schaden zufügt, bleibst Du auf den Kosten sitzen. Bei der HPV ist dieses Risiko noch überschaubar. Aber was ist gesamtgesellschaftlich mit den Millionen von Leuten, denen für sowas die Einsicht fehlt?

Gruß, Guido
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Hi Guido,

Zitat
Wenn es gelänge ein Regularium zu finden, dass dafür sorgt, dass "freiwillig Nichhtversicherte" am Ende dann nicht doch der steuerfinanzierten Fürsorge zur Last fallen, dann ganz bestimmt.


Jedes zwangsmitgliedschaftlich verfaßte System bringt wieder das Kollektivgutdilemma mit sich: wenn ich schon da rein muß, dann will ich auch maximale Leistung. Versicherungsbetrug ist bekanntlich ein Volkssport - je verpflichtender die Mitgliedschaft (und je höher die Beiträge), desto mehr. Da das kein Absicherungssystem auf Dauer aushält, sind Verknappung, Rationierung und/oder Verteuerung die unausweichlichen Folgen - was uns wieder dahin bringt, wo wir hergekommen sind.

Zitat
Denn entweder lässt man diese Leute mit ihren selbstverschuldeten Problemen hängen, wenn ihnen plötzlich klar wird, dass z.B. eine Herzkranzgefäßoperation für einen Normalverdiener kaum aus dem Stand bezahlbar ist. Oder man beschließt aus einem sozialen Politikverständnis heraus, für diese Sorte ein Notnagelsystem zu etablieren und es per Steuer umzulegen.


Hier sollten wir vielleicht erst die Frage diskutieren, was der Staat leisten muß: sollte alles, was möglich ist, auch jedermann zur Verfügung stehen, oder sollte Gesundheit ein Wirtschaftsgut sein wie jedes andere? Die einzigen (!) drei Rechte, die in der US-Verfassung ein Mensch hat, sind bekanntlich life, liberty and the pursuit of happiness. Ja, the pursuit, es gibt nur ein Recht auf Suche nach Glück, nicht darauf, es auch zu finden - was ein Gegensatz zu den Art. 1 bis 20 GG oder erst den vielen Grundrechten des EU-Verfassung!

Wer diese Debatte für eine Euthanasiediskussion hält, übertreibt zwar, hat aber im Kern Recht. Und wer den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen bekanntlich mit den Zähnen, will heißen, diese Debatte führen wir schon, ob uns das gefällt oder nicht: so hatte der Monteur, der heute morgen hier war und einen kleinen Baumangel in unserem schönen neuen Häuschen beseitigt hat, kaum noch Zähne. Aber in einer Zwangsversicherung ist er ganz offensichtlich. Anscheinend kann er sich die Gebißreparatur also doch nicht leisten - siehe Rationierung! Schon jetzt stehen eigentlich routinemäßige Eingriffe also nicht mehr jedermann zur Verfügung. Oder meine Grippe vor ein paar Wochen: mir wurden alle Maßnahmen der Labormedizin und Pharmazie angeboten, aber für mehrere hundert Euro. Meine Frau hat mit derselben, von mir ererbten und an meinem schon immer knallharten Immunsystem gestählten Erkrankung nichts, in Worten: n-i-c-h-t-s verschrieben gekriegt, weil die Ärztin ihr Budget überschritten hat. In so einer Zwangskasse möchte ich nicht sein, ehrlich!

Ich könnte daher nur einer Minimalzwangskasse zustimmen, die z.B. Krankenhausbehandlungen oder eben auch Zahnersatz finanziert, aber z.B. keine Antibiotika bei Grippeerkrankungen. Nur das erlaubt das derzeitige System ja nicht: der Zwangsversicherte wird zu einem (scheinbaren!) Vollkaskoschutz bei (nicht scheinbarer) Maximalzahlung genötigt, und dem Unversicherten wird (wie in meinem Fall) jeglicher Schutz verwehrt, auch die eigentlich angestrebte Minimalabsicherung.

Ein wahnsinniges, absurdes System, das wir da haben!


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