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Saldierungsverbot

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Registriert: Mar 2006
Beiträge: 4
Guten Abend,

ich habe eine Frage zum Saldierungsverbot lt. § 246 HGB: Das grundsätzliche Saldierungsverbot gilt nicht bei aufrechenbaren Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen denselben Personen (§ 387 BGB). In einem anderen Beitrag in diesem Forum habe ich gelesen, dass das z.B. bei der Umsatzsteuer der Fall sein kann. Gibt es noch andere Beispiele?
Dabei ist mir eines unklar: Wenn ein Schuldner seine Forderung gegenüber einem Unternehmen mit einer bestehenden Verbindlichkeit aufrechnen kann, dann wird er im Insolvenzfall dieser Firma als Gläubiger besser gestellt wie die anderen Gläubiger, da nur seine nicht aufgerechnete Forderung ausfällt bzw. seine Verbindlichkeit (die ja einen Vermögenswert für alle Gläubiger darstellt) nicht allen Gläubiger als Insolvenzmasse zur Verfügung steht.

Vorab schon mal vielen Dank für die Hilfe!
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Hi & willkommen im Forum,

Zitat
Gibt es noch andere Beispiele?


Natürlich, und zwar diese hier:

1. aufrechenbare Forderungen und Verbindlichkeiten, wenn ein Lieferant gleichzeitig Kunde ist,
2. Kontokorrentkonten,
3. aktive und passive latente Steuerabgrenzung,
4. die Verrechnung der Vorsteuer und der Umsatzsteuer (wie Du schon geschrieben hast),
5. positive und negative Bestandsveränderungen an Erzeugnissen,
6. Zusammenfassung von GuV-Posten zum Rohergebnis,
7. Saldierung von Steuererstattungen und Steueraufwendungen, z.B. bei der USt.-Abrechnung (das ist der häufigste Fall),
8. Abzug der Erlösschmälerungen von den Umsatzerlösen.

Zitat
Dabei ist mir eines unklar: Wenn ein Schuldner seine Forderung gegenüber einem Unternehmen mit einer bestehenden Verbindlichkeit aufrechnen kann, dann wird er im Insolvenzfall dieser Firma als Gläubiger besser gestellt wie die anderen Gläubiger, da nur seine nicht aufgerechnete Forderung ausfällt bzw. seine Verbindlichkeit (die ja einen Vermögenswert für alle Gläubiger darstellt) nicht allen Gläubiger als Insolvenzmasse zur Verfügung steht.


Genau - so ist das, aber eben nur, solange noch kein Insolvenzverfahren läuft. Ist erstmal das Verfahren im Gange, werden alle Insolvenzforderungen gleich behandelt - mit Ausnahme der Nachrangforderungen (§§ 39 ff InsO). Es kann aber in der Tat Sinn machen, "rechtzeitig" die Aufrechnung zu erklären!
Mitglied
Registriert: Mar 2006
Beiträge: 4
Hallo,

vielen Dank für die schnelle und ausführliche Hilfe. Die Antwort bedeutet also, dass ich in einer Bilanz die angesprochenen Beispiele saldieren darf, im Insolvenzfalle das jedoch ab diesem Moment verboten ist. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Schuldner (des insolventen Unternehmens) sämtliche offenen Verbindlichkeiten vollständig einbringen während ihre Forderungen (gegen das insolvente Unternehmen) nur mit der Insolvenzquote bedient werden. Deshalb auch der Zusatz, dass eine Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten (für das zukünftige nicht insolvente Unternehmen) "rechtzeitig" erfolgen soll.

Bedeutet das auch, dass in der Bilanz (eines in einem Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmens) diese Forderungen und Verbindlichkeiten nicht mehr saldiert werden sondern offen ausgewiesen werden?!

Vielen Dank im voraus!!!
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Hi,

Zitat
Bedeutet das auch, dass in der Bilanz (eines in einem Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmens) diese Forderungen und Verbindlichkeiten nicht mehr saldiert werden sondern offen ausgewiesen werden?!


Meines Wissens führt die InsO zu keiner so grundlegenden Änderung der Bilanzierungsregeln. Das Recht zur Aufrechnung, und nichts anderes ist ja die Grundlage der Ausnahmen zum Verrechnungsverbot, wird durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt, §338 InsO. Wer durch Gesetz aufrechnen darf, kann dies auch im Insolvenzverfahren tun, §94 InsO. Die einzigen Ausnahmen befinden sich soweit ich weiß in §96 Abs. 1 InsO, aber die sind eher seltenere Tatbestände, die die oben gelisteten Ausnahmen zu §246 Abs. 2 HGB nicht berühren. Auch in einer Bilanz eines Unternehmens in der Insolvenz können also mE nach Forderungen und Verbindlichkeiten, die sich gegen dieselbe Person richten, wie z.B. USt.-Schulden und VSt.-Forderungen, saldiert werden.
Mitglied
Registriert: Mar 2006
Beiträge: 4
Hallo,

das geht aber schnell. Danke!

Wenn ich weiterhin saldieren kann, dann kann ich aus der Bilanz aber nicht ersehen, welche Forderungen tatsächlich bestehen (da sie ja gegen bestehende Verbindlichkeiten bereits aufgerechnet sind). Wenn also der Insolvenzverwalter die offene Forderung noch eintreiben will (um möglichst viele Vermögenswerte für die Gläubiger "einzusammeln"), dann kann er das nur aus offenen Rechnungsbelegen oder aus den Sachkonten "offene Forderungen" (vor den Jahresabschlußbuchungen) erkennen aber nicht aus der Bilanz.

Oder wie muss ich mir das in der Praxis vorstellen?
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Moin,

Zitat
Wenn ich weiterhin saldieren kann, dann kann ich aus der Bilanz aber nicht ersehen, welche Forderungen tatsächlich bestehen (da sie ja gegen bestehende Verbindlichkeiten bereits aufgerechnet sind).


Das ist nicht verwunderlich - schließlich gibt es im Zusammenhang mit der HGB-Bilanz auch besonders viele stille Reserven. Der Insolvenzverwalter hat aber nicht nur den Abschluß, sondern Zugang zu den Büchern. Er sieht also viel mehr, als ein externer Bilanzanalytiker, und kann daher auch alle Forderungen und Verbindlichkeiten "einsammeln". Praktische Probleme liegen übrigens mE nach weniger im Saldierungsverbot oder anderen Rechtsvorschriften sondern daran, daß viele Insolvenzschuldner die Buchführung aus Verzwheiflung über den immer drohender werdenden Absturz immer mehr schleifen lassen. Da geht es nicht darum, wer was wo wie verrechnet hat, sondern eher darum, wieviele ungeöffnete Rechnungen und Mahnungen noch an welchen mehr oder weniger unmöglichen Stellen auftauchen...
Mitglied
Registriert: Mar 2006
Beiträge: 4
Guten Abend,

dieser Gedankenaustausch war ja mal richtig fruchtbar. Vielen Dank! Ich denke, ich hab es auch vollumfänglich verstanden und kann es jetzt in meinen eigenen Worten erklären. Bis zum nächsten Mal.

Herzliche Grüße!!


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