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Hallo an alle

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Registriert: Aug 2005
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Ort: Saarbrücken
Hallo Andi,

"Andi K." schrieb
Hallo liebe Leute,

Auch der Bereich Unternehmensberatung wäre interessant.


Das würde ich mir an Deiner Stelle sehr gut überlegen und vorher mit ruhig auch mal mit unterschiedlichsten Leuten sprechen, die mehrere Jahre in der Beratung gearbeitet haben. Am besten so 5-7 Berater bzw. insbesondere auch Ex-Berater ansprechen und sie ruhig mal fragen, ob sie nochmals in die Beratung gehen würden, was es unterm Strich gebracht hat, was es sie gekostet hat, wie sie die Zukunftsaussichten der Beratung beurteilen usw...

Als guter KFZ Spezialist mit betriebswirtschaftlicher Zusatzausbildung hast Du mit Sicherheit andere gute Optionen, die finanziell genauso einträglich sind. Und sooo einträglich, wie man immer meint, ist der Job des angestellten Beraters auch wieder nicht. Es sei denn, er ist schon mehrere Jahre (mehr als 7) im Job, hat Job Hopping betrieben, ist außerdem gut, hat eine leitende Position errungen und geht um Gottes Willen nicht in die IT-Beratung (die auch immer wieder gerne als Unternehmensberatung deklariert wird). Letztere ist meines Erachtens nämlich auf einem ziemlich absterbenden Ast.

Viele Grüsse

Josh
Mitglied
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 38
Ort: Essen
Wieso? Dein Wissen dazu würde mich interessieren.
Mitglied
Registriert: Aug 2005
Beiträge: 48
Ort: Saarbrücken
Hallo Andi,

"Andi K." schrieb
Wieso? Dein Wissen dazu würde mich interessieren.


was meinst Du genau mit der Frage "Wieso"? Die Frage, warum Du nicht in die Beratung gehen solltest, oder warum die Beratung auf dem absterbenden Ast ist?

Kleine ironische Anmerkung, die Du mir hoffentlich aufgrund der späten Stunde nach 16 Stunden Arbeit am Stück verzeihst: Angehende Berater sollten sich angewöhnen, präzise Fragen zu stellen, insbesondere, da ihre Kunden meistens sehr unpräzise schildern oder aber unpräzise antworten. :mrgreen:

O.K. genug gestichelt. Nein im Ernst, das ist ein langes Thema. Da ich hundemüde bin, vorerst nur ein paar Stichworte und - falls meine laufende Akquise eines Projektes im vierstelligen Tagebereich übernächste Woche halbwegs hinter mich gebracht ist - gerne auch ausführlichere Statements. Für den Moment muss das Folgende reichen.

Beratung, insbesondere IT-Beratung wird zum Commodity. Warum? Angebot nimmt quantitativ ernorm zu, Markteintrittsbarrieren extrem gering (Berater ist keine geschützte Bezeichnung, jeder Idiot kann sich Berater nennen und hat auch noch Chancen einen Auftrag zu bekommen, wenn er den Stundenlohn Euro nur gering genug ansetzt)

In IT-Beratung globaler Wettbewerbsdruck, große Firmen (also unsere Kunden) sprechen Englisch, indische IT-Absolventen, die in indische Beratungsunternehmen gehen mittlerweile meist sehr gut ausgebildet, da insbesondere amerikanische Professoren gerne mal ein oder mehrere Semester an indischen Fakultäten unterrichten. Inder sprechen leidlich bis sehr gut Englisch (im Gegensatz zu vielen meiner deutschen Berater Kollegen). Da in Deutschland immer mehr große Konzerne überwiegend Englisch als Sprache auch intern verwenden (Bsp.: Adidas, Henkel), nicht nur in der Projektarbeit, sondern auch in interner Korrespondenz in Deutschland, kann auch ein indischer, chinesischer, russischer, oder tschechischer bzw. polnischer IT-Berater sehr gut in Deutschland ein Projekt durchführen. Sprache also kein Eintrittshinderniss mehr. Nur, der Inder kostet die Hälfte (!) des deutschen Beraters. Mörderischer Verdrängungswettbewerb.

Meine Erfahrung mit unseren eigen IT-Consultants aus diesen Ländern: Sehr gut ausgebildet im IT Bereich, manchmal sogar noch besser. Bsp. laufende Akquise in China: Beim Check der dortigen Ressourcen wurde mir schlecht, vor Begeisterung und dann vor Angst. Wahnsinn... Entweder wir schwingen richtig die Keule in den nächsten Jahren und holen auf, oder aber wir müssen uns andere inhaltliche Märkte suchen (analog zur Ansoffs Matrix)

BWL Kenntnisse als Differenzierungsfaktor??? Nun, dann kann ich nur sagen, seit der eiserne Vorhang gefallen ist, ist das auch keine Frage mehr. VIele haben noch den MBA zusätzlich gemacht.

Gründlichkeit, Stetigkeit, Disziplin, Arbeitseinsatz? Auch nicht geringer als in Deutschland, teilweise besser. Keine spezifisch deutsche Tugend mehr...

Fazit: Zu viele Berater, kaum noch wirkliche Anknüpfungspunkte für Differenziereung in qualitativer Hinsicht, Preiskampf dominiert, teilweise geht das in die Verlustzone. Tagessätze von 850 Euro inklusive Reisekosten, Reisezeiten für Deinen Arbeitgeber. Du kommst aber in einer Selbstkostenbetrachtung fast schon an diesen Satz ran. O.K. nun muß man sagen, Beratungen sind betriebswirtschafltich/kostenrechnerisch fatalerweise noch in der Steinzeit. Dort wird in der Tat noch ein Vollkostensatz ermittelt, Umlagen noch und nöcher.... und dann sagt man, dass man nach Gewinnzuschlag eigentlich eine Preis von x bekommen müsste. Da sind die Industriebetriebe teilweise schon weiter. Wir Beratungen kalkulieren uns aufgrund der steinalten Vollkostenbetrachtung nach und nach selbst aus dem Markt.... als ob wir´s nie anders gelernt hätten. Unglaublich, die Dummheit auf der eigenen Seite...Der Schuster hat die schlechtesten Schuhe an. Damit entschuldigen wir aber auch wirklich alles....

Mein eigenes Fazit nach 9 Jahren Beratung:

- Verdiene nicht schlecht, aber auch nicht so gut, insbesondere wenn man das wenige Mehr im Vergleich zu Leuten in der Industrie ins Verhältnis setzt, teilweise aber auch viel Schall und Rauch hinsichtlich Verdienst, was auch von Beratung gestreut wird. Habe mittlerweile auch Vergleichswerte, was Leute bekommen, die nicht in der Beratung sind und in größeren Konzernen in fachlich vergleichbaren Positionen bekommen. Kaum Unterschied finanziell, wohl aber in Bezug auf den Arbeitsaufwand und sonstige Rahmenbedinungen...

- Die letzten drei Jahre keine Steigerungsraten mehr wie früher (6-7 Prozent), sondern ähnliche Steigerungsraten wie in gewerkschaftlich organisierten Bereichen (3 Prozent maximum in Beratung, IG Metall hat für Industriebetriebe letztens sogar 3,5 für ihre Mitglieder abgerungen, also Gleichstand bei Wachstumsraten)
- nach 9 Jahren Beratung 120 Tage Resturlaub
- Überstunden gelten als abgegolten (unentgeltlich, auch kein zusätzlicher Ausgleich, die 120 Tage Resturlaub sind der normale, nicht in Anspruch genommene Urlaub)
- enorm viel Reisezeit, im Gegensatz zu früher zahlen viele Kunden Reisezeiten heute nicht mehr, bitter, wenn man mehrere Kunden parallel hat und Kettenreisen machen muss, den einen in Hamburg, den anderen in München oder womöglich noch im Ausland (wie vor kurzem in Spanien -> 4,5 Stunden Anreise unentgeltlich) oder sogar in Hongkong (dann gehen 2,5 Arbeitstage flöten, vom Jetlag will ich gar nicht reden, natürlich reisen wir Economy.
- Beratungen verlangen hohe (fakturierbare) Auslastung. Fakturierbar ist in aller Regel nur die Anwesenheit vor Ort beim Kunden. Vergiss die Vorstellung mit Beratung vom Büro aus. 4-5 Tage im Schnitt bei verschiedenen Kunden.
- Kaum noch Back Office Unterstützung, Rückmeldung, Forecast, Reisekostenabrechnung (Du trittst übrigens in Vorlage, dann erfolgt Abrechnung, die Du vorbereitest) am Wochenende
- Mädchen für alles: Angebotserstellung, Folien basteln, Präsentieren, Projekt durchführen, und und und...
- vielversprechende Angebote müssen abgegeben werden? Kunde schickt Request for Proposal (ca 130 Seiten) kurz vor Weihnachten, Abgabe des FESTPREISANGEBOTES (mittlerweile die Regel, alles andere also Aufwandsprojekte eher die Ausnahem) 10 Tage später? Geplanter Urlaub zwischen Weihnachten und Neujahr gestrichen, schau, daß Du das Angebot fertig bekommst, vollständig, qualitativ hochwertig, hinsichtlich Risiken abgesichert und und und...Staffing sicherstellen...., rechtzeitig... kümmere Dich um alles selbst....

Übrigens, das war nur ein kleiner Ausschnitt, der mir jetzt noch so spontan eingefallen ist, beim Schreiben, ohne langes Überlegen. Da gäbe es, ausgeruht und nach etwas Überlegen deutlich mehr....

Fazit:
Sowas sollte man eigentlich nur als Freelancer mitmachen, dann kann sich der Stress lohnen, weil der gleiche oder ein geringfügig geringerer Tagessatz, den meine Firma für mich gegenwärtig einstreicht, dann in Deine Tasche wandert.
Verhältnis Aufwand / Nutzen idiotisch.
...
to be continued.... Zu müde, Akku geht zur Neige... Sorry, muss in drei Stunden wieder raus, Angebot in Endphase...

Lass es einfach sein... Geh in die Industrie. Oder - wenn Du partout Berater werden willst, dann werde Freelancer... Prüfe aber vorher, ob das Leben wirklich für Dich taugt. Es gibt schon ein paar Kerneigenschaften, die Du als Berater mitbringen solltest, insbesondere als Freelancer...
Übrigens, mein Laden ist - verglichen mit den Großen - wirklich noch gemäßigt. Mache selbst viele Einstellungsgespräche mit Bewerbern mit, die von den großen Hühnerställen kommen (Accenture, IBM Business Consulting, Bearing Point, CSC...) Bei aller berechtigten Kritik und auch Frust ggü. meinem eigenen Laden, aber immerhin bilden wir unsere Leute im SAP Bereich wenigstens noch aus. Da sind wir noch richtig fair. Ich bin immer wieder auf´s neue geschockt zu hören und auch nachweislich festzustellen (ich mache die fachliche Prüfung von Bewerbern), daß die großen Läden ihre Leute zum größten Teil ohne dedizierte SAP Schulung zu den Kunden schicken, bei denen mittlerweile auf der anderen Seite des Schreibtisches ehemalige, erfahrene Berater sitzen... Das erklärt natürlich auch teilweise die mangelnde Lust der Kunden weiterhin die hohen Tagessätze der Vergangenheit zu bezahlen...

Na, immer noch Lust, in die Beratung zu gehen?

Dann hör Dir mal den Rest an, wenn ich ausgeschlafen bin...

Gruss und gute Nacht.

Josh
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Beiträge: 38
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Danke für die Ausführliche Antwort :D

IT wollte ich auf keinen Fall. Davon verstehe ich nichts. Es gibt ja auch sicherlich Branchen in denen es entpannter zugeht als in der IT-Branche. Da geht ja eh alles drunter und drüber. Wie gesagt, es ist nur eine Option, werde mich natürlich noch ausführlich damit befassen.
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Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Hi Andi,

vor Jahren habe ich mal einen kleinen Artikel über meine Erfahrungen im Beratungsgewerbe geschrieben, vielleicht hilft es Dir?
<A HREF="http://www.bwl-bote.de/20011101.htm">Die größten Fehler: über die Klippen des Beratungsgewerbes</A>
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Registriert: Jan 2006
Beiträge: 38
Ort: Essen
Danke :D

Hab mir den verlinkten Text und den über Karriereplanung durchgelesen, sehr kurzweilig. Echt ungewöhnlich, dass man sich so schnell und flüssig durch solchen Stoff lesen kann. Alles kurz, bündig und gut zu verstehen. Werde hier wohl noch viel zu lesen haben. Bisher habe ich immer nach Gefühl meine Wege gewählt, und werde es weiter so machen. Mit Sicherheit nicht das klügste, aber ich fühl mich so am besten. Mal schauen wo es mich letztendlich hintreibt. Alles vergänglich, von daher relativ gleichgültig und nur von sehr begrenzter Dauer und Bedeutung, oder?


Grüsse
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Guten Abend,

strategische Entscheidungen nach Gefühl zu wählen ist mE nach nicht schlecht - sondern eigentlich genau die richtige Strategie, denn der &quot;Bauch&quot; ist oft der beste Ratgeber bei langfristigen qualitativen Problemen.
Mitglied
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 38
Ort: Essen
Guten Morgen,


na dann bin ich ja auf dem richtigen Weg. :D


Schönen Tag
Mitglied
Registriert: Jan 2006
Beiträge: 6
Hallo,

tolle Seite, wenn auch nicht politisch korrekt :lol:.

Ich habe die Beiräge hier im Forum und auf der Startseite schon lange mit großem Interesse verfolgt. Vielleicht &quot;sieht&quot; man sich in Zukunft im einen oder anderen Thread.

Viele Grüsse

Mike


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