Hallo,

das Thema "barrierefreies Internet" beschäftigt mich schon einige Zeit, habe ich doch gerade die Neugestaltung mehrerer Seiten "am Hals".

Niemand sage, das ginge sie/ihn nichts an: vielleicht zum Glück kennt niemand sein Schicksal und weiß daher, daß sie/er nicht schon bald auf das Mitdenken anderer Leute angewiesen ist, zu dem hier angeregt werden soll?
"Barrierefreiheit" ist mehr als abgesenkte Bürgersteigkanten und Rollstuhlrampen, extra breite Türen und tönende Ampeln. Behinderten das Leben zu erleichtern kostet vor allem zuerst ein wenig Nachdenken und dann erst Geld. Beispielsweise sind über einen Bürgersteig herabhängende Äste ein Ärgernis für Blinde, weil sie diese mit dem Stock logischerweise nicht ertasten und folglich dagegenlaufen, das gilt aber auch für die Münztelefone, deren Wetterschutz nicht bis zum Boden reicht.

Probleme mit dem Computer haben nicht nur Sehbehinderte, sondern auch Menschen mit motorischen Störungen, die mit Tastatur und / oder Maus nicht umgehen können und Gehörlose, soweit für das Verstehen wichtige Informationen mit Tönen aller Art gegeben werden. Die einschlägige gesetzliche Regelung, nach der bestimmte Internetauftritte barrierefrei gestaltet sein müssen bzw. sollen, ist § 11 BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) und die dazu erlassene Verordnung (BITV)
http://www.barrierefreiesinternet.de/Barrierefreie_Informationstechnik-Verordnung_BITV.pdf

Wie sieht das aber nun in der Praxis aus?

In der Regel fällt es leicht, auf Tonausgaben zu verzichten, um Gehörlose nicht zu benachteiligen. Steht einem Sehbehinderten ein Restsehvermögen zur Verfügung, so behilft man sich mit extra großen Bildschirmen und Schriftarten.

Blinde nutzen die Brailleschrift. Texte werden auf einem Brailledrucker oder einer Braillezeile, oft kombiniert mit einer Tastatur, ausgegeben (siehe Foto). Außerdem gibt es Programme, die wie eine Kombination von Scanner und Sprachmodulation arbeiten.
Jedoch können diese Lösungen nur Textzeichen interpretieren. Stößt das "Vorleseprogramm" auf ein Bild oder eine Grafik, so sagt es nur "Bild" oder "Grafik", es sei denn, hinter diese sind Erläuterungen gelegt. Für das Verständnis wichtige Informationen, wie zum Beispiel Firmenlogos, sollen daher nicht als unkommentierte Grafiken präsentiert werden.
Tabellenförmige Darstellungen und Spaltensatz stellen für die "Vorleseprogramme" oft auch ein Problem dar: in der Regel lesen sie Zeile für Zeile von links außen nach rechts außen.
Denkbar wäre, den Inhalt der Seite in eine MP3-Datei zu sprechen und auf die Seite zu stellen, was aber den regelmäßigen Aktualisierungsaufwand explosionsartig anwachsen läßt.

Generell zu sagen ist, daß Java-Script Blinde von dem entsprechenden Internetangebot zuverlässig fernhält. Problematisch sollen dem Vernehmen nach auch die HTML-Konvertierungsfunktion von Microsoft Word sowie die marktgängigen preisgünstigen HTML-Konvertierungsprogramme sein. PDF-Dateien sind technisch gesehen Bilder und daher auch mit den oben beschriebenen Mitteln nicht lesbar. Es soll aber inzwischen Konverter geben, die dieses Problem gelöst haben.

Wer Behinderten die eigene Internetseite zugänglich machen will, kommt um HTML-Programmierkentnisse und die Beschäftigung mit dieser Thematik leider nicht herum. Gebt Ihr die Programmierung einer Seite in Auftrag, so wäre es nett von Euch, einen entsprechend versierten Auftragnehmer auszuwählen.

Grüße,
Peter

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