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Wie Hartz IV Arbeitsplätze schafft ...

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oder: Vogel Strauß ist unser Wappentier

Hallo in die Runde,

normalerweise freut man sich, wenn eigene Gedankengänge von anderen Leuten bestätigt werden - indes sind die Anlässe nicht immer danach.

So erinnere ich mich, im Zuge der Diskussion von Hartz IV und die damals formulierten Zumutbarkeitskriterien auch einmal an das Prostitutionsgesetz gedacht zu haben - war da nicht einmal etwas? Richtig: die Mädels sollten endlich ihre Gage einfordern können und wenigstens versichert sein, wenn sie sich denn in ein arbeitnehmer"ähnliches" Verhältnis begeben haben (ob diese "Verhältnisse" nicht praktisch eher einem der in §§ 174 ff. StGB beschriebenen Tatbestände entsprechen, soll noch dahinstehen).
Dagegen ist ja nichts einzuwenden und niemand wird sich mit derartiger Gesetzeslektüre befassen, der nicht in der Branche entsprechende Ambitionen hat.

Nun ist aber nach Hartz IV jede legale Tätigkeit zumutbar, wozu seit dem 01.01.2002 mithin auch Prostitution gehört. Was nicht nur mich nachdenklich machte, sondern auch die TAZ in ihrer Ausgabe vom 18.12.2004 bewog der Frage nachzugehen, wie denn das die Arbeitsämter ab 2005 zu handhaben gedenken:
http://www.taz.de/pt/2004/12/18/a0077.nf/text
Nun, ich habe mir daraufhin das Prostitutionsgesetz angesehen
http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/PRM-15320-Gesetz-zur-Regelung-der-Rechts,property=pdf.pdf
und die Meinung der TAZ-Redakteure bestätigt gefunden. Die entsprechenden Regelungen des StGB findet man hier:
http://dejure.org/gesetze/StGB/180a.html (anstelle "180a" ggf. einen anderen Paragraphen eintragen).

Wieder einmal kann man die Erkenntnis gewinnen, daß mithin nicht nur deutsches Steuerrecht, sondern auch Sozialversicherungs-, Straf- und Zivilrecht so miteinander verwoben sind, daß unbedachte Flickereien zu den merkwürdigsten Ergebnissen führen. Wäre das Prostitutionsgesetz nicht mit der Stärkung der Rechte der nunmal in diesem Gewerbe tätigen Frauen begründet worden, sondern damit, daß man deren Anzahl steigern wolle, hätte man im Jahre 2001 sicher noch quer durch alle Fraktionen an Sitte, Moral und Verstand der Verantwortlichen gezweifelt. Der Artikel der TAZ erschien vor zwei Monaten und dergleichen ist mir bisher nicht bekannt geworden.

Es mag sein, daß der in diesem Artikel zitierte Hamburger Beamte es mit seiner Entrüstung ehrlich meinte und so auch auf die "freiwillige Selbstbeschränkung" der Verwaltung verwies. Nur ist bekanntlich in Hamburg ein "reguläres" Arbeitsangebot von etwas geringerem Seltenheitswert als anderswo, so daß man sich dort diesen Luxus vermutlich leisten kann. Gar nicht so sehr weit davon, im deutschen Grenzgebiet zu Belgien (reden wir mal nicht von den neuen Bundesländern), wo man scheinbar von dieser "Freiwilligkeit" nichts weiß, wurde inzwischen eine jungen Frau mit Rechtsfolgebelehrung beauflagt, um eine solche Stelle nachzusuchen:
http://www.orientalweb.de/cgi-bin/bbs/owforum/owforum.pl?read=45972
Daher wissen wir nun, daß eine "freiwillige Verpflichtung" nicht nur in der "Wirtschaft", sondern auch in deutschen Verwaltungen einen sehr relativen Begriff darstellt.

Irritiert hat mich dabei, daß die Mitteilung ausgerechnet in diesem Forum kaum Aufsehen erregte. Wer orientalische Tanzauftritte anbietet (hier handelt es sich in aller Regel um gehobene Kunst oder Folklore aus diesen Ländern und nicht darum, was sich mancher beim Anblick der Bilder denkt), ist normalerweise als Dame nicht gerade unattraktiv und sollte massive Probleme haben, diesbezüglich mangelnde Eignung für das "älteste Gewerbe" glaubhaft zu machen.

Freilich ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, daß mancher Verwaltungsbeamte diesbezügliche Abneigungen der zu vermittelnden Damen als kontraproduktiv betrachtet, ist doch Abneigung gegenüber jeglichen regulär bezahlten Arbeit angeblich die hauptsächliche Ursache dafür, daß nunmehr ein Zehntel der deutschen Gesamtbevölkerung untätig zu Hause sitzt. http://www.bwl-bote.de/20050202.htm

Zumindestens muß diesen Eindruck gewinnen, wer sich mit den üblichen "Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit" (oder gegen Arbeitslose?) eingehender beschäftigt. Ich erinnere mich, daß es vor Jahren Frankfurter Dezernenten überhaupt nicht gefallen wollte, daß die Lokalbeleuchtung in den sternförmig auf das Portal des Hauptbahnhofes zulaufenden Straßen vor allem in Rot ausgeführt war. Man hat also, um etwas Leben in dieses Einerlei zu bringen, diese in regelmäßigen Abständen durch mobile blaue Beleuchtung ergänzt und interkontinentalen Fluglinien noch zu einigen Dutzend Last-Minute-Fluggästen verholfen. Das ging soweit, daß die betreffenden Unternehmer ernsthaft die "Green Card" nicht nur für Informatiker, sondern auch für ihr Gewerbe forderten. Die Arbeitsverwaltung ist daher scheinbar bestrebt, die in der Anwerbestoppverordnung vorgeschriebene Prüfung, ob für eine ausgeschriebene Position nicht auch einheimische Bewerber zur Verfügung stehen, in dieser Branche zunehmend auch positiv ausfallen zu lassen. So schafft Hartz IV "Arbeitsplätze".

Der Deutschen Wappentier ist wohl nur irrtümlich der Adler, Vogel Strauß wäre treffender gewesen. Zu dieser Erkenntnis kann man mithin auch gelangen, wenn man sich Harrys BWL-Boten etwas mehr widmet: kaum etwas davon ist in der Öffentlichkeit zum Thema geworden, obwohl bspw. die anstehende Energierationierung manchem ganz schön hart ankommen dürfte. http://www.bwl-bote.de/20050216.htm Aber viele von uns finden ja nicht nur angloamerikanische Ausdrücke so toll, daß sie sie dauernd im Munde führen müssen, sondern auch die dortige Lebensart. Und da gehören regelmäßige Stromausfälle nunmal dazu.

Grüße,
Peter

P.S.
Meine Anregung an Harry: dieses Jahr solltest Du Dir unbedingt einen Ziehbrunnen (mit Handhaspel) schachten, wenn Du schon ein eigenes Grundstück hast ...
http://www.bwl-bote.de/20050213.htm
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Guten Abend Peter,

vielen Dank nochmal für die Anregung zu http://www.bwl-bote.de/20050219.htm ;-) Was http://www.bwl-bote.de/20050213.htm angeht, so haben wir es zwar noch nicht zu einem Brunnen gebracht (kein Witz: der Nachbar hat vorgesorgt, der hat bohren lassen!), aber immerhin zu zwei großen Plastefässern. Notbrvorratung ist wohl wichtig, denn das ist schon das dritte Mal in nunmehr einem halben Jahr...
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"HZingel" schrieb
Guten Abend Peter,

... (kein Witz: der Nachbar hat vorgesorgt, der hat bohren lassen!), ...


Hallo Harry,

bohren? Was willst Du mit einer Pumpe, wenn Ihr keinen Strom habt? Das ist rausgeschmissenes Geld. Was Du brauchst, sieht so aus:

http://www.wilhelm-busch-seiten.de/werke/zeichnungen/ziehbrunnen.html

Grüße,
Peter
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Hi Harry.

bitte zu bedenken, dass es bereits vor etlichen Jahren in einem speziellen bundesdeutsche Ländle usus war, die eigenen Brunnen in den Vor- und Hintergärten per Luftaufnahmen bzw. durch "Spione" auszukundschaften, weil diese Brunnen den öffentlichen Wasserversorgern sozusagen "das Wasser abgraben" würden, sprich Einnahmen schmälern!

Merke:

Steuern und Abgaben kann man noch aus dem tiefsten Brunnen schöpfen!

Ciao!
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Bedenkt man dass das Prostitutionsgesetz (ProstG - ein Schelm wer da ans Süffeln denkt ...) ursprünglich auf das Engagement linksfeministischer Gruppen innerhalb der rotgrünen Truppe zurückgeht, so kann man auf dessen hartz-ige Auswirkung (erwerbslose Frauen als zu vermittelnde "Sexarbeiterinnen") nur noch sagen:

Bravo Mädels - Volltreffer unter der Gürtellinie! :-)

Wäre ich Alice Schwarzer so würde ich jetzt in einen Packen Emma-Hefte beißen und man könnte in meinen Augen ein deutliches TILT! lesen.

Gruß, Guido
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Ort: Hessen
"Guido" schrieb
Bedenkt man, dass das Prostitutionsgesetz ... ursprünglich auf das Engagement linksfeministischer Gruppen innerhalb der rotgrünen Truppe zurückgeht, ...


Hallo Jungs,

"Die TAZ" schrieb
... Wenn ... ein junger Mann sich als Nacktputzer und eine ehemalige Call-Center-Mitarbeiterin sich in der Telefonsexagentur verdingen müsse, ...


denkt doch nicht, daß Ihr davonkommt!
Ihr habt den Artikel hoffentlich aufmerksam gelesen und mitbekommen, was auch Euch zumutbar ist - "warm anziehen" hilft da nicht weiter. Und bei einem "Ein-Euro-Job" ist es - steuerlich - auch völlig unerheblich, ob Ihr ohne Berufsbekleidung auskommt.

Grüße,
Peter
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Ort: Bayern
Das ist richtig, Peter - männliche Alg2-Beantrager stehen genauso auf der "Abschussliste" wie die Damenwelt am Arbeitsmarkt.

Allerdings sagt der Kaufmann in mir, dass die Marktnachfrage für homosexuelle Dienstleistungen durch Männer derzeit noch so gering ist, dass sie nicht mehr als eine sexuelle Subkultur innerhalb größerer Städte anspricht. Sonst gäbe es längst mehr einschlägige Etablissements.

Marktlücke? Tabuzone in der Dienstleistungsgesellschaft? Nachfragemangel? - keine Ahnung.

Aber wie heisst es noch: panta rhei - alles ist im Fluss...

Gruß, Guido


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