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Was ist eine "Strategie" ???

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Gast
Ich befasse mich mit dem Thema "Strategisches Management" und entdecke dabei, dass es sehr viele unterschiedliche Definitionen der Strategie gibt. Beispiele:

# "Geplantes Maßnahmenbündel der Unternehmung zur Erreichung ihrer langfr. Ziele"
# Festlegung der langfristigen Ziele einer Unternehmung sowie der Richtlinien und Mittel, um diese Ziele zu erreichen"
# "Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen."
# "Die Anwendung des gesunden Menschenverstandes"
# "Die praktische Anwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und dynamischen Fähigkeiten."
# "Ein Plan, ein Muster, eine Position, ein Manöver oder eine Perspektive"
# "Der Weg von der Kernkompetenz hin zur Erfüllung des Kernauftrags"

usw.

Mich würde interessieren, welcher Strategiebegriff aus Sicht der Lehre/Wissenschaft und Praxis am passendsten ist und warum dies so ist.
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Guten Abend,

ich pflege in meinen Vorlesungen "Strategie" (im Gegensatz zu "taktik") zu definieren als alles, was

- langfristig orientiert,
- qualitativ (und nicht quantitativ) und
- überlebens- und nicht gewinnorientiert

ist. Mein Premium-Beispiel ist i.d.R. die gründung von Traf-O-Data durch Paul Allen und William "Bill" Gates Anfang der 70er. Das Unternehmen wurde später in Micro-Soft umbenannt (und heißt heute "Microsoft", ohne "-"): ein Beispiel für eine strategische Entscheidung. Software statt Ampelanlagen. Das ist Strategie!

Eine weitere schöne Definition, die ich gerne einsetze ist "Die richtigen Dinge tun" (statt "Die Dinge richtig tun" für die operative Planung).

Man kann auch Clausewitz zitieren, aber das ist etwas zu kriegerisch, finde ich...
Mitglied
Registriert: Nov 2004
Beiträge: 76
Ort: Schleswig-Holstein
Moin,

in der Literatur gibt es sehr viele Definitionen des Begriffes "Strategie" bzw. dem daraus hergeleiten Adjektiv "strategisch", so dass man recht schnell den Überblick verlieren kann. Jeder versteht darunter was anderes. Meiner Meinung nach ist dieser Strategiebegriff für einen Betriebswirt bzw. Manager sehr hilfreich:

[code:1]Die Strategie ist die Summe aller Handlungsrichtlinen, die auf das Erreichen eines langfristigen Zieles ausgerichtet sind[/code:1]

etwas weniger für einen Betriebswirt geeigenet, vieleicht jedoch für einen Sozialogen, ist die folgende Definition:

[code:1]Strategie ist die erkennbare Struktur im Handeln einer Person bzw. dem Management einer Unternehmung[/code:1]

Ich hoffe mit den Definitionen nicht zu verunsicheren,

mfG

Martin Notnagel
Gast
Vielen Dank für die Antworten. In diesen zeigen sich die beiden wohl klassische Meinungsrichtungen für die Strategieentwicklung:

a) Präskriptiver Ansatz:
> Ziel, Inhalt und Prozesse werden definiert, bevor Strategien umgesetzt werden
> logisch, rational, strukturiert, orientiert an Strategic Issues und Kernkompetenzen der Unternehmung

b) Emergenter Ansatz:
> Ziel kann im vorhinein nur unscharf bestimmt werden und muss im Laufe der Umsetzung präzisiert werde
> Strategie ist ein emergenter, rekursiver, immer wieder anzupassender Prozess
> Führungskräfte handeln selten ausschließlich rational und logisch

Ich möchte auf diesen unterschiedlichen Ansätzen aufbauend zwei weitere Fragen diskutieren:
1. Welche der beiden Formen der Strategiefindung herrscht Ihrer Ansicht nach in dt. Unternehmen vor und warum ?
2. Ist ein präskriptiver strategischer Managementprozess* für kleine und mittlere Unternehmen zu formalisiert oder ist gerade diese Formalisierung hilfreich (zB um sich gedanklich vom operativen Geschäft trennen zu können) ?

* Zum Beispiel in Form eines klassischen Strategieprozesses:
Vision & Leitbild -> Analyse & Prognose -> Strategieentwicklung -> Strategieumsetzung -> Strategisches Controlling
Gast
Hallo Notnagel,

ich finde Ihre beiden Definitionen interessant. Von wem stammen diese ?

Andreas35
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Guten Abend,

die Frage ist ziemlich weit gestellt finde ich, und man müßte, wollte man sie ernsthaft beantworten, jetzt sehr umfangreich empirisch tätig werden. Ich habe aber das Gefühl, daß eine präskriptive Strategieentwicklung generell selten ist, denn Langfristigkeit ist ein Element der Strategiedefinition und bedingt auch schlechte Prognostizierbarkeit. Es kann also, etwas salopp gesagt, ohnehin nicht so lange geplant werden wie geplant werden müßte. Also ist es auch unmöglich, Strategien wirklich ex-ante festzulegen.

Hinzu kommt, daß meiner persönlichen Beratungserfahrung nach kleine Unternehmen oft gar keine strategische Planung haben, sondern froh sind, wenn sie das Tagesgeschäft meistern und nicht untergehen. Diues gilt mE nach um so mehr je krisenhafter das ökonomische Umfeld ist.

Und wenn wir uns Karstadt oder die Wechselhaftigkeit unserer geliebten Regierung ansehen kommen mir ohnehin Zweifel, ob man überhaupt noch planen oder doch nur einfach noch reagieren kann...
Mitglied
Registriert: Nov 2004
Beiträge: 76
Ort: Schleswig-Holstein
Moin,

"Andreas35" schrieb
ich finde Ihre beiden Definitionen interessant. Von wem stammen diese


aus den Erinnerungen meiner BWL-Vorlesungen an der Uni Kel rekonstruiert. Genaue Quellenangabe kann ich daher nicht lierfern, Sorry,

mfG

Martin Notnagel
Mitglied
Registriert: Jun 2004
Beiträge: 353
Ich merke mir das immer so:

Zitat
Aus dem Duden:
Stra|te|gie, die; -, -n [frz. stratégie < griech. stratēgía]: genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches o. ä. Ziel zu erreichen, u. in dem diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht werden: sich auf eine bestimmte S. einigen;


Strategie: "Was mache ich?"

Zitat
Aus dem Duden:
Taktik die, 1) Militärwesen - Lehre von der Führung von Truppen versch. Waffengattungen im Gefecht. 2) Kampfweise. 3) berechnendes, zweckbestimmtes Verhalten.


Taktik: "Wie mache ich etwas?"
Gast
Karstadt ist für mich eher ein Beispiel dafür, dass es kein systematisches strategisches Management gab. Hier wurden die wichtigsten Entscheidungen wahrscheinlich aus dem Bauch heraus auf dem Golfplatz getroffen (zB Starbucks).

In dem Zusammenhang noch eine Frage zur Diskussion: Ist jede wichtige, langfristig wirkende Entscheidung eine strategische Entscheidung ?
Mitglied
Registriert: Apr 2004
Beiträge: 7407
Ort: Erfurt
Moin,

Zitat
Karstadt ist für mich eher ein Beispiel dafür, dass es kein systematisches strategisches Management gab. Hier wurden die wichtigsten Entscheidungen wahrscheinlich aus dem Bauch heraus auf dem Golfplatz getroffen (zB Starbucks).


Da strategische Entscheidungen qualitativ sind, gibt es gerade eine Regel, daß sie aus dem Bauch heraus getroffen werden. Strategische Entscheidungen haben eine erhebliche instinktive Komponente, und da ist der rationale Verstand i.d.R. ein schlechter Ratgeber. Der Golfplatz kann also durchaus ein guter Ort der Strategieentscheidung sein - insbesondere wenn es dem Golfspieler gelingt, seinen Geist frei fließen zu lassen (Alpha-Zustang, "Flow"-Zustand), denn dann ist die Kreativität und mit ihr die Erkenntnis verborgener Zusammenhänge beiweitem gesteigert.

Zitat
Ist jede wichtige, langfristig wirkende Entscheidung eine strategische Entscheidung ?


Ich würde das aus meiner Definition heraus bejahen.


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