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Wochenarbeitszeit

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Wie sinnvoll haltet ihr es in Deutschland was an der Wochenarbeitszeit zu verändern?

Variante A)
30 Stunden Woche einführen.
Somit wäre die Arbeitslosigkeit von 19% theoretisch platt:
37 Mil * 38,5 Std = 45 Mio * 30 Std
Ich denke wenn man dann allen noch 10% weniger zahlt kann sich keiner beschweren.

Variante B)
"Arbeit ist zu teuer in Deutschland"
Komisch das wir Exportweltmeister sind.
Und weil eh alle zuviele Überstunden machen, führen wir die
45 Stundenwoche ein und verbieten Überstunden.

Ich persönlich bin für Variante A) Wenn das erstmal lange läuft und jeder nach einer Kündigung rasch einen neuen Job findet, dürfte das die Geldbeutel lockern. Und wenn die Arbeitslosigkeit um 20% sinkt, könnte man die Arbeitslosenversicherung deutlich kürzen.
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Hi,

die Idee, den Einzelnen weniger arbeiten zu lassen und damit die Arbeit auf mehr Personen zu verteilen, hatten die Gewerkschaften schon beim Kampf um die 35-Stunden-Woche in den 80ern. Funktioniert hat es damals so wenig wie es heute funktionieren würde, denn stelle ich einen weiteren Arbeitnehmer ein, um die Stunden, die die anderen weniger arbeiten aufzufangen, so erhöhe ich mein Fixkostenrisiko, weil ja Kündigungsschutz besteht. Deine Variante A) müßte galso von einer kompletten Abschaffung des Kündigungsschutzes begleitet werden - dann könntes es möglicherweise klappen. Ob man von solchen Jobs dann auch leben kann, ist freilich eine ganz andere Frage... die man vielleicht mit der <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20030115.htm">Laffer-Kurve</A> beantworten könnte. Diese hält, in ihrer Weiterentwicklung durch P.M. GFutman, aber selbst schon eine Antwort auf das Problem der Arbeitslosigkeit bereit :-)

Was Deine Variante B) angeht... ganzt ohne Ironie: wir sind Exportweltmeister, und eines der beliebtesten Exportgüter ist der Arbeitsplatz. Mit dem Emissionshandel zahlt Rabenvater Staat ab kommendem Jahr sogar noch eine Stillegungsprämie für Anlagen der Energieerzeugung, die zugleich eine Arbeitsplatz-Exportprämie ist. Es geht uns also, mißt man die Politiker an ihren Taten, noch viel zu gut...
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Strenggenommen ist der Begriff "Kündigungsschutz" irreführend, denn das KSchG schützt ja gerade nicht vor Kündigungen. Es legt dem Arbeitgeber lediglich die Pflicht auf, seine Kündigungen sachlich zu begründen, verhindert somit also Willkür und "Nasenfaktor". Rational denkende Unternehmer sollten dazu eigentlich kein Gesetz benötigen. Aber seit wann denken Unternehmer denn rational ... :?

Wie man daraus ein Kostenrisiko ableiten kann, verstehe ich nicht so ganz. Allenfalls kann man die Prozessierei als Kostenrisiko ansehen, denn wenn jeder gleichzeitig Recht haben will, muss ein Urteil her und das kostet dann.

Dass der Staat über die Ökogesetze sowie das Steuerrecht Arbeitsplatzverlagerung sogar noch subventioniert, ist ein weiteres starkes Stück aus dem rotgrünen Tollhaus. So langsam fange ich an zu zweifeln, ob eine strikte Ablehnung jeglicher Gewalt politisch noch Zukunft hat. :evil:

Gruß, Guido
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Moin Leute,

die letzten 30 Jahre waren gekennzeichnet von immer mehr Geld verdienen wollen, immer mehr Freizeit haben wollen.
In dieser Hinsicht haben wir es zum Weltmeister geschafft.
Das hat uns dorthin gebracht wo wir jetzt stehen, vor einem schmerzlichen Wendepunkt :cry: .
Nur, uns Deutschen traue ich nicht die Flexibilität zu davon wieder abzurücken und in die andere Richtung zu marschieren.
Die Nachfolgegeneration wird es noch weniger schaffen.
Geboren und aufgewachsen im Luxus völlig überfordert selbst Opfer zu bringen.
Ich sehe keinen Ausweg aus der Abwärtsspirale. Deutschland ist das Bereicherungsland schlechthin und das auf allen Ebenen.

In Sachen Verdienst, hierzu mal ein kleiner Überblick:
Deutschland 33,0 :shock:
Japan 28,6
USA 27,4
Belgien 26,7
Frankreich 22,7
England 22,3
Italien 16,8
Polen 6,5
Tschechien 5,1
Slowakei 4,3
Rumänien 1,8
Quelle: CAR 2004

Noch Fragen :?:
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Hi Guido,

kruz was zu KSchG: Die Ansicht, dass einen rational denkender Arbeitgeber dies nicht betreffen würde halte ich für falsch. Die sachliche Begründung kann - auch geschützt durch dieses Gesetz - immer schnell angefochten werden.

Grüßle

TheBallabu
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"Axel" schrieb
die letzten 30 Jahre waren gekennzeichnet von immer mehr Geld verdienen wollen, immer mehr Freizeit haben wollen.
In dieser Hinsicht haben wir es zum Weltmeister geschafft.
Das hat uns dorthin gebracht wo wir jetzt stehen, vor einem schmerzlichen Wendepunkt :cry: .
Nur, uns Deutschen traue ich nicht die Flexibilität zu davon wieder abzurücken und in die andere Richtung zu marschieren.
Die Nachfolgegeneration wird es noch weniger schaffen.
Geboren und aufgewachsen im Luxus völlig überfordert selbst Opfer zu bringen.
Ich sehe keinen Ausweg aus der Abwärtsspirale. Deutschland ist das Bereicherungsland schlechthin und das auf allen Ebenen.


Kein Wunder, wir hatten ja auch zahlreiche "fette Jahre" mit happigen Wirtschaftswachstum. Einkommenssteigerungen und Arbeitszeitverringerungen, mehr soziale Leistungen, abnehmende Güterpreise usw. sind lediglich das Verteilen der Wachstumsergebnisse unter denen, die das ermöglicht haben (Arbeitnehmer, Unternehmer, Kunden, Kapitalgeber ...).

Auch in den letzten paar Jahren hat es - z.B. im Automobilbau - zweistellige (!!) Produktivitätssteigerungen (so um die 50%) gegeben ohne dass die Löhne entsprechend mitgestiegen wären, ohne dass Zulieferer ihre Preise entsprechend angehoben hätten etc.. Die somit noch nicht entgoltene Zusatzproduktivität landet derzeit - ja wo eigentlich?

Fakt ist, dass die Wirtschaft auich in der derzeit schlechten Lage weiter wächst. Zudem viele Branchen ja erst in angespannten Zeiten so richtig zur Hochform auflaufen.

Wo kommen die erwirtschafteten Ergebnisse denn hin? Wenn wir alle mehr arbeiten und weniger verdienen sollen, dann bitte wofür und für wen?

Gruß, Guido
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"TheBallabu" schrieb
kruz was zu KSchG: Die Ansicht, dass einen rational denkender Arbeitgeber dies nicht betreffen würde halte ich für falsch. Die sachliche Begründung kann - auch geschützt durch dieses Gesetz - immer schnell angefochten werden.


Allerdings nur dann wenn es tatsächlich substanzielle Zweife an den sachlichen Gründen gibt oder formal was falsch gemacht wurde. Das Gesetz enthält keine Freistellungsklausel für Fehler oder Dummheit der Arbeitsvertragspartner.

Das kann man allerdings weder dem KSchG noch dem Gesetzgeber anlasten. In einer Zeit da (berechtigt) mehr Eigenverantwortung eingefordert wird, muss das auch für die Leute gelten, die in den Unternehmen Personalentscheidungen treffen.

Gruß, Guido
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Moin,

Zitat
Wo kommen die erwirtschafteten Ergebnisse denn hin? Wenn wir alle mehr arbeiten und weniger verdienen sollen, dann bitte wofür und für wen?


Bei den Unternehmen verbleiben die Gewinne jedenfalls nicht (mehr). Die nachlassende Konjunktur hat die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland drastisch anschwellen lassen. Dieser konjunkturelle Abschwung schlägt sich mehr und mehr auch auf dem Arbeitsmarkt nieder und wenn der Faktor Arbeit nicht günstiger wird, verlieren wir die Wettbewerbsfähigkeit für eine lange Zeit.
Fakt bleibt auch, dass sich der internationale Wirtschaftsrückgang inzwischen auch auf den deutschen Export niederschlägt. Der Außenhandel, der bisher eine wichtige Stütze der Konjunktur bildete, entwickelt sich stark zurück.

Und warum also dann Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich? Ganz einfach, weil bestehende, also noch nicht kränkelnde Unternehmen, eine Überlebenschance hätten. Beispiel Bauunternehmen Holzmann: Bestandteile des Sanierungsplans waren unter anderem eine sechsprozentige Lohnssenkung, die Erhöhung der Arbeitszeit auf 43 Stunden (ohne Lohnausgleich) und die Entlassung von 3.000 Arbeitern um international mitspielen zu können.
Dieser Plan kam aber eindeutig zu spät, typisch deutsch.

Und ohne ein Orakel sein zu wollen, könnte diese Aussicht auch Unternehmen wie RWE, DaimlerChrysler, Nokia, ABB, Degussa, Lufthansa und nicht zu vergessen Opel und Karstadt einholen.

Die einzigsten Gewinner werden dabei Spekulanten (Put-Optionsscheine auf die o.g.) sein, der Rest wird verlieren :cry: .

Gruß Axel
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"Axel" schrieb
Moin,

Zitat
Wo kommen die erwirtschafteten Ergebnisse denn hin? Wenn wir alle mehr arbeiten und weniger verdienen sollen, dann bitte wofür und für wen?


Bei den Unternehmen verbleiben die Gewinne jedenfalls nicht (mehr). Die nachlassende Konjunktur hat die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland drastisch anschwellen lassen. Dieser konjunkturelle Abschwung schlägt sich mehr und mehr auch auf dem Arbeitsmarkt nieder und wenn der Faktor Arbeit nicht günstiger wird, verlieren wir die Wettbewerbsfähigkeit für eine lange Zeit.
Fakt bleibt auch, dass sich der internationale Wirtschaftsrückgang inzwischen auch auf den deutschen Export niederschlägt. Der Außenhandel, der bisher eine wichtige Stütze der Konjunktur bildete, entwickelt sich stark zurück.

Und warum also dann Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich? Ganz einfach, weil bestehende, also noch nicht kränkelnde Unternehmen, eine Überlebenschance hätten. Beispiel Bauunternehmen Holzmann: Bestandteile des Sanierungsplans waren unter anderem eine sechsprozentige Lohnssenkung, die Erhöhung der Arbeitszeit auf 43 Stunden (ohne Lohnausgleich) und die Entlassung von 3.000 Arbeitern um international mitspielen zu können.
Dieser Plan kam aber eindeutig zu spät, typisch deutsch.

Und ohne ein Orakel sein zu wollen, könnte diese Aussicht auch Unternehmen wie RWE, DaimlerChrysler, Nokia, ABB, Degussa, Lufthansa und nicht zu vergessen Opel und Karstadt einholen.


Na dann lesen wir doch ein wenig in den Wirtschaftsnachrichten:

BASF verzeichnet Gewinnsprung
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,817926/SH/0/depot/0/index.html

MAN hebt eigene Prognose an
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,817898/SH/0/depot/0/index.html

Total profitiert vom Ölpreis
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,817353/SH/0/depot/0/index.html

SGL Carbon verdreifacht Quartalsgewinn
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,818022/SH/0/depot/0/index.html

Jenoptik macht wieder Gewinn
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,817253/SH/0/depot/0/index.html

Citibank Deutschland steigert Zins- und Provisionsüberschuss
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200039,817322/SH/0/depot/0/index.html

Deutsche Börse übertrifft Erwartungen
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200039,816334/SH/0/depot/0/index.html

Eon-Gewinn übertrifft die Erwartungen
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/artpage/0/cn/GoArt!200012,200040,818072/SH/0/depot/0/index.html

Tengelmann-Gruppe schreibt solide schwarze Ergebniszahlen
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200040,817301/SH/0/depot/0/index.html

Telekom bei Dividende ein Vorreiter
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/artpage/0/cn/GoArt!200012,201197,817873/SH/0/depot/0/index.html

Pro Sieben Sat.1 steigert Gewinn
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,201197,817329/SH/0/depot/0/index.html

Für mich läuft da eine ganz große Propagandamaschine der Konzerne und ihnen nahestehender Verbände. In einer Art und Weise wie es auch Goebbels zu seinen besten Zeiten nicht besser hinbekommen hätte. Pleiten gibt es in einer Wettbewerbswirtschaft immer - das ist das Ausleseprinzip. Konjunkturschwankungen ebenfalls. Und schlechte Wirtschaftspolitik auch.

Aber: so ausnehmend schlecht steht Deutschlands Wirtschaft nicht da (s.o.).

Interessant auch in diesem Zusammenhang: KPMG-Studie - Deutschland steht nicht vor massenhafter Job-Verlagerung ins Ausland

Wer also könnte ein wirtschaftliches oder politisches Eigeninteresse daran haben, dass die Mehrheit glaubt, die Lage sei so derart schlecht, dass sie nur durch Verzicht auf die Gegenleistung für das eigene Tun wieder besser würde?

Und warum sollte die Lage besser werden (mal unterstellt die Propaganda sei wahr), wenn die große Mehrheit der Bürger, Arbeitnehmer, kleinen Selbstständigen und Kunden weniger Geld in der Tasche haben?

Warum nur? Wo kommt denn dieser ganze ökonomische Unsinn her? Wer nutzt da die ökonomische Unbildung der breiten Masse aus? Und warum schweigen so viele Betriebswirte bei solchen Fragen nur betreten anstatt mutig das Wort zu ergreifen und die interessensgeleitete Propaganda der Multis als solche zu benennen?

Gruß, Guido
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Guten Abend Guido,

Du scheinst Dir viel Mühe mit der Linkliste gemacht zu haben. Für mich zeigt das eindeutig, daß der Wert des Faktors Arbeit derzeit drastisch sinkt - wie es bei einem Überangebot eines Gutes auf einem Markt ja auch der Fall ist. Der Arbeitsmarkt funktioniert also, auch wenn wir das in all der Sozialideologie nicht wahrhaben wollen: Und daß bei Mindestpreisen, wie sie durch Mindestlöhne oder allgemeinverbindliche Tarifverträge ja längst bestehen, eine Nachfragelücke entsteht, weiß jeder Erstsemesterstudent - auf dem Arbeitsmarkt heißt das "Arbeitslosigkeit". Wir müßten also den Arbeitsmarkt deregulieren und vor allem die Steuern senken - drastisch, nicht noch ein Prozent hier, eines da, sondern ganze Steuerarten abschaffen. Und natürlich administrativ deregulieren. Deutschland könnte dann noch die Laffer-Kurve kriegen ;-)
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Moin,

"Harry Zingel" schrieb
Der Arbeitsmarkt funktioniert also, auch wenn wir das in all der Sozialideologie nicht wahrhaben wollen: Und daß bei Mindestpreisen, wie sie durch Mindestlöhne oder allgemeinverbindliche Tarifverträge ja längst bestehen, eine Nachfragelücke entsteht, weiß jeder Erstsemesterstudent - auf dem Arbeitsmarkt heißt das "Arbeitslosigkeit"


Das ist nur bedingt richtig, denn es stimmt nur, wenn Sie den Arbeitsmarkt in einer Volkswirtschaft isoliert betrachten. Ein solches Partialmodell kann natürlich zu Fehleinschätzung führen, da eine Märkte, wie der Konsumgütermarkt und der Kapitalmarkt nicht berücksichtig werden, obgleich diese sowohl auf die Arbeitsnachfragefunktion als als auch auf die Arbeitsangebotsfunktion einen erfheblichen Einfluss haben. Deshalb ist zur Analyse der Probleme ein makroökonomisches Totalmodll erforderlich. Und da zeigt sich, dass es in Deutschland vor allem die schwache Binnennachfrage ist, die für die Flaute am Arbeitsmarkt verantwortlich ist. Und die hat vor allem einen Grund. Als Folge des Maastricht-Vertrages ist die Regierung gezwungen, eine pro-zykliche Fiskalpolitik zu führen anstelle einer anti-zyklischen Fiskalpolitk, wie sie z. B. im Stabilitätsgesetz von 1967 vorgeschrieben war. Verschärfent hinzu kommt, das wir nicht mehr die DM haben sondern den Euro und somit einen gesamteuropäschen Leitzinssatz. Dieser ist jedoch für die dt. Volkswirtschaft zu hoch.

Auch bin ich der Meinung, dass eine generelle Ausweitung der Arbeitszeit kontraproduktiv ist, solange nicht insgesammt mehr Arbeit nachgefragt wird. Denn dann wird die vorhandene Arbeit auf weniger Stellen verteilt und die Übrig bleibenden werden freigesetzt, was tendenziell die Arbeitslosigkeit weiter steigern dürfte. Die Kostensenkungswirkung und die damit verbundene gesteigerte mengenmäßige Arbeitsnachfrage dürfte meiner Einsätzung nach durch den Umverteilungseffekt der Arbeitsmenge auf weniger Arbeitnehmer überkompensiert werden.

MfG

Martin Notnagel
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Guten Abend,

das mit der prozyklischen Wirtschaftspolitik, die dem Gebot der antizyklischen Konjunktursteuerung des StabG widerspricht, ist zweifellos richtig - zumal das antizyklische Konzept bekanntlich auf J.M. Keynes zurückging, der es ja als Rezept gegen die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre empfohlen hat.

Mit diesem Satz stimme ich aber nicht überein:

Zitat
Und da zeigt sich, dass es in Deutschland vor allem die schwache Binnennachfrage ist, die für die Flaute am Arbeitsmarkt verantwortlich ist.


Das wäre nur bei einer isolierten Betrachtung richtig, aber Deutschland ist ja gerade Export-Weltmeister. Die Güter- und mit ihr die Geldnachfrage hat also wesentlich etwas mit der Außennachfrage zu tun - und hier haben wir das Problem beim Wickel: durch hohe Arbeitskosten (und hohen Euro!) kann der deutsche Unternehmer die Auslandsnachfrage nämlich nicht durch Produktion in Deutschland und Export der Ware, sondern nur durch Export des Werkes und Produktion am Ort des Nachfragers befriedigen. Es wundert also nicht, daß Deutsche Unternehmen, wie Guido es so umfassend aufgelistet hat, immer höhere Gewinne machen: die machen sie, weil sie im Ausland erwirtschaftet werden!

Ob uns das schmeckt oder nicht, wenn wir im internationalen Konkurrenzzusammenhang das binnenwirtschaftliche Arbeitslosigkeitsproblem auf die Reihe kriegen wollen, dann müssen wir uns dem Rest der Welt anpassen - der Rest der Welt paßt sich nicht (mehr) an uns an!

Als Fußnote wäre möglicherweise noch anzumerken, daß der niedrige Dollar kein Zufall sein dürfte: hierdurch steigt nämlich die Auslandsnachfrage in den USA, was einem Export amerikanischer Arbeitslosigkeit gleichkommt ("beggar-my-neighbor"). Die Deutschen haben halt schon immer alles vom großen Bruder übernommen :-(
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Moin,

Zitat
Warum nur? Wo kommt denn dieser ganze ökonomische Unsinn her? Wer nutzt da die ökonomische Unbildung der breiten Masse aus? Und warum schweigen so viele Betriebswirte bei solchen Fragen nur betreten anstatt mutig das Wort zu ergreifen und die interessensgeleitete Propaganda der Multis als solche zu benennen?


Es gibt sicherlich noch den einen oder anderen „Highflyer“ selbst in Zeiten wie diesen, es soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass eine nicht unbeachtliche Mehrzahl von Branchen und Unternehmen (besonders die KMU´s) sich auf einer Gratwanderung zwischen Leben und Sterben bewegen. Deine These über eine Art „Propaganda der Unternehmen“ kommt einer Verschwörungstheorie gleich, deren tieferen Sinn ich nicht nachvollziehen kann.

Ich könnte jetzt den geneigten Leser mit einer Flut an Links über Gewinnwarnungen von Unternehmen wie Beiersdorf, Hypo-Vereinsbank, IBM uvm. überschütten, beschränke mich aber auf signifikante Indikatoren an der man die Gesundheit einer Wirtschaft ausmachen sollte, wie z.B. die Aktienindizes DAX, M-DAX deren Unternehmen so schlecht wie nie z.Zt. stehen und die mit einer so mageren Dividende ausgestattet sind, dass jeder Fondsmanager bei dem Gedanken daran Heulkrämpfe kriegt :cry: .
Oder Prof. H. W. Sinn vom Ifo-Institut, der keine konjunkturelle Trendwende sieht und den Geschäftsklimaindex am Liebsten nach unten korrigiert.
Oder den Angaben von Credireform, die für 2004 eine Übertrumpfen der gewerblichen Insolvenzen von 40.000 Unternehmen zum Vorjahr sehen, noch nicht in dieser Zählung sind die privaten Konkurse.
Oder der EZB, deren Chefvolkswirt Issing die Wachstumserwartung "zurück schraubt".
Oder meinem speziellen Freund Hansi E., der dem ausfallenden Steueraufkommen ständig hinterher rennt.
Und zu letzt natürlich den Arbeitslosenzahlen, die aktuell bei 4,2 Mio liegt.

Fakt ist, dass eine Binnennachfrage in erster Linie durch Beschäftigung und die zuversichtliche Einschätzung der eigenen Situation generiert werden kann. Ein Arbeitszeitverlängerung ist kein Pauschalpatent, kann aber ggf. als flexibeles Instrument in Verbindung mit einem moderaten KSchG eben der zu statischen Wirtschaft helfen. Unterm Strich könnte mehr Beschäftigung ebenfalls durch eine Senkung der Lohnkosten (und hierbei natürlich vor allem der Lohnnebenkosten) erreicht werden.
Das ist der Boden, auf dem ein nachhaltiger Aufschwung überhaupt erst gedeihen kann.

Aber die Diskussion erübrigt sich ohnehin, denn durch die Gewerkschaftslobbisten wird es m.E. nach keinerlei Bewegung mehr geben.
Und spätestens 2006 mit Einführung von Basel II wird die wirtschaftliche Situation einiger KMU´s ins rotieren geraten.

Gruß Axel
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Hab dazu auch grad noch diesen Artikel gefunden:

http://www.ihk-koeln.de/Navigation/Standortpolitik/Wirtschaftspolitik/Standortdebatte.jsp
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"Axel" schrieb
Es gibt sicherlich noch den einen oder anderen „Highflyer“ selbst in Zeiten wie diesen, es soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass eine nicht unbeachtliche Mehrzahl von Branchen und Unternehmen (besonders die KMU´s) sich auf einer Gratwanderung zwischen Leben und Sterben bewegen. Deine These über eine Art „Propaganda der Unternehmen“ kommt einer Verschwörungstheorie gleich, deren tieferen Sinn ich nicht nachvollziehen kann.

...

Aber die Diskussion erübrigt sich ohnehin, denn durch die Gewerkschaftslobbisten wird es m.E. nach keinerlei Bewegung mehr geben.
Und spätestens 2006 mit Einführung von Basel II wird die wirtschaftliche Situation einiger KMU´s ins rotieren geraten.


Die "paar Hightflyer" reichen aus, um die Finanz- und Börsenpresse gut zu füllen. Zudem sie für Milliardengewine stehen und Umsätze in der Größenordung des Etats kleinerer Staaten tätigen.

Axel, ich wäre froh, wenn ich nur über "Verschwörungstheorien" schreiben würde. Die hätten allenfalls literarischen Wert. Auch habe ich nicht von Dingen geschrieben, die von Unternehmen betrieben werden. Ich habe ganz bewusst von Konzernen und ihren Interessensvertretungen geschrieben. Dazu auch ganz interessant:

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft:
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/30.10.2004/1450291.asp

Konzernnahe Stiftungen - Bertelsmann:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18749/1.html
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18748/1.html

Warum haben wir plötzlich so viele Bürgerkonvente, Initiativen und andere Erscheinungsformen gelenkter Demokratie? Auch wenn dort weder konkrete Programme diskutiert werden noch Mitsprachemöglichkeiten für Bürger gegeben sind. Das sind Propagandamaschinen welche das allgemeine ökonomische Analphabetentum dazu ausnutzen, die politischen Ziele ihrer Träger voranzutreiben. Gerade die Bertelsmann-Stiftung ist da ein gerade lehrbuchhaftes Beispiel.

Dass dadurch die Interessen gerade der von Dir erwähnen KMUs untergehen, ist eigentlich logisch. Und dass diese derzeit am Knappsen sind, da stimme ich Dir voll zu. Auch Basel II wird da wie von Dir erwähnt, für so manche "Wettbewerbsbereinigung" (vulgo: Pleite) sorgen. Aber auch das kommt den finanziell satt dastehenden Konzernen zugute, da so der Wettbewerbsdruck nachlässt und Zulieferer besser unter Druck zu setzen sind (gut zu beobachten z.B. derzeit im Bereich der Vertragshändler im Automobilsektor).

Geht das so weiter, werden wir eine "Ent-Marktwirtschaftlichung" Deutschlands beobachten können (Abbau echten Wettbewerbs), während sich gleichzeitig die Gesetzgebung zugunsten großer Konzerne und Agglomerationen und zum Schaden der Menschen sowie der KMUs verändert.

Gruß, Guido
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Beiträge: 534
Richtig, Guido:

Zitat
Geht das so weiter, werden wir eine "Ent-Marktwirtschaftlichung" Deutschlands beobachten können (Abbau echten Wettbewerbs), während sich gleichzeitig die Gesetzgebung zugunsten großer Konzerne und Agglomerationen und zum Schaden der Menschen sowie der KMUs verändert.


Doch :evil: was ist dagegen zu unternehmen :?: :?: :?:

Ich komme mir dabei oft vor, wie die berühmte Erbse zwischen zwei Elefantenarschbacken :cry:

Ciao!
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N´abend,

@Guido: Interressanter Link, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Bertelsmann eine gewisse Macht am Instrument der Medien besitzt. Und ich stimme dir zu, dass sich z.T. in der Wirtschaft ein gewisser Neokooperatismus zwischen Wirtschafts- und Interessenverbänden sowie staatlichen Steuerungsprozessen schleichend breit gemacht hat. Ich sehe das ebenfalls als gefährdent an im Hinblick auf die KMU´s. Es hat sich defenitiv ein Gruppenegoismus herausgebildet, der im Grunde einen Verdrängungswettbewerb nach sich zieht. Es sollte m.M. nach ein gesamtgesellschaftlicher Nutzen sogenannter Interessenvertreter geben, wie z.B. Entscheidungsfindung und Konsensbildung. Aber gerade im Baubereich findet man Paradebeispiele solch fehlgeschlagener, mafiaähnlicher, rücksichtsloser Verbände, getragen von einigen Global Playern.

Das ist aber alles in Allem kein deutsches Problem, sondern ein internationales. Denn für die Amerikaner und Japaner ist das ein Teil des Wirtschaftsliberalismus. Arbeitnehmerrechte sind dort von untergeordneter Rolle, Gewerkschaften sind nicht ansatzweise so ausgeprägt wie bei uns.

Und da kommen wir wieder zum Kernproblem, nämlich unserem Arbeitsmarkt. Du brauchst Impulse, um die Kiste ins Rollen zu bringen. Du sagst Nein zu Arbeitszeitverlängerung und zur Novellierung des KSchG. Wie aber würdest du als Wirtschaftswissenschaftler die Dynamik wieder in die Wirtschaft bringen?

Gruß Axel
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Ort: Bayern
"Axel" schrieb
Wie aber würdest du als Wirtschaftswissenschaftler die Dynamik wieder in die Wirtschaft bringen?


Das kommt darauf am, welche Machtmittel ich hätte. Nehmen wir mal an, ich hätte alle benötigten Mittel, dann würde ich auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen bei gleichzeitiger Reduktion der Detailsteuerung setzen. Im Einzelnen kann das so aussehen:

Einführung der Sozialautonomie:
Paritätische Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch die Versicherten und Leistungsempfänger, Details werden in "Sozialtarifen" statt im SGB geregelt. Wichtigstes und herausfordernstes Element: Überführung der Rentenversicherung in ein nichtstaatliches kapitalgedecktes System (dauert Jahre, ist hochkomplex aber dringenst nötig.

Einführung der einheitlichen, nichtprogressiven Einkommenssteuer:
"Flat-Tax", alle Einkommensarten werden gleichermaßen und mit demselben Steuersatz besteuert, Richtwert: so 15-20%. Keine Ausnahmen und Sondertatbestände außer einem Existenzminimum in Höhe des 12fachen Sozialhilferegelsatzes. Alle Einkommensarten werden beim Einkommensempfänger erfasst. Steuerrechtliche Arabesken wie Körperschaftssteuer, Halbeinkünfteverfahren etc. entfallen ganz.

Verbot staatlicher Subventionen:
Wenn ein Geschäft ohne Staatshilfe nicht läuft, sollte es unterlassen werden. Auch Themen wie Wohngeld und Eigenheimzulage fallen da mit rein.

Austritt aus der WTO, stattdessen Anstreben von Handelsabkommen auf bilateraler oder multilateraler Ebene:
Die Regierungsgewalt über Deutschland hat im Lande zu bleiben. Das letzte Ermächtigungsgesetz brachte uns den zweiten Weltkrieg, sowas brauchen wir nicht mehr. In Amiland lassen sie sich auch nicht in "Belange der nationalen Sicherheit" reinreden (und der Begriff wird dort sehr großzügig ausgelegt).

Rückführung europäischer Eingriffe in deutsches Arbeits- und Sozialrecht:
80% aller Regelungen hierzu kommen aus der EU (demnächst: Antidiskriminierungsgesetz für die Privatwirtschaft). Das muss weniger werden, wenn man hier der Regelungswut Herr werden will. Wie man es genau anstellt, ist mir noch unklar. Nachdem Deutschland aber allein ca. 1/3 des EU-Gesamtetats stellt, sollte mit entsprechendem diplomatischen Druck doch etwas zu machen sein. Dazu müsste Deutschland aber EU-weit etwas "stärker" auftreten und seine Interessen beharrlicher durchsetzen. So wie es seinerseits Maggie Thatcher für Grossbritannien tat.

Es gäbe noch viele weitere Möglichkeiten. Aber diese paar Sachen würden allein schon einen deutlichen Schub bringen. Insbesondere der Geldfluss aus der dann wieder funktionierenden Einkommenssteuer (weg vom reinen Lohnsteuerstaat) sowie der rapide zurückgehenden Subventionslasten ermöglicht es dann die Schuldenlast des Staates zügig abzubauen. Die dann freiwerdenden Gelder könnten primär in Bereiche wie Bildung, Grundlagen- und Spitzenforschung, Umbau öffentlicher Dienste, Infrastruktur, etc. gesteckt werden.

Das Thema Arbeitsmarkt regelt sich weitgehend von selbst, wenn der Staat da die Finger weglässt und sich stattdessen um die Rahmenbedingungen der Wirtschaft kümmert. Insbesondere wenn die Binnenachfrage anzieht, weil die Steuerlast zurückgeht und der Umbau der Sozialversicherungen vorankommt, ist das Thema Arbeitslosigkeit bald vom Tisch. Den Rest besorgt dann die demografische Entwicklung. Denn dagegen ist nichts mehr zu tun. Die kommt - so oder so.

Gruß, Guido
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Hi Guido,

finde ich ganz intreressante Vorschläge, aber ein paar Erweiterungen kann ich mir nicht verkneifen...

Zitat
Einführung der Sozialautonomie:


OK, einverstanden. Nur es sollte sichergestellt sein, daß dies nicht zu neuen Ungleichbehandlungen führt... habe da so meine Befürchtungen. Die Idee finde ich aber gut.

Zitat
Einführung der einheitlichen, nichtprogressiven Einkommenssteuer


Bedenke, daß es schon zu biblischen Zeiten Streß wegen des Zehnten gab... Dein Vorschlag würde die Abschaffung der Körperschaftsteuer und überhaupt der Ertragsbesteuerung von Unternehmen umfassen, weil diese ja keine Einkommensempfänger, sondern Einkommenserwirtschafter sind (empfangen tun das Einkommen die Gesellschafter - die zu besteuern ist ok)

Zitat
Verbot staatlicher Subventionen


Auch alle (wirklich alle) Arten der Ökosubventionen? OK, dann einverstanden!

Zitat
Austritt aus der WTO, stattdessen Anstreben von Handelsabkommen auf bilateraler oder multilateraler Ebene


Ich denke, man sollte auch über den Austritt aus der UN nachdenken: durch das von der UN in den 60ern/70ern ausgehende Verbot des Pflanzenschutzmittels DDT und der nachfolgenden Wiederausbreitung der Malaria sind mehr Menschen gestorben als durch den zweiten Weltkrieg. Da wollen wir nicht wirklich mitmachen, oder?

Zitat
Rückführung europäischer Eingriffe in deutsches Arbeits- und Sozialrecht


Wie wäre es mit der Rückführung Europas? Deine Forderung sollte für alle Rechtsbereiche gelten - das neue GWB ist nur ein Beispiel von vielen!

Zitat
Das Thema Arbeitsmarkt regelt sich weitgehend von selbst, wenn der Staat da die Finger weglässt und sich stattdessen um die Rahmenbedingungen der Wirtschaft kümmert.


OK, ist aber auch Totalamputation des Kündigungsschutzes, des Mutterschutzes, des Jugendschutzes usw - nur Sicherheitsvorschriften bleiben Erhalten aber keine Arbeitsverbotsgesetze. Dann stimme ich Dir zu, aber eben auch nur dann... nur wären dann 90% des Staates und seiner Strukturen (Beamte, Behörden, Einrichtungen) überflüssig. Wie willst Du das gegen den Widerstand des ganzen Beamtenapparates durchsetzen? :?:
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Hallo Leute,

ja, den Beitrag zur Sozialversicherung abschaffen, bzw. den Generationenvertrag zu reformieren halte ich für überfällig. Die höchste Einzelsteuer auf menschliche Arbeit ist der Beitrag zur Sozialversicherung. Eine individuelle Vorsorgeverantwortung ist da eher zeitgemäß.
Darüberhinaus ächzt unser Sozialwesen unter dem stetig steigenden Druck, aber die Einkommensverteilung am unteren Ende hält. Dieser Kraftakt zeugt von der immensen Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und von enormer Vergeudung. Denn der Preis für den Systemerhalt kommt nicht aus entsprechenden Steuereinnahmen. Er kommt auch nicht von den ca. 5 Millionen Menschen, die Arbeit gar nicht oder nur auf dem Schwarzmarkt finden. Er wird m.M. nach nur von den Gewerkschaften verteidigt, die damit immer mehr Arbeitslose produzieren.

Ein denkbar interressantes Modell haben die Iren und Holländer, deren Sozialsysteme drängen die Arbeitslosen zur Jobsuche. Dort arbeiten Menschen für Niedriglöhne, statt weiter zu Hause auszuharren oder auf Kosten der anderen schwarz zu arbeiten und die Sozialkassen stocken niedrige Gehälter auf.

Ein Subventionsabbau ist ebenfalls dringend nötig. Weniger strukturkonservierende Erhaltungshilfen (Kohlepfennig usw.), keine wettbewerbsverzerrenden Anpassungs- und Produktivitätshilfen! Subventionen sollten nur für eng begrenzte Ausnahmen kurzfristig gehalten werden.

Zum Austritt aus WTO denke ich, dass Deutschland allein durch seine EU-Mitgliedschaft zu große Anteile seiner rechtlichen und auch faktischen Souveränität bereits verloren hat. Jetzt auch noch aus der WTO auszutreten halte ich für völlig falsch. Deutschland würde sich in der Liberalisierung des Welthandels isolieren und sämtliche Möglichkeiten zur Regelung von Handelskonflikten über Bord schmeissen. Und das in Hinblick auf unseren neuen chinesischen Märkte :D , könnte mehr als ein Problem werden. Denkt nicht regional, sondern global.

Zum Thema Steuerrecht bin ich ein Verfechter eines Systems mit nur zwei festen Steuersätzen, einen für Personen und einen für Unternehmen. Der Unternehmenssteuersatz sollte sich am Cash-Flow orientieren, einen Verlustvortrag weiterhin möglich machen, jedoch Zinsabzüge nicht mehr zulassen. Das Ganze braucht natürlich noch Verfeinerungen, Vorschläge sind zulässig 8) .

Gruß Axel
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Hallo Harry:

Du hast geschrieben:
Zitat
Dann stimme ich Dir zu, aber eben auch nur dann... nur wären dann 90% des Staates und seiner Strukturen (Beamte, Behörden, Einrichtungen) überflüssig. Wie willst Du das gegen den Widerstand des ganzen Beamtenapparates durchsetzen?


FRAGE:
Was machen wir denn mit diesen ganzen ARBEITSLOSEN Beamten :?:

Ciao!
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Zur Einkommenssteuer:
Ich denke diese sollte ausschließlich Einkommen beim Einkommensempfänger besteuern. Das bedeutet aus Unternehmenssteuern werden Unternehmersteuern. Bei Kapitalgesellschaften gibt es ja auch eine entlohnte Belegschaft, Tantiemen für das Management, Boni und Dividenden für die Anteilseigner ... Das kann man alles beim Einkommensempfänger erfassen.

Zum Subventionsverbot:
Das dürfte eine schwer umzusetzende Forderung sein. Ganz knallhart umgesetzt bdeutet es, dass sich der Staat eines Großteils seiner strukturpolitischen Stellschrauben beraubt. Das klappt nur in einer voll funktionsfähigen sich selbst regelnden Wirtschaft. Lässt man aber Lücken, um z.B. bestimmte Dinge zu fördern oder zu hemmen ("Industriepolitik"), so riskiert man eine schleichende Außerkraftsetzung des Subventionsverbots. Und dann wäre da noch zu klären, wie man mit Unternehmen verfährt, die aus hoch subventionierenden Ländern heraus "Wettbewerb" betreiben.

Zum UN-Austritt:
Könnte man prinzipiell machen. Da aber die UN im Wesentlichen von den Ländern des Weltsicherheitsrates (=teuerstes Ehrenamt der Welt) getragen wird und Deutschland da nicht drin ist, halte ich das für einen der Punkte, über die man auch später noch reden kann.

Zur Europa-Politik:
Ein EU-Austritt hätte fatale Folgen für Politik und Wirtschaft in Deutschland zur Folge. Das halte ich für falsch. Zudem macht es die Aufgabe strukturpolitischer Optionen (Subventionsverbot) nötig, die ordnungspolitischen Möglichkeiten besser auszuschöpfen. D.h. deutsche Interesssen deutlicher vertreten, mehr Einfluss auf europäische Gesetzgebungsvorhaben nehmen, Detailregelungen zurückdrängen und in alle zugänglichen EU-Funktionen ausschließlich Hochkaräter entsenden.

Arbeitsmarkt:
Intensive Eingriffe halte ich hier für unnötig, wenn man von der Straffung bestimmter Gesetze (Klarstellungen, um ausschweifende Rechtsprechung zu vermeiden) sowie dem Abbau von Rechtsverordnungen mal absieht. Arbeitsrecht ist nur in Zeiten des Mangels ein Thema. Das Problem ist die Krise, nicht das Arbeitsrecht. Und die verschwindet nicht dadurch, dass man das Arbeitsrecht zusammenstreicht (gegenteilige Äußerungen bestimmter Verbände halten einer kritischen Überprüfung i.d.R. nicht stand). Zumal sich durch die Sozialautonomie viele zuvor nötige Detailregelungen von selbst erübrigen dürften.

Mit den Beamten könntest Du recht haben. Da ich die strikte Begrenzung des Beamtenstatus auf Personen mit staatlichen Kernaufgaben vertrete, habe ich die nicht mehr bedacht.

Dass das alles nicht so einfach und vor allem nicht so komplett umzusetzen ist, ist mir klar. Das ist eben Politik. Allerdings werden sich viele Änderungen (z.B. im Steuerrecht und in den Sozialversicherungen) so oder so nicht mehr lange aufschieben lassen.

Gruß, Guido
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"HZingel" schrieb
Hi,


Was Deine Variante B) angeht... ganzt ohne Ironie: wir sind Exportweltmeister, und eines der beliebtesten Exportgüter ist der Arbeitsplatz. .

Das ist aber falsch: Auch in Bezug auf die Arbeitsplätze zeigen Input-Output-Analysen des Rats eine positive Netto-Wirkung; zwischen 1995 und 2000 habe der Exportsektor 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.
http://www.nzz.ch/2004/11/18/wi/page-articleA0309.html
Im Exportsektor(vor allem bei der Autoindustrie/bei den Zulieferern) scheinen wir keinerlei Probleme zu haben.
Was die Arbeitsplatzverlagerung insgesam betrifft:
wird geschätzt, dass durch Auslandsdirektinvestitionen nach Osten über die gesamten neunziger Jahre etwa 300.000 Jobs über die Grenze verlagert wurden, was - verglichen mit den 3,2 Millionen Industriearbeitsplätzen, die seit 1991 in Gesamtdeutschland verloren gegangen seien - eine geringe Zahl sei. (Kurzinformationen und Analysen, Nr. 3, 2002).

Schaue man drittens auf die Beschäftigungsentwicklung der in Niedriglohnländer ausgelagerten Firmen, so würde diese sich nur zu einem kleinen Teil auf die Arbeitsmarktdynamik niederschlagen. Es zeige sich vielmehr in den letzten fünf Jahren eine enge positive Korrelation zwischen Auslands- und Inlandsbeschäftigung in einer Größenordnung von rund 85%. D.h. die Auslandsinvestitionen wirken anders als noch in der ersten Hälfte der 90er Jahre inzwischen sogar positiv auf den deutschen Arbeitsmarkt zurück.

Selbst wenn man – viertens - die statistisch nicht erfassten Auslandsinvestitionen kleinere und mittlerer Unternehmen und die höhere Kapitalintensität in den mittel- und osteuropäischen Ländern noch mit einkalkuliere, läge die Zahl der durch die geringeren Lohnkosten ausgelösten Verlagerungen von Arbeitsplätzen allenfalls bei 600.000 in der letzten Dekade. (Zur Erinnerung: Das schafft Stoiber in einem Jahr.)]

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&amp;lang=1&amp;idcat=5&amp;idart=292
Also 30000 bis 60000 pro Jahr.
Viel ist das nicht.Eine halbwegs dynamische Volkswirtschaft müsste diese Zahl zumindestens ausgleichen können.
« Zuletzt durch Hugo Boss am 09.12.2004 00:31 Uhr bearbeitet. »
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Gelöscht,da doppelt.
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Guten Abend,

"Hugo Boss" schrieb
"HZingel" schrieb
Hi,
Was Deine Variante B) angeht... ganzt ohne Ironie: wir sind Exportweltmeister, und eines der beliebtesten Exportgüter ist der Arbeitsplatz. .

Das ist aber falsch: Auch in Bezug auf die Arbeitsplätze zeigen Input-Output-Analysen des Rats eine positive Netto-Wirkung; zwischen 1995 und 2000 habe der Exportsektor 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.


Das scheint mir zweifelhaft, und nicht nur weil diese Zahlen offenbar schon ziemlich alt sind: Das Argument erinnert ein wenig an die Windkraftbefürworter, die auf die durch diese zweifelhafte Form der <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20040725.htm">Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen</A> in der Tat geschaffenen Arbeitsplätze hinweisen: für jeden zusätzlichen Windkraft-Arbeitsplatz sind aber mehrere Jobs woanders fortgefallen. Bedenke auch, daß wir ab 2005 faktisch eine <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20041023.htm">Exportprämie für Arbeitsplätze</A> haben: ich würde diese Studie daher zunächstmal anzweifeln, jedenfalls für die Gegenwart.
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"HZingel" schrieb
Guten Abend,

"Hugo Boss" schrieb
"HZingel" schrieb
Hi,
Was Deine Variante B) angeht... ganzt ohne Ironie: wir sind Exportweltmeister, und eines der beliebtesten Exportgüter ist der Arbeitsplatz. .

Das ist aber falsch: Auch in Bezug auf die Arbeitsplätze zeigen Input-Output-Analysen des Rats eine positive Netto-Wirkung; zwischen 1995 und 2000 habe der Exportsektor 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.


Das scheint mir zweifelhaft, und nicht nur weil diese Zahlen offenbar schon ziemlich alt sind: Das Argument erinnert ein wenig an die Windkraftbefürworter, die auf die durch diese zweifelhafte Form der <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20040725.htm">Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen</A> in der Tat geschaffenen Arbeitsplätze hinweisen: für jeden zusätzlichen Windkraft-Arbeitsplatz sind aber mehrere Jobs woanders fortgefallen.

Nun sind das statistische Bundesamt und der Sachverständigenrat und ihre Argumente nicht mit denen der Lobbyorganisationen vergleichbar.Die Studie bezieht sich auf den Zeitraum von 1995-2000,wurde aber erst in diesen Jahr erstellt.Außerdem ging es ja um eine Nettowirkung.Da wurden also von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen die verlorengegangenen subtrahiert und das Ergebnis war positiv.Das ist auch glaubhaft,die meisten seriösen Volkswirte sind der Meinung,daß der Aufbau der Produktionsstätten im Ausland hiesige Arbeitsplätze sichert und sogar zusätzliche hierzulande schaffen kann.Es mag ja links klingen,aber es ist wahr und es wird sogar von manchen neoklassischen Volkswirten(also fast der gesamte Sachverständigenrat außer Bofinger besteht aus Neoklassikern) zugegeben:Deutschlands Problem ist nicht der Export und die Wettbewerbsfähigkeit,sondern die rückläufige Entwicklung des Konsums.
Die meisten Arbeitsplätze gingen in Bereichen verloren,die nicht dem Wettbewerb ausgesetzt sind,,also die meisten Dienstleistungen,Einzelhandel etc.
"HZingel" schrieb
Bedenke auch, daß wir ab 2005 faktisch eine <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20041023.htm">Exportprämie für Arbeitsplätze</A> haben: ich würde diese Studie daher zunächstmal anzweifeln, jedenfalls für die Gegenwart.

Warten wir es ab.Wie mit viel Mehrkosten(%) müssen die in Deutschland produzierenden Unternehmen rechnen?Gibt es da bereits Schätzungen?


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