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Der gläserne Bürger

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Hallo in die Runde!

Aufgewacht, :idea: hier ist was Nettes für den Blutdruck:
gefunden bei finanzen.net

Bankgeheimnis: Alle unter Verdacht

Samstag 18. September 2004, 21:38 Uhr
Gegenüber Angeklagten gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung. Bei Steuerzahlern nicht. Ab 2005 durchleuchten Fiskus und andere Ämter die Bürger wie Terroristen.
von Stephan Haberer

Deutschland - ein Land der Terroristen? 80 Millionen gibt es davon hierzulande. Das scheinen zumindest Schröder, Eichel & Co zu denken. Denn Instrumente, die eigentlich zur Austrocknung der Finanzströme des internationalen Terrorismus gedacht waren, sollen künftig gegen alle Steuerbürger eingesetzt werden.

Seit Jahren versucht das Bundesfinanzministerium, Kontrollmöglichkeiten zu legalisieren, die das Bankgeheimnis aushebeln. Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz schuf der Gesetzgeber Mitte 2002 eine wichtige Grundlage dafür. Denn der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und dem Bundesamt für Finanzen, die zentrale Datensammelstelle der Finanzbehörden, wurde ermöglicht, bei deutschen Banken online zu recherchieren.

Dieser Zugriff auf die Basisdaten aller in Deutschland geführten Konten und Depots sollte nach den Anschlägen des 11. September 2001 den internationalen Terrorismus in die Knie zwingen. Das ist zwar nicht gelungen, gleichwohl hat sich Finanzminister Eichel ein weiteres Ziel gesucht: den deutschen Steuerbürger. Dieser scheint für den Eisernen Hans fast so gefährlich wie Osama bin Laden, nur viel besser zu kontrollieren.

Dafür spinnt die deutsche Steuerbürokratie ein immer engmaschigeres Netz von Kontrollmitteilungen und Meldepflichten (siehe Grafik). So sind Nachlaßgerichte längst verpflichtet, Abschriften von eröffneten Testamenten an den Fiskus zu schicken. Auch Notare müssen das tun. Diese haben auch bei Grundstücksgeschäften Daten weiterzugeben.Und Lebensversicherungsunternehmen müssen mitteilen, wenn Policen beliehen oder vorzeitig ausgezahlt werden. Auch wenn das Geld nicht an den Versicherungsnehmer fließt - der Fiskus erhält Nachricht davon.

Ab 2004 müssen Banken Kontenübersichten verschicken. In diesen Erträgnisaufstellungen werden für jedes Konto auch angefallene Zinsen, Dividenden, Spekulationsgewinne, Depotbestände, Bausparguthaben und sonstige Erträge aufgelistet. Offiziell, damit die Steuerformulare leichter ausgefüllt werden können. Doch der Fiskus war noch nie einfach nur nett. So hat auch diese Hilfestellung einen Pferdefuß.

Jeder Finanzbeamte kann diese Aufstellung künftig anfordern - und bekommt damit einen exakten Überblick über alle steuerlich relevanten Kontobewegungen. Sperrt sich der Kunde und behält die Erträgnisaufstellung, muss die Bank die entsprechenden Informationen liefern. Bei Konten, die aufgelöst sind, hat das Institut die Daten mindestens drei Jahre lang zu speichern.

Damit nicht genug: Künftig müssen alle, die gesetzliche oder private Renten auszahlen, dem Fiskus melden, wer ab wann wieviel Rente bezogen hat. Übrigens: Damit kann der Finanzbeamte leicht auf Zeiten vor 2005 schließen und den ein oder anderen "vergeßlichen" Rentner unsanft daran erinnern, daß seine Alterseinkünfte schon bisher der Besteuerung unterlagen.

Zum 1. April 2005 tritt dann ein Abschnitt des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit in Kraft, der es neben dem Finanzamt auch vielen anderen Behörden erlaubt, ihrerseits Bürger zu durchleuchten. Grund hier: Knüpft ein Gesetz an Begriffe des Einkommenssteuerrechts an, dann kann die dafür zuständige Stelle beim Fiskus beantragen, daß ihr vom Bundesamt für Finanzen erhobene Daten zur Verfügung gestellt werden.

Eine Überprüfung, ob die Weitergabe überhaupt gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, findet nicht statt. Und so sind wohl bald Sachbearbeiter in der Agentur für Arbeit, beim Sozialamt, im Bafögamt oder auch bei der Wohngeldstelle und Kindergeldkasse besser über Konten und Depots informiert als mancher Bankkunde selbst.Kein Wunder, daß Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, "eine Erosion des Datenschutzes" ausmacht. Er befürchtet, daß es immer häufiger zu automatisierten Datenabgleichen kommt, bei denen man beispielsweise völlig willkürlich Dateien mit Wohngeld-Beziehern gegen solche mit Freistellungsaufträgen laufen läßt. Und das, ohne dass es bei den davon Betroffenen zuvor irgendwelche Hinweise auf steuerliche Unregelmäßigkeiten gegeben hätte.

Ganz Deutschland steht künftig also unter Generalverdacht. Denn die Abfragen von Bafin und Bundesamt für Finanzen erfolgen zum einen routinemäßig und ohne, daß irgendwelche Hinweise auf Steuerhinterziehung oder Schwarzgeldkonten vorliegen müssen. Zum anderen sollen erst mal weder Bank noch Konto-Inhaber davon erfahren. Ach ja, wir erinnern uns: Dient ja der Terrorismusbekämpfung. Datenschützer Schaar: "Letztlich wird ohne Anfangsverdacht ein immer engeres Netz geknüpft, das immer mehr unschuldige Bürger einschließt."

Mittendrin in diesem Kontrollnetz: das Bundesamt für Finanzen. Schon jetzt werden dort millionenfach Freistellungsaufträge ausgewertet, Datenbanken zu umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen gepflegt und für die Finanzbeamten die Kontenabfragen bei Geldinstituten abgewickelt. Ab dem kommenden Jahr laufen dort auch die in der europäischen Zinsrichtlinie verankerten Kontrollmitteilungen aus anderen EU-Ländern ein. Zudem werden bei dem Bonner Amt alle im Ausland zugänglichen Daten über Steuerzahler in Deutschland gesammelt. Ein wahrer Datenmoloch ist so in den vergangenen Jahren entstanden. Schade, daß Osama & Co hierzulande noch nie steuerpflichtig waren. Sie wären höchstwahrscheinlich längst gefaßt.

Ciao!
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In der deutschen Politik geschehen seit Jahrzehnten so derart viele kleine und große Sauereien, dass es Zeit wird die Politik da zu treffen, wo es wirklich weh tut.

Nur wo ist das?

Auch wenn bei Wahlen nur 20% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, werden danach 100% der lukrativen Posten und Pöstchen verteilt.

Schiedssprüche selbst der höchsten Gerichte können per Gesetzgebung ausgehebelt werden (z.B. die sich heranbildende gefestigte Rechtsprechung zum Thema "steuerliche Absetzbarkeit von Fortbildungskosten").

Ärzte müssen jahrelang studieren, dabei viele Prüfungen nachweisen und zum Schluss auch noch eine Lizenz zur Niederlassung an einem bestimmten Ort beantragen. Und ohne Ärztehaftpflicht dürfen sie nicht mal die Praxistür aufsperren. Politiker dagegen benötigen gar keine Ausbildung, müssen nicht einen Leistungsnachweis erbringen und haften müssen sie auch für nichts.

...

Wo also tut es ihnen weh und wie kommt der Bürger da hin?

Weh tut es ihnen am eigenen Leben, am eigenen Geld und an der eigenen Macht.

Geld und Leben der Politiker sind erstmal noch sicher. Noch hat es keine RAF-Nachfolgeorganisation, die hin und wieder einen Exponenten einseitiger Günstlingspolitik liquidiert und somit das Berufsrisiko für den Rest deutlich steigert. In meinen Augen ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sowas kommt.

Aber die Machtbasis kann der Wähler ankratzen. Das haben die Wahlen in Brandenburg und Sachsen deutlich gemacht. Da sitzen jetzt links- und rechtsextremistische Gruppierungen (PDS, NPD, DVU) mit am Tisch und machen den "Etablierten" Pöstchen und Ressourcen streitig.

Nicht dass das irgendwas bringen würde. Aber ich denke, viele Politiker werden jetzt insgeheim nachdenken, ob es in einem Staat in dem immer wieder gegen das Volk regiert wird, für sie auf Dauer noch einen Platz und ein Einkommen geben kann.

Und ob eine Gesellschaft, in der man nur noch in bewachten Villenvierteln leben und ohne Security nicht mal zur Arbeit fahren kann, wirklich wünschenswert ist.

Gruß, Guido
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Ein Beispiel für das zuvor Geschriebene:

http://www.welt.de/data/2004/09/15/332653.html

Mit Panzermine zum Berliner Sozialgericht

62-Jähriger wollte sich in die Luft sprengen, weil ihm die Kosten für eine Operation nicht finanziert wurden


Berlin - Berlin ist gestern nur knapp einer Katastrophe entgangen: Weil ihm die Kosten für eine lebenswichtige Operation vom Sozialamt nicht finanziert wurden, ist ein 62 Jahre alter Mann am Morgen ins Sozialgericht an der Invalidenstraße gestürmt und wollte sich dort in die Luft sprengen. Er hatte eine russische Panzermine von Typ TM 62 bei sich und war zudem mit einer scharfen Pistole bewaffnet. Beamte einer Funkstreifenbesatzung konnten ihn schließlich überwältigen. Bis auf zwei Menschen, die einen Schock erlitten, wurde niemand verletzt. Der Staatsschutz ermittelt...
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Ich muß gestehen, daß dieser Mensch über ein nicht unerhebliches Maß an Kreativität verfügte. Nur eine Frage bleibt leider unbeantwortet, und wie immer die Wichtigste: Wo zum Teufel kriegt man so überzeugende Argumente her??
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Hallo in die Runde,

Zunächst mal an Guido:

Die meisten Bundesländer haben Gesetze, wonach ihre Minister versorgt sind, wenn sie eine gewisse Zeit im Amt überstanden haben - m.E. ist diese Frist deutlich kürzer als eine Legislaturperiode. Wenn daran noch ein paar Tage fehlen, wie kürzlich in Sachsen, so hilft man eben mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach. Überflüssig zu erwähnen, daß sich diese Versorgung nicht nach den Sätzen von Hartz IV orientiert. Insofern ist das Wahlverhalten der Bürger für diese Amtsinhaber wirtschaftlich irrelevant. Erfahrungsgemäß aber auch für den Bürger selbst, denn man kennt den Spruch: "Der Trog ist derselbe ...". Bei den Abgeordneten ist es wohl so, daß sie es zweimal ins Parlament schaffen müssen, um die Rente sicher zu haben. Aber selbst dann, wenn eine Partei kräftig Mandate verliert, wie die CDU/CSU 1998, entscheidet keinesfalls Qualifikation darüber, wer geht und wer bleibt.

Was die Macht angeht, so ist das wohl etwas anderes. In aller Welt klammern sich Politiker aus mir nicht immer erklärlichen Gründen an sie. Es ist aber damit wenigstens hier wohl so, wie mit dem Rauchen: schafft man es, wirklich aufzuhören, stellt man fest, daß einem eigentlich nichts fehlt. Ich persönlich würde im Alter von deutlich über sechzig lieber meine Enkel auf den Schoß nehmen, als mir im Parlament Ohrfeigen abzuholen.

Und mithin genügt die Abgabe der eigenen Stimme, um die Wahl zu gewinnen, wenn man der einzige Wähler wäre. Damit hätte wohl auch niemand ein Problem.

An Harry:

Bis jetzt hat jeder, der solche "Spielzeuge" haben wollte, die auch bekommen.
Ob es sich aber im Falle des Berliners um wirklich "überzeugende Argumente" handelt, ist keinesfalls sicher, denn in dem Artikel ist lediglich davon die Rede, wie man das Gerichtsgebäude in Zukunft sichert und nicht, daß der Mann nunmehr operiert werden soll. Das Sozialamt hat das bisher nicht so gesehen und jetzt kommt für ihn erschwerend dazu, daß er durch die staatliche Unterbringung noch höhere Kosten verursacht und andererseits für Überraschungen dieser Art nicht mehr wirklich gut ist.
Was hat er nun? Wenn die Operation wirklich dringend erforderlich ist, lebenslänglich, vermutlich ohne daß dagegen ein Anwalt plädieren wird - ich glaube nicht, daß das eine brauchbare Alternative ist.

Der wirkliche Skandal wäre dabei, daß einerseits denjenigen Sterbehilfe verweigert wird, die sie verlangen, andererseits im Verordnungswege Beamten und Angestellten von Sozialämtern und Krankenkassen sehr wohl Macht über Leben und Tod gegeben würde, ohne daß das selbst in so einem Falle von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird. Alles natürlich vorausgesetzt, daß das mit der Operation nicht lediglich "grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung" der Presse ist.

Aber das Diskussionsthema war doch eigentlich "der gläserne Bürger".

Grüße,
Peter
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Guten Abend,

Zitat
Bis jetzt hat jeder, der solche "Spielzeuge" haben wollte, die auch bekommen.


Das könnte besonders in Ostdeutschland gelten, wie <A HREF="http://www.bwl-bote.de/20040731.htm">hier nachzulesen ist</A>...

Zitat
Aber das Diskussionsthema war doch eigentlich "der gläserne Bürger".


Da hast Du eigentlich Recht... und - ein Zufall?- der BWL-Bote hat sich dazu auch schon ausgelassen:
<A HREF="http://www.bwl-bote.de/20040823.htm">Virtuelle Steuerprüfung per Suchmaschine ab 1. April 2005</A>
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Hallo Harry,
hallo Peter,

stimmt! Eigentlich war "der gläserne Bürger" das Thema.

Aber ist es nicht toll, wie man sich in diesem unseren Lande ganz schnell in einen höheren Blutdruck hineinsteigern kann - auch und gerade aktuell?

An verschiedensten Stellen im Forum haben sich die verschiedensten Teilnehmer mehrfach geäußert, daß sich andere Länder solche Dinge nicht so einfach gefallen lassen.

Allerdings halte ich die "Berliner Lösung" mit der finalen Entsorgung einer Panzermine auch wirklich nicht für so gut. Obwohl, es hat was ...

Ernsthaft: Waffen sind nicht das Argument.

Entkräftung der eigenen Argumente der "Täter" sind das einzig schlagende Mittel, alles andere lehne ich ab!

Ciao!
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Beiträge: 610
Ort: Hessen
Hallo in die Runde,

das Thema ist zweifelsohne interessant, aber, wie schon in einem vorigen Beitrag geschrieben, nicht wirklich überraschend.

Erinnern wir uns daran, daß § 23 Abs.1 Nr.2 EStG für Veranlagungszeiträume vor 2000 wegen struktureller Vollzugsdefizite für nicht verfassungskonform befunden wurde. Kann man von einem Gesetzgeber erwarten, daß er tatenlos zusieht, wie ihm einnahmeträchtige Steuergesetze demontiert werden? Man kann, man sollte aber eben nur, wenn man eine entsprechende Lobby hat, wie wir das im Falle des VStG erlebt haben. Daher die Frage in die Runde, ohne daß diese beantwortet werden muß:
Wer bitte wundert sich noch?

Grüße,
Peter

P.S.:
Mit Hinweis auf die endlosen Reformen im Gesundheitswesen:
Hoher Blutdruck ist gefährlich!


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