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Volksabstimmung - ein untragbares Risiko für die Demokratie?

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Artikel

Veröffentlicht am: 23.04.2004

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Europäische Union
Bundestag soll über EU-Verfassung befinden
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Bundeskanzler Gerhard Schröder hält eine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung nicht für notwendig. Zur Annahme der EU-Verfassung sei, wie vom Grundgesetz vorgesehen, die Zustimmung der nationalen Parlamente völlig ausreichend, sagte der Kanzler.

Schröder erklärte am 22. April in Berlin, er sehe für die Legitimation der Verfassung keinen Unterschied darin, ob diese vom Parlament oder in einem Referendum beschlossen werde: "Am Ende werden demokratische Entscheidungen stehen, auf die wir in öffentlicher Debatte einwirken wollen und einwirken können."

Regierungssprecher Béla Anda ergänzte tags darauf, der Bundeskanzler habe schon früher mehrfach betont, dass der Deutsche Bundestag als von der Verfassung vorgesehenes Organ über die EU-Verfassung abstimmen müsse. Im Übrigen sehe das Grundgesetz Volksbefragungen auf Bundesebene nicht vor.

Ganz unabhängig von der EU-Verfassung finde der Kanzler Überlegungen interessant, mehr plebiszitäre Elemente ins Grundgesetz aufzunehmen, sagte Anda. Für eine Abstimmung über die EU-Verfassung könne das Grundgesetz aber ohnehin nicht mehr rechtzeitig geändert werden.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wies auf Nachfrage von Journalisten die Einschätzung zurück, Bundesfinanzminister Hans Eichel habe sich in dieser Frage anders geäußert. Eichels Position entspreche genau der des Kanzlers, so der Sprecher. Eichel hatte gegenüber dem
ZDF ganz generell EU-weite Volksabstimmungen nach einer entsprechenden Verfassungsänderung nicht ausgeschlossen.

Sein Sprecher erklärte dazu am Freitag, dabei habe es sich um allgemeine Erwägungen des Ministers gehandelt, die nicht in Bezug auf eine baldige Volksabstimmung über die EU-Verfassung angestellt worden seien. Im Übrigen sprächen gegen eine Volksabstimmung in Deutschland verfassungsrechtliche Bedenken, so der Sprecher. Dies habe Eichel auch so dargestellt.

>> Der Entwurf für eine Europäische Verfassung
http://www.bundesregierung.de/Politikthemen/Europaeische-Union-,9009/EU-Verfassungsentwurf.htm>


KONTEXT

>> Europa eine gute Wahl:
Europa-Sonderseiten von REGIERUNGonline zur EU-Erweiterung
http://www.bundesregierung.de/Politikthemen/-,5867/Europaeische-Union.htm>

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Volksabstimmung - ein umntragbares Risiko für die Demokratie ?
Der in der Schweiz hat es über Jahrhunderte nicht geschadet ...
Peter
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Man hat das Volk, das einst Hitler gewählt hat, noch nie in Europa abstimmen lassen, natürlich nicht über den Beitritt zu den damaligen Römischen Verträgen, auch nicht über den Euro, obwohl das in der Maastricht-Vertragsversion klipp und klar dringestanden hatte, und jetzt über die Verfassung erst Recht nicht (http://www.bwl-bote.de/20031111.htm). Kein Wunder, daß die aktuellen Vorschläge aus England ziemlich peinlich sind für Politiker, die uns das plötzlich erklären müssen (http://www.bwl-bote.de/20040422.htm). Die Debatte ist um so gefährlicher als es auch sein könnte, daß man dann auch noch über das Grundgesetz zu debattieren anfängt, besonders über Art. 146 (http://www.bwl-bote.de/20031030.htm). Das wäre dann echte Demokratie, sozusagen der Super-GAU einer ungewählten EU...
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Artikel

Veröffentlicht am: 26.04.2004

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Europa
Zypern: Nach vertaner Chance die Folgen für den türkischen Norden abmildern
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Die Bundesregierung bedauert, dass bei den Volksabstimmungen über einen EU-Beitritt in Zypern nur im Nordteil der Insel ein positives Ergebnis erzielt werden konnte.

Nachdem bei den Volksabstimmungen im griechischen und im türkischen Teil der Insel nur die türkischen Zyprer für die Wiedervereinigung der Insel gestimmt haben, tritt am 1. Mai allein der griechische Südteil der Insel der Europäischen Union bei.

Die griechischen Bewohner der Insel haben eine Wiedervereinigung der beiden seit 1974 getrennten Inselteile nach dem so genannten Annan-Plan der Vereinten Nationen mehrheitlich abgelehnt.

Der Sprecher des Bundesaußenministeriums Walter Lindner erklärt am 26. April vor Journalisten, nun gehe es darum, schnell eine praktikable Lösung zu suchen, die vor allem für den türkischen Nordteil Zyperns die wirtschaftlichen Folgen der Abstimmung abmildern soll.

Lindner wies zugleich darauf hin, dass dabei rechtliche äußerst komplizierte Fragen zu klären seien: völkerrechtlich, wirtschaftspolitisch und europapolitisch.

Am Montag wollen die EU-Außenminister in Brüssel über finanzielle Hilfen für den türkischen Teil Zyperns beraten, der nun trotz seines erklärten gegenteiligen Willens nicht der EU beitreten kann.

Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte bereits am Samstag den Ausgang der Referenden bedauert.
>> Erklärung von Bundesaußenminister Fischer
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/ausgabe_archiv?archiv_id=5639


KONTEXT

>> Hintergrund: Der Zypern-Konflikt
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193

Hallo in die Runde,

ohne Kommentar.
Peter
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Veröffentlicht am: 15.07.2004

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Europäische Union
Kein Referendum zur EU-Verfassung in Deutschland
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Der EU-Verfassungsentwurf muss von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat klar gemacht, dass in Deutschland die Verfassung keine Voksbefragung vorsieht. Wie andere Staaten vorgehen, sei ihre Sache, und müsse respektiert werden, sagte der Bundeskanzler.

Bundeskanzler Gerhard Schröder ist am 15. Juli in London vom
britischen Premierminister Tony Blair empfangen worden. Schwerpunkte der Gespräche waren unter anderem außen- und europapolitische Themen.

Ratifizierung der EU-Verfassung

Schröder machte anschließend vor Journalisten klar, dass die Entscheidung der britischen Regierung, ein Referendum zum EU-Verfassungsentwurf durchzuführen, respektiert werden müsse. Wichtiger vielmehr sei, dass die britische Regierung der EU-Verfassung zugestimmt habe. Wie sie den Ratifizierungsprozess umsetzt, sei ihre souveräne Entscheidung.

Gleiches gelte mit Blick auf die Ankündigung des französischen Präsidenten Jacques Chirac, in Frankreich ebenfalls ein Referendum zum EU-Verfassungentwurf durchzuführen. "Wie andere das machen, ist die Entscheidung der jeweiligen nationalen Regierung", sagte Schröder.

In der Bundesrepublik Deutschland sehe die Verfassung keine Volksbefragung vor, betonte der Kanzler. Aus diesem Grund werde der EU-Verfassungsentwurf im Parlament ratifiziert.

EU-Finanzrahmen

Bei der neuen finanziellen Vorausschau der Europäischen Union müsse dafür gesorgt werden, dass es zu einer fairen Entscheidung für jeden der Partner komme, sagte Schröder. Dies werde die Aufgabe der niederländischen Präsidentschaft und der Europäischen Kommission sein.

Es müsse eine finanzielle Vorausschau geben, die Solidarität übe mit denjenigen, die Solidarität brauchen. Da seien nach der EU-Erweiterung einige hinzugekommen. Dennoch dürften Länder, die wie Deutschland viel zum europäischen Haushalt beitragen, nicht überfordert werden, unterstrich Schröder.

Hintergrund zu den EU-Finanzverhandlungen: Zum Beginn der Verhandlungen über den neuen EU-Finanzrahmen für den Zeitraum von 2007 bis 2013 haben Deutschland und fünf weitere Netto-Beitragszahler im Dezember 2003 einen wichtigen Beitrag zur Diskussion geleistet.

Kern der Initiative ist eine Stabilisierung des EU-Finanzrahmens auf dem gegenwärtigen Stand von einem Prozent Bruttonationaleinkommen (BNE). Dies stellt aber keine Ausgabenbegrenzung dar. Ein solcher Finanzrahmen lässt immer noch jährliche Steigerungsraten des EU-Haushalts zu, die weit über den Wachstumsraten der staatlichen Haushalte der meisten Mitgliedstaaten liegen. Er bietet dabei genügend Spielraum für die Politikgestaltung in der erweiterten Union.

Der Vorschlag der EU-Kommission hingegen, das Ausgabenvolumen auf 1,24 Prozent BNE zu erhöhen, hätte für Deutschland eine Zusatzbelastung in Höhe von mehr als 14 Milliarden Euro zur Folge.

KONTEXT

>> Europa gibt sich eine Verfassung
http://www.bundesregierung.de/Politikthemen/-,5867/Europaeische-Union.htm
>> Initiative zu den EU-Finanzverhandlungen
http://www.bundesregierung.de/artikel,-577050/Initiative-zu-den-EU-Finanzver.htm

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Hallo in die Runde,

vielleicht kann mir jemand helfen, denn ich habe hier ein Verständnisproblem: ich bekomme die Aussage, Volksabstimmungen seien mit der deutschen Verfassung unvereinbar, nicht mit dem Wortlaut von Art. 146 GG zusammen.
Im übrigen ist ja die Kritik an den Entscheidungen der britischen und französischen Regierungen erstaunlich moderat ausgefallen.

Grüße,
Peter
Gast
Guten Tag,

siehe zu diesem Thema auch diesen Gesprächsfaden in Forum für Steuerrecht:

http://www.recht.de/index.php3?menue=Foren&go=zeigeArtikel&nid=18&seite=&aid=474539

mit freundlichen Gruß

Joachim Felgenbauer
Kommissarischer Ministerpräsident
Freistaat Braunschweig
Gast
"HZingel" schrieb
im letzten Artikel des GG steht nämlich klipp und klar drin, daß das GG keine Verfassung ist und nicht vom Deutschen Volke und nicht in freier Entscheidung beschlossen wurde.


Nö.
In jeder besseren Vereinssatzung steht etwas vergleichbares (nämlich daß die Satzung die Gültigkeit verliert, wenn eine neue durch Mitgliederentscheid beschlossen wurde). Das bedeutet aber nicht, daß jede Vereinssatzung nicht durch Mitgliederentscheid beschlossen wurde.

Ein bissl doch auf die Logik achten in der Sprache, hm?
Mitglied
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Zur Frage des Art. 146 GG habe ich mich hier schon etwas ausführlicher verbreitet: http://www.bwl-bote.de/20031030.htm. Sollte ich das alles jetzt hier wiederholen?
Mitglied
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Ort: NRW
"HZingel" schrieb
Ich bin eigentlich der Meinung, daß dieses Forum ein Ort ernsthafter Diskussionen bleiben sollte. Selbstbezeichnungen wie diese hier:

Zitat
Kommissarischer Ministerpräsident
Freistaat Braunschweig


gehören aber eher unten in den Bereich "Die Brüller", denn ernstnehmen kann ich das wohl nicht. Ich habe die zahlreichen Reichskanzlerposting, die sich hier manchmal zeigen, bisher konsequent gelöscht, und werde auch in Zukunft so verfahren. Wir können, wenn erwünscht, über Staatsrecht desikutieren; wer sich aber für den Reichtkanzler (oder für Napoleon oder für Elvis) hält muß damit rechnen, daß seine Postings nicht so sehr lange hier stehen bleiben.


Na, na, na, Harry!

Den fand ich eigentlich echt gut... :lol:

Überleg doch mal: Freistaat Braunschweig - Dieser ging doch nicht tief; der hatte was...

sowas wie: Hansestadt Ulm oder
Soltau, Landeshauptstadt Lüneburger Heide

Ich hab auch mal einen deftigen drauf bekommen, nur weil mein Weib dabei war, als ich unseren Stammkellner in unserer mallorcinischen Stammkneipe gefragt habe, wie eigentlich die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl in unserem 17. Bundesland war....

Also: nicht so heiß essen, wie es gekocht wurde..

Gruß

Achim
Gast
Moin,

Zitat
Überleg doch mal: Freistaat Braunschweig - Dieser ging doch nicht tief; der hatte was...

sowas wie: Hansestadt Ulm oder
Soltau, Landeshauptstadt Lüneburger Heide


naturlich ist "Freistaat Braunschweig" kein Phantasiegebilde, sondern die von mir rechtich vertretene Gebietskörperschaft.

Bitte hier Informieren:

http://www.gonschior.de/weimar/Braunschweig/

mit freundlichen Gruß

Joachim Felgenbauer
Kommissarischer Ministerpräsident
Freistaat Braunschweig
Mitglied
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Sehr geehrter Herr Landolt,

da Sie in Zürich und nicht im grenznahen Basel wohnen, möchte ich Ihnen zugutehalten, daß Sie wahrscheinlich gar keine Vorstellung davon haben können, wie rudimentär im Vergleich zu Ihrem Heimatland sich das in Deutschland darstellt, was man gemeinhin Demokratie nennt. Bei uns beschränkt sich Demokratie in aller Regel auf wenige dokumentenechte Striche auf Papiere, die alle vier bis fünf Jahre von verschiedenen Gebietskörperschaften bereitgehalten und gemeinhin Wahlzettel, von manchen Mitbürgern auch Denkzettel genannt werden.

Gelegentlich liest man bei uns in der Zeitung, daß dagegen Schweizer Bürgern eine viel höhere geistige Reife zugetraut und diese deshalb auch zu einer Vielzahl allgemein interessierender Probleme, die über die zukünftige Zusammensetzung irgendeines Parlamentes hinausgehen, befragt werden. So etwas hat es zwar auch schon in Deutschland (bspw. in Bezug auf die Schlechtschreibreform) gegeben, aber mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem man wie in der Schweiz nicht nur die Meinung der Bürger erfragt, sondern sich von dieser dann auch noch in den zu treffenden Entscheidungen hätte leiten lassen.

Wie Sie aber in dieser Diskussion wiedergegebenen amtlichen Verlautbarungen entnehmen konnten, sehen sich Angehörige der Bundesregierung gelegentlich veranlaßt zu betonen, daß sie die Meinung anderer Regierungen respektieren. Es gibt Menschen, die das für selbstverständlich halten und bei der Betonung einer solchen Selbstverständlichkeit hellhörig werden.

In Anbetracht dieser für Sie möglicherweise schwer vorstellbaren Umstände möchte ich Sie um Verständnis bitten, wenn Leute, die sich nicht zu den Lesern des Springer-Verlages zählen, bei manchen Themen eine etwas schärfere Zunge führen. Das hat dann weder mit Ihnen persönlich, noch mit dem von Ihnen vertretenen Verein und seinen satzungsmäßigen Zielen etwas zu tun.

Mit freundlichen Grüßen,
Peter

P.S.
Meine Beiträge sind nach bestem Wissen und Gewissen nach den Regeln der Deutschen Orthographie verfaßt, die am 01.09.1969 auf dem Territorium der vormaligen Freien Republik Schwarzenberg gegolten haben und demzufolge dort auch unterrichtet wurden. Das bitte ich bei der Feststellung zu berücksichtigen, mir sei vermutlich ein Tipfehler unterlaufen. Ich bin gern bereit, solche zu korrigieren.
« Zuletzt durch Peter am 21.09.2004 22:53 Uhr bearbeitet. »
Mitglied
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Guten Abend Peter,

habe ich in den Zeilen über meinem Posting jetzt etwa doch leise Anflüge von Ironie wahrgenommen? Nein, das kann doch nicht sein, gelle? :lol:
Gast
Sehr geehrter Peter, da Sie in Hessen und nicht im grenznahen Konstanz wohnen, möchte ich Ihnen zugute halten, dass Sie wahrscheinlich nicht wissen, dass die rechtslage in sachen rechtschreibung in Deutschland und in der Schweiz dieselbe ist. Im rahmen dieser rechtsordnung ist alles korrekt gelaufen. Das gejammer der unterlegenen widerlegt das nicht, und für klagen über allfällige demokratieprobleme ist die rechtschreibreform das falsche objekt. Ich habe auch keineswegs etwas gegen eine "etwas schärfere zunge", aber etwas gegen eine falsche zunge. "Nazi-anfänge der gegenwärtigen reform", "brauner ursprung", "Mengele" usw. sind und bleiben demagogie und verleumdung. Die anfänge der gegenwärtigen reform kann man vielleicht nicht so genau datieren (1980, 1972, 1963, 1958, 1954, 1948, 1946, 1944, 1932, 1924, 1903, 1901, 1886, 1876, 1854, 1653), aber ein anfang ist ein anfang und ein ursprung ist ein ursprung; jedenfalls ist 1924 ursprünglicher als 1944.

Da Sie in Hessen bzw. Erfurt wohnen, möchte ich Ihnen zugute halten, dass Sie wahrscheinlich nicht wissen, dass der ursprung der reform auch keineswegs nur in Deutschland zu suchen ist.

Da Sie in Hessen bzw. Erfurt und nicht in der nähe einer anderen sprache wohnen, möchte ich Ihnen zugute halten, dass Sie wahrscheinlich nicht wissen, dass "fosfor", "sfäre" und "ragu" (mit kleinem anfangsbuchstaben) in der mehrheit der sprachen dieser welt keine "knaller", sondern alltag sind.
Rolf Landolt, Bund für vereinfachte rechtschreibung, CH-8022 Zürich, http://www.rechtschreibreform.ch
Mitglied
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Sehr geehrter Herr Landolt,

danke für Ihre Antwort, wir freuen uns, Sie hier als hoffentlich nicht nur gelegentlichen Gast in unserer Runde begrüßen zu dürfen.

Was nun die verschiedenen Reformen der deutschsprachigen Orthographie anbelangt, so ist mir von den diesbezüglichen Diskussionen nur das Datum 1904 in Erinnerung geblieben. Ihr Verein besteht seit 1924, wie Sie schreiben, ich weiß nun nicht, ob dieses Datum Zufall ist oder noch eine anderweitige Bedeutung hat.

Ihre Ausführung, die Rechtschreibreform sei das falsche Objekt für Klagen über Demokratiedefizite, möchte ich nicht unwidersprochen lassen. Diese Defizite zu beklagen, wäre mithin eine Bürgerpflicht und hinreichend Anlaß dafür muß jeder Vorgang sein, bei dem man ohne Not die Interessen der Bürger übergeht.
Es handelt sich für mich hierbei um ein Grundsatzproblem, denn ich frage mich immer wieder, ob nicht viele Verbrechen unterblieben, viel Leid ungeschehen wäre, hätte Deutschland eine Demokratiekultur gehabt, wie wir das von der Schweiz immer wieder hören.

Es geht dabei auch keinesfalls um "Gejammer der Unterlegenen", denn ich habe keinesfalls ein Problem damit, wenn sich bei einer Abstimmung herausstellt, daß meine Meinung nicht von der Mehrheit geteilt wird. Das gehört zur Demokratie. Es ist für mich aber pikant genug, daß in vorauseilendem Gehorsam die deutschen Schulbuchverlage diese Rechtschreibreform umgesetzt haben, man aber andererseits auf Veröffentlichungen bspw. aktueller Steuergesetze in Buchform viele Monate warten muß (diese Nachfrage läuft nämlich nicht weg).
Es gibt mithin auch genügend andere Beispiele dafür, daß "korrekt gelaufen" in der Schweiz und in Deutschland bei weitem nicht dieselbe politische Prozedur bedeutet, auch wenn, wie Sie feststellen, in beiden Staaten dieselben orthographischen Regeln gelten.

Im übrigen möchte ich noch darauf hinweisen, daß in Deutschland das Erlernen einer Fremdsprache obligatorisch ist und das auch zu meiner Zeit so war, wenn auch die Ergebnisse dieses Unterrichts in der Regel ernüchternd sind. Wie ich kürzlich entsprechenden Untersuchungen aus der Schweiz und aus Frankreich entnehmen mußte, ist dort die Situation leider ähnlich.

Dennoch habe ich eine weitere Sprache soweit erlernt, daß ich darin bspw. über verschiedene Themen der Wärmebehandlung von Stahl, welches mein Beruf ist, Vorträge halten und publizieren konnte. Diese Sprache hat, bei einem größeren Alphabet, eine strikte orthophonetische Schreibweise und daher auch die von Ihnen favorisierte Kleinschreibung (außer bei Eigennamen und am Satzanfang), was nicht bedeutet, daß diese deshalb auch in der deutschen Sprache eingeführt werden sollte.

Immerhin bleibt festzustellen, daß die regelmäßige Durchsetzung einer Rechtschreibreform durchaus keine unumgängliche Notwendigkeit darstellt.
Als Schweizer Bürger ist Ihnen die französische Sprache geläufig und daher sicherlich auch die Tatsache, daß regelmäßig der "Meister der französischen Orthographie" ermittelt und entsprechend gewürdigt wird.
In diesem Zusammenhang hat mir ein Bekannter erklärt, die französische Orthographie sei im 18. oder 19. Jh. (ich erinnere mich nicht mehr genau) mit Vorbedacht etwas schwierig gestaltet worden, damit, so die damalige Begründung, "Frauen und einfältige Menschen daran zu erkennen wären, daß sie ihre Muttersprache nicht beherrschen".
Der Mann ist Gymnasiallehrer, ich halte ihn daher für kompetent. Und er versicherte mir, daß seit dieser zielgerichteten Gestaltung keine weitere diesbezügliche Reform seiner Muttersprache stattgefunden habe.

Mit freundlichen Grüßen,
Peter
« Zuletzt durch Peter am 22.09.2004 22:52 Uhr bearbeitet. »
Mitglied
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Hallo Harry,

richtig, hier ging es um Demokratie. Und dazu meinte ich doch

Zitat
Ihre Ausführung, die Rechtschreibreform sei das falsche Objekt für Klagen über Demokratiedefizite, möchte ich nicht unwidersprochen lassen. ...
Es handelt sich für mich hierbei um ein Grundsatzproblem, denn ich frage mich immer wieder, ob nicht viele Verbrechen unterblieben, viel Leid ungeschehen wäre, hätte Deutschland eine Demokratiekultur gehabt, wie wir das von der Schweiz immer wieder hören.


Ich sehe daher nicht, daß ich das Thema verfehlt hätte. Freilich hast Du es mit Deinem Hinweis eiliger gehabt, als ich wegen technischer Probleme den Beitrag fertigstellen konnte.
Gerade die Rechtschreibreform, so wie sie durchgesetzt wurde, ist ein sinnfälliges Beispiel für das, was hier diskutiert wird. Wobei natürlich, um Herrn Landolt vorzugreifen, eine Volksabstimmung nicht unbedingt bedeutet hätte, daß das Ergebnis deswegen anders ausgefallen wäre.

Grüße,
Peter
Gast
"Peter" schrieb
ob dieses Datum Zufall ist oder noch eine anderweitige Bedeutung hat

Jede von mir erwähnte jahreszahl hat eine bedeutung und kann als anfang von irgendwas gesehen werden. Was ich betonen will, ist die kontinuität. Die sache war schon 1924 ein alter hut.

"Peter" schrieb
Vorgang sein, bei dem man ohne Not die Interessen der Bürger übergeht. Es handelt sich für mich hierbei um ein Grundsatzproblem

Ich bin natürlich nicht dafür, dass man die interessen der bürger übergeht; ich bin ja auch einer. Nur: was sind die interessen der bürger? Ihre oder meine?

"Peter" schrieb
in vorauseilendem Gehorsam

Da muss ich auch die etwas schärfere zunge aktivieren: Aus meiner sicht zeigt die diskussion nicht demokratie-, sondern mentalitätsunterschiede. Irgendwie können die deutschen (evtl. ausser unseren alemannisch/schwäbischen nachbarn) nur in den kategorien gehorsam und verweigerung denken. Wenn sie begreifen (d. h. verinnerlichen) könnten, dass es noch andere beweggründe menschlichen handelns gibt, wäre die diskussion ebenso friedlich wie in der Schweiz. (Und damit längst vorbei.)

"Peter" schrieb
nicht dieselbe politische Prozedur

Doch, in diesem fall eben weitgehend. Schon deshalb habe ich das mit dem falschen objekt geschrieben. Demokratie bedeutet nicht, dass man mal da, mal dort eine volksabstimmung veranstaltet, sondern dass verbindlich festgelegt ist, wer was entscheidet. (Die gleichung demokratie = veto wäre ebenso falsch.) Festgelegt ist bei Ihnen und bei uns, dass die schulbehörden (also die länder) den lehrplan der volksschule bestimmen. Das ist alles. Wer das nicht in ordnung findet, hatte seit 1949 (bei uns seit 1848) zeit, eine änderung der rechtslage zu fordern. Oder man kann das für das nächste mal tun.

"Peter" schrieb
Rechtschreibreform durchaus keine unumgängliche Notwendigkeit darstellt.

Doch, das ist bei der buchstabenschrift systemimmanent, sonst hat man bald keine buchstabenschrift - eine kulturelle errungenschaft 1. ranges! - mehr.

Rolf Landolt, Bund für vereinfachte rechtschreibung, CH-8022 Zürich, http://www.rechtschreibreform.ch
Gast
"Guido" schrieb
Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass in Deutschland der politische Streik verboten ist - im Gegensatz zu vielen "streikfreudigeren" Ländern. Und dass die entsprechenden Schadensersatzregelungen hier viel eher greifen als z.B. in Frankreich.


Dem ist wohl so. Die Gerichtsverfahren gegen die Leute, die im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg der Rhein-Main-Air-Base einen Besuch abgestattet haben, sind größtenteils deshalb noch nicht abgeschlossen, weil die Urteile der ersten Instanz noch nicht rechtskräftig wurden. Man vergleiche das mit der Geschwindigkeit, die an den Tag gelegt wird, wenn jemand die Bezahlung einer Rechnung begehrt.
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Hi Gast,

Zitat
Die Gerichtsverfahren gegen die Leute, die im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg der Rhein-Main-Air-Base einen Besuch abgestattet haben,...


ich finde aber, daß man Blockade- und Besetzungsaktionen von Streiks unterscheiden sollte: Streik ist die Verweigerung einer Leistung durch Arbeitsniederlegung; hier wurde jedoch ein Arbeits- oder sonstiger Prozeß durch aktiven oder passiven Eingriff von Außen gestört. Ich bin daher der Ansicht, daß Streikaktionen zur Demokratie gehören wie der Rotwein zum Käse, Blockade-, Besetzungs- und ähnliche Aktionen aber i.d.R. eine Form der Gewalteinwirkung darstellen und nicht mehr durch die Demokratie gedeckt sind.

Das hat, nur um entsprechenden Argumenten vorzubeugen, nichts mit der Sache zu tun - ich bin ebenfalls ein Kriegsgegner, egal ob hinsichtlich Iraq oder welchem Land auch immer - ich bin gegen jeden Krieg. Auch den in Dafur/Sudan übrigens, gegen den hier auffällig wenig demonstriert wird :cry: Für den Frieden zu kämpfen ist aber wie für die Jungfräulichkeit zu bummsen: man hätte die US-Streitkräfte ebenso durch einen echten Streik, also die Verweigerung der ARbeitsleistung der Zivilkräfte etwas, ähem, behindern können, und dann "nur" die Diskussion um den politischen Streik führen müssen (oder dürfen). Wer aber Zufahrten blockiert oder Schornsteine besetzt, begeht mE nach Gewalt, ist also destruktiv und überschreitet damit die im Grunde konstruktiven Merkmale des Streiks.
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Hallo Harry,

entschuldige, aber "Streik" von Armeeangehörigen zu verlangen (dazu zählen auch Zivilkräfte) ist etwas weltfremd, da machen sicherlich auch die Streikräfte der USA keine Ausnahme.

Es mag sein, daß die Leute im Mittelmeerraum mental etwas impulsiver veranlagt sind als die in Mittel- und Nordeuropa. Daher sicher auch die unterschiedliche Herangehensweise der Justiz. Daß Leute hier in der Gegend vor Gericht stehen, weil sie etwas gegen Krieg haben und das nicht nur im Kollegenkreis verbal bekanntgeben, habe ich noch nicht einmal gewußt - vielleicht sollte man sich schämen, nicht angeklagt zu sein.
Dagegen müßte man in Frankreich oder Italien wohl die Einwohnerschaft ganzer Landstriche vor Gericht stellen, was die Justiz und die Strafvollzugsanstalten vielleicht kapazitätsmäßig etwas überfordert.

Wie auch immer, solche Blockaden sind m.E. ein Ausdruck dafür, daß sich Leute ihrer Ohnmacht in Bezug auf politische Entscheidungen bewußt sind und sich damit nicht abfinden wollen. Wenn Demokratie mehr ist, als die Beantwortung der Frage, wem für die nächsten Jahre Generalvollmacht für alles Denkbare erteilt wird, braucht man auch keine Blockaden.

Grüße,
Peter
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"HZingel" schrieb
ich finde aber, daß man Blockade- und Besetzungsaktionen von Streiks unterscheiden sollte: Streik ist die Verweigerung einer Leistung durch Arbeitsniederlegung; hier wurde jedoch ein Arbeits- oder sonstiger Prozeß durch aktiven oder passiven Eingriff von Außen gestört. Ich bin daher der Ansicht, daß Streikaktionen zur Demokratie gehören wie der Rotwein zum Käse, Blockade-, Besetzungs- und ähnliche Aktionen aber i.d.R. eine Form der Gewalteinwirkung darstellen und nicht mehr durch die Demokratie gedeckt sind.


Dem würde ich mich sofort anschließen ...

... wenn wir in einer reifen Demokratie leben würden, deren Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsinstrumentarien so ausgereift sind, dass man "Streik" tatsächlich auf reinen Arbeitskampf zwischen Tarifpartnern reduzieren kann.

In einer noch in der Entwicklung befindlichen Demokratie wie unserer in Deutschland ist das klar zu kurz gedacht. Denn wenn sich ein "Nicht-Einverstandensein" nicht über politische Beteiligungsprozesse artikulieren kann und auch Aktionen zivilen Ungehorsams nicht möglich sind (dazu zähle ich von Dir angeführte Blockadeaktionen), dann bleibt als allerletztes Mittel irgendwann nur noch der Molli in der einen und die Pumpgun in der anderen Hand.

Mir sind die Pazifisten lieber als Grünwähler und Kasernentorbesetzer, denn als irgendwann doch militarisierte Protest- und Lynchbewegung. Jedes noch so friedliche Ansinnen lässt sich in Gewalt umwandeln (auch das der Pazifisten), wenn man es solange unterdrückt, bis es pervertiert.

Gruß, Guido


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