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§146 AO im Widerspruch zum Europarecht

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Guten Abend,

im Zusammenhang mit der Debatte der Problematik der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuer- oder Rechtsangelegenheiten durch Posten in Foren, und der anstehenden Reform des Beratungsrechts, ist vielleicht auch interessant, daß das Verbot der Auslandsbuchführung im Widerspruch zu den vier Freiheiten des EGV steht. Das wird besonders im Zusammenhang mit der Osterweiterung bedeutsam sein, denn jetzt drängen plötzlich Niedriglohnkräfte auch im beratenden Gewerbe in den Markt...

Mehr darüber: http://www.bwl-bote.de/20040417.htm
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[VERSCHOBEN, ursprünglich verfaßt von Peter]

Hallo,

das Problem sehe ich derzeit noch nicht. Erst vor einiger Zeit las ich von einem Urteil eines deutschen FG, welches einem im niederländischen Grenzbereich zu Deutschland ansässigen StB Beratungskompetenz für in Deutschland ansässige Mandanten abgesprochen hat. Mir ist derzeit nichts davon bekannt, daß der Betroffene dagegen vor dem BFH oder dem EuGH vorgegangen wäre, denn dies wäre mit Sicherheit durch den Fachblätterwald gerauscht.
Der normale, vom deutschen Gesetzgeber vorgeschriebene Weg dürfte allerdings für Leute aus den Nachbarländern unter Berücksichtigung der hiesigen Konkurrenzsituation viel zu unattraktiv sein.

Grüße,
Peter
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Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil.

Kia trista epoko, en kiu pli facilas detrui atomon ol antaujughon.

Albert Einstein

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Es heißt in Abs. 2 ja ausdrücklich "Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren". Das ist mE nach unabhängig von konkreten Nachschauen i.S.d. §210 AO, die allerdings auch im EU-Ausland schon problematisch sein dürften. In den nächsten Sätzen des §146 Abs. 2 AO stehen die - offenbar genau deshalb ebenfalls restriktiven - Vorschriften für Konzerngesellschaften. Da aber liegt das Problem: wenn ein "kapitalmarktnahes" Unternehmen, das ab 2005 eine IFRS/IAS-Buchführung macht (bedenke: Durch das BilRefG wird §292a HGB abgeschafft!), diese in sagen wir Polen oder auf Malta für 20% der deutschen Kosten führen kann, dürfte das nicht so einfach samt aller Belege usw. ausgelagert werden.

Daß die AO hier etwas verpaßt hat, wird u.a. auch durch §3 Nr. 4 StBerG deutlich, wo EU-Ausländer ausdrücklich, und im Sinne der 4 Freiheiten des EGV, und in diesem Falle sogar Schweizer (!), zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung zugelassen werden, wenn sie es in ihren Heimatländern sind - wobei das, wie ich aus eigener Anschauung weiß, in der Schweiz ohnehin viel liberaler geregelt ist als hier.

Wie angedeutet: mE nach wird §146 Abs. 2 AO schnell zu einem täglichen Hindernis in der Praxis werden, wenn der Trend zum Outsourcing in dem Maße anhält, wie er derzeit ist.

Andere Wirtschaftsbereiche sind da schon weiter: wer das Unglück hat, bei einem so kundenfeindlichen Unternehmen wie dem Softwarehersteller Adobe Systems Inc. anzurufen, muß noch selbst nach Schottland in die Hotline wählen. Andere haben ihre Supportmitarbeiter schon längst in Bangalore/Karnataka, India, und der Kunde merkt das nicht mal!
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Hallo Harry,

"HZingel" schrieb
...
Daß die AO hier etwas verpaßt hat, wird u.a. auch durch §3 Nr. 4 StBerG deutlich, wo EU-Ausländer ausdrücklich, und im Sinne der 4 Freiheiten des EGV, und in diesem Falle sogar Schweizer (!), zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung zugelassen werden, wenn sie es in ihren Heimatländern sind - wobei das, wie ich aus eigener Anschauung weiß, in der Schweiz ohnehin viel liberaler geregelt ist als hier.
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Daß die Steuergesetzgebung mit aktueller Entwicklung nicht immer Schritt hält, ist ja bekannt. Notfalls kann man auf § 2 AO verweisen, mit den Schultern zucken und einen trinken gehen.
Aber mal im Ernst: von dem o.g. Urteil habe ich irgendwo gelesen und es da oben irgendwo gespeichert. Wie viele andere auch bin ich letztlich vom Tagesgeschäft mehr in Anspruch genommen, als daß ich mir den zweifellos interessanten Urteilstext besorgen und daraufhin ansehen würde, ob und inwieweit er geltendem Recht entspricht, Du sprachst von §3 (4) StBerG.
Es gibt viel interessantere und eine ganze Reihe von Leuten täglich betreffende Regelungen, bei denen "gehudelt" wird, bspw. §15 (1b) in der im VAZ 2003 gültigen Fassung des UStG und die ganze Vorgeschichte, oder neulich die Sache mit der Steuerklasse 2. Und wieviele Regelungen gelten ohnehin nur, bis man sie in Karlsruhe in den Rhein wirft. Man wird irgendwann müde, wenn einem in immer kürzeren Abständen solche Rohrkrepierer unterkommen.
Zitat
Wie angedeutet: mE nach wird §146 Abs. 2 AO schnell zu einem täglichen Hindernis in der Praxis werden, wenn der Trend zum Outsourcing in dem Maße anhält, wie er derzeit ist.

Das kommt auch darauf an. Dir muß ich nicht sagen, daß, wenn zwei das Gleiche tun ...
Siemens geht mit seiner Buchhaltung, wie zu hören war, von München nach Prag. Das ist wahrscheinlich etwas anderes, als wenn Du nach Potucky auslagern würdest: dorthin könnte der Schwarzenberger Finanzbeamte ja immerhin noch vom nächsten deutschen Bahnhof in zehn Minuten zu Fuß gehen.

Grüße,
Peter
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Hallo,
ich bin der Meinung das das Steuerberatungsgesetz genau gesetzwidrig
ist wie die Handwerksordnung. Denn es verstösst gegen mehrer § des GG und eine ganze Reihe von EU-Vorschriften. Aus welchem Grund auch, das liegt Problem bei der EU vor, aber sie will nicht gegen BRD vorgehen und die Einhaltung von EU-Gesetzen und Vorschriften einfordern.
Zum Beispiel ist im Freistaat Sachsen auf Grund des OVG es erlaubt,
Fördermittelberatung durch Unternehmensberater durchzuführen, im Rest der BRD noch verboten (dürfen nur Steuerberater und RA und zugelassene staatliche Behörden durchführen.
Eberhard
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"bu" schrieb
Hallo,
ich bin der Meinung, dass das Steuerberatungsgesetz genau so gesetzwidrig ist wie die Handwerksordnung. Denn es verstösst gegen mehrere §§ des GG und eine ganze Reihe von EU-Vorschriften. Aus welchem Grund auch, das Problem liegt bei der EU vor, aber sie will nicht gegen die BRD vorgehen und die Einhaltung von EU-Gesetzen und Vorschriften einfordern.
...
Eberhard


Hallo Eberhard,

zunächst muß festgestellt werden, daß in Deutschland gegen gesetzliche Regelungen mit wenigen Ausnahmen nur gerichtlich vorgehen kann, wer durch sie beschwert ist.
Weil die StBK aber selten Gelegenheiten ausgelassen haben, selbständige Buchhalter gerichtlich zu verfolgen und es hierzlande mindestens zwei Berufsvereinigungen der Buchhalter mit mehreren tausend Mitgliedern gibt, gehe ich davon aus, daß gegen diese Regelungen nicht nur einmal beim BVerfG Verfahren anhängig gemacht worden sind. Möglicherweise sind einige der bisherigen Modifizierungen des StBerG auf solche Verfahren zurückzuführen, eine generelle Beeinträchtigung der Berufsfreiheit wurde aber offenbar vom BVerfG nicht gesehen oder es wurden andere Güter höher bewertet. Somit hilft Deine Einschätzung gegenwärtig nicht wirklich weiter.

M.E. haben die Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet des Steuerrechts (mit Ausnahme der USt) noch eine höhere Souveränität gegenüber der Europäischen Kommission, wobei nicht nur Deutschland restriktive Regelungen bezüglich der Erlaubnis zu geschäftsmäßiger Beratung in fremden Rechts- und Steuerangelegenheiten kennt. Es ist daher nicht sachgerecht, der Kommission Zögerlichkeit vorzuwerfen, denn sie hat mehrmals bewiesen, daß sie Europäische Regelungen auch gegenüber Deutschland sehr wohl durchzusetzen weiß.
Ein aktuelles Beispiel ist die kürzlich ergangene Aufforderung zur Stellungnahme bezüglich einer deutschen Regelung zur Wegzugsbesteuerung, kaum daß eine äquivalente französische Regelung vom EuGH für gemeinschaftsrechtswidrig befunden wurde.

Grüße,
Peter
Gast
Hallo in die Runde, auch wenn diese schon gegangen ist :lol: !

In diesem Zusammenhang fällt mir doch gerade eine evtl. bedeutende Gestaltungsmöglichkeit in den Sinn:

Nachdem sich die EU-Kommission mit diesem "deutschen" Problem auseinandergesetzt und die Regelung getroffen hat, "wer es in seinem Ansässigkeitsstaat darf, darf es auch in einem anderen Mitgliedsstaat..." (so sinngemäß).

Also der österreichische Buchhalter darf in Deutschland das, was er in Österreich auch darf, und was sein deutscher Kollege in Deutschland nicht darf, darf er in den übrigen Mitgliedsstaaten auch nicht...

Wie sehen innerhalb der EU eigentlich die Befugnisse aus? Gibt es irgendwo einen EU-Vergleich?

Mir fiel das jetzt insbesondere mit der Rechtsform einer Ltd. in Deutschland ein...

Leider weiß ich wie gesagt nicht, wie die diesbezüglichen Befugnisse in England geregelt sind, ob es ein vergleichbares StBerG auch in UK gibt. Aber könnte es angehen, daß ein deutscher Buchhalter hingeht, in England eine Ltd. gründet und die Tätigkeit in Deutschland nach britischem Recht ausübt, vorausgesetzt er darf dies in UK?

Gruß

Gerd
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Hallo Gerd,

Das Thema ist noch brandaktuell, denn erst kürzlich wurde im Forum des BVBC ( http://www.bvbc.de => Forum -> Selbständigkeit -> Steuerfahndung) darüber diskutiert, was einer Buchhalterin widerfuhr, der man nichts anderes als die Erstellung von UStVA für ihre Kunden vorgeworfen hat (vgl. dazu bspw. http://www.kwt.or.at/ oder http://www.mcsaldo.at zu Befugnissen und Zulassungsvoraussetzungen der Buchhalter in Österreich). Das ist bundesdeutsche Wirklichkeit, die mit Harrys Meinungsäußerung so nicht unter einen Hut zu bringen ist.

Ich kann Dir nur empfehlen, Dich wirklich eingehend rechtlich beraten zu lassen, bevor Du Ideen wie die angesprochene in die Tat umsetzt und Dir damit ggf. genauso nette Gäste ins Haus holst, wie sie die o.g. Kollegin gehabt hat.

Grüße,
Peter
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Insgesamt scheint aber gerade durch die Ltd. etwas in Bewegung geraten zu sein, was endlich dazu führen könnte, daß die vier Grundfreiheiten, die seit Maastricht im Prinzip geltendes Recht sind, auch wirklich angewandt werden. Die Apotheker wissen beispielsweise, was ich meine ;-) Die schwache Beteiligung bei der Europawahl und die völlige Emotionslosigkeit, mit der der letzte 1. Mai begangen wurde zeigen aber, daß Europa derzeit noch abstrakt ist, ein undemokratischer, unerkannter Regelungsgeber, dem man außer Korruption und Schlimmerem nicht viel zutraut. Damit ist die ganze Problematik der beratenden Berufe, die ja über die Auseinandersetzungen hinsichtlich §§2-4 StBerG beiweitem hinausgeht, mit der Frage nach der Einführung der Demokratie in Europa verbunden. Dies kann mE nach auf zwei Arten geschehen, eine natürliche und eine unnatürliche. Die unnatürliche wäre, daß die Völker Europas über die Verfassung und auch sonst die Zukunft Europas abstimmen und ihre Geschicke fortan selbst regeln, unnatürlich, weil man Volkes WIlle außerhalb der wohlklimatisierten Räume des Politbüros... ähem!!, der Kommission gelassen hat. Die natürliche Methode ist, daß die Märkte langsam einen volkes Willen genehmen Zustand herstellen, und die Ltd., die sich schon jetzt sehr als Firewall gegen Haftung und Bürokratie erwiesen hat, könnte einer der Hebel werden. Das passiert schrittweise schleichend, und daß dabei einige Existenzen den Bach runter gehen und viele Juristen eine Menge Gehirnschmalz nutzlos vergeuden, ist betriebliche Übung in Deutschland... Es dürfte aber spannend sein, da zuzusehen...


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