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Welche Beweiskraft hat eine Gutschrift

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Hallo,
ich habe Probleme mit folgenden Übungsfall.

Zwei Baufirmen (Auftraggeber A (deutsche KG) und Subunternehmer S(rumänischer Unternehmer) schließen einen Vertrag über Rohbauarbeiten in Rumänien (vor EU-Beitritt) ab. Vereinbart werden 5 % Gewährleistungseinbehalt für 5 Jahre, Gerichtsstand Deutschland. Der rumänische Subunternehmer stellt über seine Leistungen einzelne Rechnungen und zum Ende der Bauzeit eine Gesamtschlussrechnung. Man einigt sich auf eine Schlussrechnungssumme und erhält dabei eine Überzahlung und den Abzug für die 5 % Gewährleistung. Der Rumäne schreibt jetzt eine Gutschrift über die Überzahlung und den Gewährleistungseinbehalt, korrigiert die Umsatzsteuer usw. Eigentlich hat er noch das Recht auf den Gewährleistungseinbehalt, da ihm dieser zusteht, aber erst in 5 Jahren fällig wird, hat diesen aber auch (fälschlicherweise) gutgeschrieben. Der deutsche Bauunternehmer bucht die Gutschrift in voller Höhe und kürzt damit seine Verbindlichkeit gegenüber dem Rumänen. Buchhalterisch kein Problem.
Nach 5 Jahren kommt der Rumäne und möchte seinen Gewährleistungseinbehalt ausgezahlt bekommen. Der deutsche Bauunternehmer weigert sich mit der Begründung, eine Gutschrift erhalten zu haben. Die Forderung sei damit nicht mehr in Rechnung gestellt und die damalige Schlussrechnung völlig ausgeglichen. Außerdem wäre das ganze jetzt verjährt und kann auch nicht neu in Rechnung gestellt werden.

Viel Ausgangsmaterial, aber jetzt die Fragen:
1. Hat der Deutsche Recht? Ist eine Gutschrift bindend, auch wenn Fehler drin sind?
2. Kann sich der Rumäne auf einen Inhaltsirrtum oder Erklärungsirrtum beziehen?
3. Oder kann der Rumäne die Gutschrift komplett ignorieren und sagen, dass er ja den vertraglichen Anspruch auf den Einbehalt hat?

Unstrittig ist, dass der Rumäne eigentlich einen Anspruch auf den Einbehalt hätte, wenn er nicht die falsche Gutschrift erstellt hätte.

Es wäre schön, wenn jemand kreative Ideen (und eventuell ein paar Gesetzesfundstellen oder Urteile) dazu hätte. Die 10 Punkte hätte ich nämlich schon gerne.
Mitglied
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Schön, dass von euch auch keiner eine Idee hat. Dann bin ich wenigstens nicht allein. :?
Moderator
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Beiträge: 576
Ich werde es mal versuchen.
Zu erfragen wäre hier, ob es sich bei diesem Bauvertrag als VOB oder als BGB Vertrag handelt.

zu 3.
Ich sehe diese Gutschrift als Schlussrechnung an.
Folgende Voraussetzungen zur Legung einer Schlußrechnung sind erforderlich:
Die erbrachte Leistung muß abgenommen sein (§ 641, I, 1 BGB).
Der Auftragnehmer muß eine "Schlußrechnung" gestellt haben (§ 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B).
Ab Schlußrechnungs-Zugang müssen 2 Monate vergangen sein (§16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B).


Das Landgericht Freiburg (Urteil vom 15. 8. 1989, NJW-RR 89, 1297) hat hierzu entschieden, daß unter dem Begriff der Schlußrechnung eine Rechnung zu verstehen sei, aus der erkennbar sei, welche Vergütung der Auftragnehmer endgültig aus dem betreffenden Bauvertrag beanspruche. Dies komme in der Regel zwar durch den Gebrauch des Wortes "Schlußrechnung" zum Ausdruck, könne aber auch auf andere Weise kenntlich gemacht werden.

Also komplett ignorieren halte ich für nicht rechtens.

nächster Unterpunkt.

nach VOB
Wird der Gewährleistungseinbehalt als Sicherheit durch Hinterlegung von
Geld geleistet, so hat der Auftragnehmer den Betrag bei einem zu vereinbarnden Geldinstitut auf ein Sperrkonto einzuzahlen, über das beide verfügen können. (§ 17 Nr. 5 VOB/B).
Dies ist hier nicht erfolgt. Der AN hat nur eine Schlußrechnung in Form einer Gutschrift gelegt.
Der AG hat keine Sicherheitsleistung einbehalten.

nach BGB
BGB § 232 Arten
(1) Wer Sicherheit zu leisten hat, kann dies bewirken
durch Hinterlegung von Geld
oder Wertpapieren,
durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder Landesschuldbuch
eines Landes eingetragen sind,
durch Verpfändung beweglicher Sachen,
durch Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in
einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen
Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an
inländischen Grundstücken.
(2) Kann die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden, so ist die Stellung
eines tauglichen Bürgen zulässig.
BGB § 233 Wirkung der Hinterlegung
Mit der Hinterlegung erwirbt der Berechtigte ein Pfandrecht an dem hinterlegten Geld
oder an den hinterlegten Wertpapieren und, wenn das Geld oder die Wertpapiere in das
Eigentum des Fiskus oder der als Hinterlegungsstelle bestimmten Anstalt übergehen,
ein Pfandrecht an der Forderung auf Rückerstattung.


zu 2.

BGB § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder
eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung
anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei
verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche
Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

BGB § 121 Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern
(unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund
Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als
rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden
ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn
Jahre
verstrichen sind.

Dem AN wurde eine Schlußrechnungssumme -5% ausgezahlt, was
beiden Parteien bewußt war, da vertraglich vereinbart wurde
95% auszuzahlen und 5% einzubehalten.

Jetzt wäre noch interessant für mich, wie die Gutschrift (Schlußrechnung) ausgestellt wurde.
Richtig wäre hier die Schlußrechnungssumme, ermittelt durch den Abzug der Gutschriftsforderung und dann der Anbzug des Gewährleistungseinbehaltes.

Mit der Anfechtbarkeit wegen Irrtums könnte man es auf jeden Fall versuchen.

zu 1.

Ich denke, dass der AN seinen Anspruch behält.
Er muss es einem Gericht nur glaubhaft machen. ^^
Vollkommen unsicher bin ich mir in der Frage der Verjährung.

BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

BGB § 197 Dreißigjährige Verjährungsfrist
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten,
2. familien- und erbrechtliche Ansprüche,
3. rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4. Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder.................


Es sollte erstmal festgestellt werden, ob eine Verjährung vor liegt.
_______________
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Mitglied
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Beiträge: 111
Ort: Nähe Schweinfurt
Hallo Wade,

danke für die Antwort.

Es sollen mehrere einzelne Rechnungen während der gesamten Bauzeit gewesen sein. Bei der Endverhandlung wurden (nach Angabe auf einem gesonderten Blatt, keine Rechnung) eine Gesamtsumme für das Bauvorhaben ermittelt. Diese war schon niedriger als die Summe aller bisherigen Rechnungen. Auf die ermittelte Summe wurden nochmals die 5 % Gewährleistung abgezogen.

Summe Bauleistung netto: € 90.000,--
bisher geleistete Zahlungen: € 100.000,--
Überzahlung: € -10.000,-- (das wäre die richtige Netto-Gutschriftssumme gewesen)
Gewährleistung 5%: € 4.500,--




Die Rechnung/Gutschrift sieht sinngemäß so aus:

Rechnungssumme alt: € 100.000,-- Umsatzsteuer 22 % € 22.000,-- Bruttore.summe alt: € 122.000,--
Rechnungssumme neu: € 85.500,-- Umsatzsteuer 22 % € 18.810,-- Bruttore.summe neu: € 104.310,--
Gutschriftsumme: € -14.500,-- Umsatzsteuer 22 % € - 3.190,-- Gutschrift brutto: € -17.690,--

Auf der Gutschrift soll auch das Wort Gutschrift stehen.

Beide Parteien waren sich über die € 90.000 Bausumme netto einig. Und sie waren sich scheinbar auch über den 5% Einbehalt einig. Nur die Gutschrift wurde falsch (zu hoch) ausgestellt.


Wenn ich dich jetzt richtig verstanden habe, dann hat der AN seine Schlussrechnung (Gutschrift) mit einer bestimmten (falschen) Summe gestellt. Aufgrund dieser Rechnung hat der AG davon ausgehen können, dass der AN nicht mehr Geld will, als auf der Rechnung steht. Diese Summe wurde bezahlt. Also (gestellte) Rechnung zu 100 % beglichen.

Der AN muss, wenn er seinen Irrtum bemerkt, unverzüglich anfechten. Muss so eine Anfechtung einer gewissen Form unterliegen? (Z. B. so etwas wie: Ich fechte meine Willenserklärung vom XX wegen Inhaltsirrtum an.) Wenn der AN also eine ganze Zeit lang nur hin und her schreibt und mit Rechtsmittel droht und den normalen Mahn- und Klageweg einhält, obwohl ihm klar sein müsste, dass seine Gutschrift Mist war, er aber nie seine eigentliche Gutschrift anfechtet, dann müsste seine Anfechtungsfrist eigentlich verstrichen sein.

Sehe ich das alles zu einfach?


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