Mißverständliche Begriffe im Rechnungswesen

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Der Einstieg in das Rechnungswesen wird dem Lernenden nicht immer leicht gemacht. Das hängt zu wesentlichen Teilen auch mit dem Gesetzgeber zusammen, der durch mißverständliche Begriffe die bei Anfängern so häufigen Verwechslungen überhaupt erst herbeiführt. Eine grundlegende Überarbeitung der Terminologie von Gesetzen und anderen Rechtsquellen wäre dringend erforderlich, jedenfalls aus didaktischen Gründen.

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So sind "Anschaffungskosten" selbstverständlich gerade keine Kosten. Sie heißen so, sind es aber nicht. Eine Anschaffung ist zunächst vielleicht eine Ausgabe, und dann eine Auszahlung – was auch nicht dasselbe ist, aber keine Kostenart. Der mißverständliche Begriff führt aber zu Irrtümern wie etwa dem unsinnigen Begriff der sogenannten "Investitionskosten".

Auch "Werbungskosten" sind so ein Fall: der Begriff kann die Kosten für Werbemaßnahmen wie Inserate oder Internet-Banner bezeichnen, oder im Sinne des §9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bezeichnen. Dann aber hat er überhaupt nichts mit Werbung im eigentlichen Sinne zu tun.

Überhaupt das Steuerrecht: das spricht von "Betriebsausgaben", meint aber in Wirklichkeit "Betriebsaufwendungen" oder "Betriebskosten". Ausgaben an sich sind nämlich steuerlich stets unerheblich, nur auf entsprechende Aufwendungen kommt es an. Aber auch hier sind Verwechslungen häufig, denn der Begriff kann sich auch auf Aufwendungen eines Immobilienbesitzers für Dinge wie Energieversorgung und Hausmeisterdienste beziehen: Rechnungswesen-Anfänger können steuerliche und gebäudebezogene "Betriebsausgaben" oft weder als Aufwendungen identifizieren noch auseinanderhalten, und die Autoren von Klausur- und Prüfungsaufgaben können auf diese Weise prächtige Fallen zaubern.

Doch nicht nur oberflächliche Begriffsverwechslungen sind häufig, auch tiefgreifende prinzipielle Mißverständnisse werden vom Gesetzgeber geradezu gefördert: so müssen die Herstellungskosten im Sinne des §255 Abs. 2 HGB auch "angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens" enthalten, aber letzteres ist eben gerade keine Kostenart: handelsrechtliche und steuerliche Abschreibungen sind stets neutrale Aufwendungen und niemals Kosten. Gleiches gilt übrigens für Zinsaufwendungen, die ebensowenig Kosten sind, gleichwohl aber unter bestimmten Voraussetzungen in die Herstellungskosten einbezogen werden dürfen, §255 Abs. 3 Satz 2 HGB. Die sogenannten Herstellungs"kosten" eines Vermögensgegenstandes sind damit keine Kosten, sondern Aufwendungen. Überhaupt meint das Handelsrecht stets nur Aufwendungen, wenn es von Kosten spricht. Das einem Anfänger klarzumachen, ist keine leichte Aufgabe.

Hier haben uns die Techniker etwas voraus: sie haben für alles wohldefinierte begriffliche Grundlagen, die auch überall präzise und sauber kommuniziert werden. Die Kaufleute, die meist nicht auf Naturgesetzen sondern auf Rechtsvorschriften aufbauen, sollten sich in ihren Regelwerken einer ebenso klaren und unmißverständlichen Sprache bedienen. Leider ist eine diesbezügliche grundlegende Reform der Rechtsterminologie aber nirgendwo in Sicht, denn sie taugt nicht zur staatlichen Einnahmeerzielung. Wir werden also wohl weiter mit vielfältigen Doppeldeutigkeiten und begrifflichen Verwirrungen leben müssen.

Links zum Thema: Praxistip: Elementarfehler bei der Kostenrechnung vermeiden | Anschaffungskosten: Konkrete Beispiele für die Aktivierung nach §255 Abs. 1 HGB | Der Erbsenzähler am Werk: spitzfindige Definitionen im Zahlungsbereich | BilMoG: die Neufassung der handelsrechtlichen Herstellungskosten | Irrungen und Wirrungen der Kostenrechnung: warum Bankzinsen keine Kosten sind (interne Links)

Literatur: Zingel, Harry, "Kosten- und Leistungsrechnung", Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9, Amazon.de

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