Durch die Bilanzrechtsmodernisierung wurde bekanntlich der Maßgeblichkeitsgrundsatz abgeschafft. Steuer- und handelsrechtlicher Abschluß sind damit jetzt zwei voneinander unabhängige Zahlenwerke, die auf jeweils selbständigen Rechtsvorschriften beruhen. Die Tragweite dieser scheinbar kleinen Rechtsänderung dürfte vielen Bilanzierenden aber erst im Laufe der kommenden Jahre aufgehen, denn mangels Maßgeblichkeit sind jetzt auch steuerlich unzulässige Abschreibungsmethoden handelsrechtlich (wieder) möglich. Das erlaubt, den tatsächlichen Wertverlauf eines Anlagegutes besser abzubilden. Wir demonstrieren das am Beispiel der progressiven Abschreibung, die nunmehr der Versenkung entsteigt:
Bei der progressiven Abschreibung steigt der Abschreibungsbetrag und damit der Wertverlust mit der Zeit. Am Anfang der Nutzungsdauer eines Anlagegutes werden als nur geringe Wertverliste gebucht und gegen Ende immer größere. Die Methode ist also das genaue Gegenteil zur degressiven Abschreibung, wo am Anfang die größten Wertverluste entstehen. Während die degressive AfA zu Beginn der Nutzungszeit einen Steuervorteil verschafft, und daher auch immer Gegenstand politischer Manipulationen nach Kassenlage war, ist der faktische Wertverlust vieler technischer Anlagegüter zu Beginn gering und steigt dann an, weil mit der Zeit neue Technologien und bessere Vergleichsprodukte auf den Markt kommen. Hier wäre also eine steuerlich degressive AfA mit eienr handelsrechtlich progressiven Abschreibung zu kombinieren.
Betrachten wir ein Beispiel: ein Anlagegut im Wert von 44.000 Euro soll über zehn Jahre abgeschrieben werden. Während steuerlich die degressive AfA gewählt und nach einigen Jahren i.S.d. §7 Abs. 3 EStG auf das lineare Verfahren gewechselt wird, soll handelsrechtlich progressiv abgeschrieben werden. Das geht mit Hilfe des Abschreibungsfaktors:
Dieser Faktor mal die Anzahl der Jahre ist die Abschreibung pro Jahr. Das führt zu einer Abschreibungstabelle mit ansteigendenn Abschreibungsbeträgen, denn die Anzahl der Jahre steigt ja an:
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Im Beispiel ist gut zu sehen, daß die Abschreibungsbeträge im Laufe der Zeit ansteigen, und daher der Zeitwert am Anfang langsam und dann immer schneller abnimmt. Dies könnte den tatsächlichen Wertverlauf eines Anlagegutes besser als die degressive oder die lineare Abschreibung abbilden.
Handelsrechtlich ist das mit der Bilanzrechtsmodernisierung wieder möglich; ein Wermutstropfen bleibt indes: durch eine solche Abweichung der steuerrechtlichen von der handelsrechtlichen Bewertung entstehen latente Steuern. Das macht die Sache komplexer, als sie eigentlich ist. Viele Bilanzierende werden daher aus Kosten- und Vereinfachungsgründen möglicherweise die neuen Möglichkeiten nicht nutzen, und handelsrechtlich weiterhin das ansetzen, was sie steuerrechtlich machen.
Links zum Thema: Bilanzrechtsmodernisierung: Gesamtübersicht über die Reformen | BilMoG: vom Ende der Maßgeblichkeit |Totgesagte leben länger: die degressive AfA entsteigt der Versenkung | AfA-Rechner für Excel u.a. auch mit progressiver AfA (interne Links)