KarstadtQuelle: Eine gescheiterte Diversifikation?

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Da alleine bei Opel über Zehntausend Beschäftigte ihren Job verlieren sollen (von den Zulieferern spricht noch niemand), droht Bochum nunmehr ein Schicksal wie einst der ehemaligen DDR. Anders als hier wehren sich die dortigen Arbeiter, was den Beinahe-Absturz von KarstadtQuelle schon wieder aus den Medien verdrängt hat. Übrig bleibt das Standard-Mantra, es seien Managementfehler gewesen. Sogar die Bundesregierung behauptet das, mit der unseren Politikern nunmal eigenen vertieften Sachkenntnis.

Alleine viertausend Handelspleiten sollen es dieses Jahr schon sein, ein Pleitenrekord über den kaum noch einer spricht. Anders als die produzierende Industrie, die in alle Welt exportieren und damit die Krise in Deutschland weitgehend ignorieren kann, ist der Einzelhandel der innenpolitischen Krise vollumfänglich ausgesetzt. Vom Angstsparen wegen Hartz IV über lähmende Bürokratie, einen betonierten Arbeitsmarkt bis hin zu einem undurchsichtigen Steuersystem und den viel zu hohen Zwangssozialversicherungsbeiträgen reichen die Hausnummern des jahrzehntelangen binnenwirtschaftlichen Stillstandes, den Schröder nur fortsetzt, nicht aber alleinig verantwortet. Und in keinem anderen Land der Welt können Gewerkschaftsbosse vormittags Blockadeaktionen organisieren und nachmittags an Aufsichtsratssitzungen teilnehmen. Nur diese unsägliche deutsche Mitbestimmung gebiert solche Monster.

Hierauf hat der Handel mehrere Reaktionen entwickelt, wirtschaftliche Umweltanpassungen, die in zwei Typen fallen: Geiz-ist-geil und wir-können-alles. Da ist einerseits die Billigwelle, die von Aldi bis zum MediaMarkt eine Vielzahl von Billiganbietern hervorgebracht hat. Mit Lockvogelangeboten wir den berühmten Aldi-Computern wird Verkehr ins Haus gebracht, und Umsatz, in eine inzwischen gutbesetzte Nische. Aber Karstadt ging einen anderen Weg.

Diversifikation ist die Verbreiterung des Sortiments in nichtverwandte Bereiche, was schwierig ist, weil hierzu auch sehr unterschiedliche Kompetenzen gefragt sind, aber auch als sichere Krisenabsicherung gilt: Stürzt eine Säule ein, stehen die anderen noch immer. So wundert es nicht, daß Karstadt auf Einkaufstour ging: Versandhäuser wie Quelle, einen Ausflug in den Tourismus, ein Beteiligungsgeflecht mit Fitneßstudios und Kaffehäusern, so entstand langsam ein gestreutes Sortiment und, so hoffte das Management, auch ein gestreutes Risiko. Das an sich ist kein Managementfehler, sondern Lehrstoff in jeder guten Grundlagenvorlesung.

Will man überhaupt von Fehlern sprechen, dann vielleicht von dem, daß die Geschäftsführung nicht erkannt hat, wie tief die Krise wirklich ist, denn Tourismus wie Fitneßbranche sind gleichermaßen betroffen. Man hat, sozusagen, noch immer nicht breit genug diversifiziert – weshalb auch die nunmehr offenbar geplante Entflechtung vermutlich nicht viel bringen wird, denn sie ist eine Symptomkur, nicht mehr. Wir brauchen eine Lösung der Krise, und die ist weder bei der Regierung noch bei der Opposition zu erkennen, sondern nur in einem radikalen Neuanfang. Aber dafür ist es noch lange nicht schlimm genug, selbst nicht mit fast neun Millionen Arbeitslosen.

Stattdessen wurden diesen Sommer Notstandsgesetze in Kraft gesetzt, und das Landwirtschaftsministerium ruft zu Notbevorratung auf. Ich beginne zu ahnen, weshalb.

Links zum Thema: 8,6 Millionen Arbeitslose – schon vor Beginn der Energierationierung | Wirtschaftssicherstellungsverordnung: Rot-Grün bereitet die Kommandowirtschaft vor | Landwirtschaftsministerium ruft zu Notbevorratung auf – aber weshalb? | KarstadtQuelle und Opel: Jetzt kriegen wir die Quittung | Hartz IV: Übersicht über die wichtigsten Details | Hartz IV: Endlich ein Dammbruch bei überfälligen Reformen oder der Anfang vom Ende? (interne Links)

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