Wie Kreativitätstechniken bei Prüfungen helfen

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Viele Prüfungskandidaten fallen durch, obwohl sie wissen, was sie wissen sollen, und das liegt nicht immer an Prüfungsangst. Dieser kleine Beitrag untersucht kreative Denkweisen der Autoren von Prüfungsfragen, und wie der Prüfungsteilnehmer darauf reagieren sollte. Obwohl sich dieser Beitrag hauptsächlich auf meine Erfahrungen mit Prüfungen vor einer Berufsakademie und einer IHK beruft, ist der doch allgemeingültig, denn die darin dargestellten Mechanismen sind vermutlich in allen Prüfungen mehr oder weniger ausgeprägt zu finden.

Reproduktive Fragen

Dieser Fragetyp ist auch als Auswendiglernfrage bekannt, und verrufen. Er besteht in der Abfrage gelernten Wissens und setzt die bislang leider noch immer fortgeführte Schultradition des Paukens und mechanischen Anwendens fort. Der Reproduktivfrage kann man mit Fleiß begegnen; etwa wissen die meisten Teilnehmer des erwähnten Betriebswirtelehrganges, was die Abkürzungen der Incoterms bedeuten, oder was Zweipunkteklauseln sind.

Anwendungsfragen

Etwas spannender wird es schon, wenn gelerntes Wissen kombiniert werden muß, etwa in jener Frage, in der die auf den Käufer eines per Seefracht versandten Gutes Versand- und Versicherungskosten aus den Zahlenangaben und der Sachverhaltsschilderung der Aufgabe berechnet werden mußten. Hier muß man die Incoterms nicht nur kennen, sondern auch anwenden – was noch erschwert werden kann, indem man absichtlich überflüssige Daten oder Informationen in die Fallschilderung oder der Frage vorausgehende Datensammlung einfügt. Während bei Reproduktivfragen die Basispunkte gesammelt werden können, machen solche Anwendungsfragen dem Korrektor schon viel weniger Arbeit…

Kreative Prüfungsfragen

Diese bestehen darin, daß primär dem Prüfungsteilnehmer bekannte Sachverhalte in ungewohnter Art und Weise zu kombinieren oder anzuwenden sind, sind also eigentlich Verschärfungen der Anwendungsfrage, von dieser aber dadurch unterschieden, daß die verlangten Denkmuster ungewöhnlich und neuartig sind. Die Break Even Rechnung ist ein gutes Beispiel, denn sie wird normalerweise auf der Basis von Mengendaten veranstaltet ("berechnen Sie die Break Even Stückzahl…"). Was aber tut man, wenn sie plötzlich ohne Mengendaten daherkommt? Hier ist die Verwirrung groß, und die Arbeit des Korrektors oft minimal.

Neue Anwendungen von Begriffen

Kreativität hat etwas damit zu tun, die Wirklichkeit neu zu erfassen, also Dinge zu denken, die keiner zuvor gedacht hat. Das kann in einer Prüfung ganz einfach reproduziert werden, indem man nach dem Projektstrukturplan fragt. Der Auswendiglerner denkt sofort an den Netzplan, oder vielleicht noch an das Gantt-Diagramm. Kreativ wäre es, den Begriff auseinanderzunehmen: Projektstrukturplan ist ein jeder Plan, der die Struktur eines Projektes abbildet, und damit u.U. auch das Organigramm der Projektabteilung, das Prüfungslyriker übrigens gerne auch als Kommunigramm bezeichnen, aber ebenso die Konstruktionszeichnung des Projektgegenstandes, die daraus abgeleiteten Stücklisten oder gar die hierarchische Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte der Projektaufgabe – alles Strukturen!

Querverbindungen und Elaboration

Noch schwerer ist es oft, Anwendungen quer zu Sachgebieten zu produzieren, weil das von Schulzeiten an nicht geübt wird. Die berühmte BSC-Frage war ein gutes Beispiel hierfür, so sehr sie auch (aus ganz anderen Gründen) kritisiert wurde: zunächst soll der Teilnehmer grundlegende Kennziffern kennen, die zumeist auf der Produktivitätskennziffer basieren – eine reproduktive Aufgabe. Dann sollten – ohne konkrete Vorgabe – aufgrund einer Fallschilderung eigene Kennziffern ausgedacht und in das Konzept der Balanced Scorecard eingefügt werden, also auf das begriffliche System dieses Verfahrens bezogen werden. Zwischen verschiedenen Sachverhalten (Qualitätsmanagement, Produktionstheorie, Management, Kennzahlenrechnung) müssen also Querverbindungen hergestellt und mit einem konkreten Ziel ausgebaut, also elaboriert werden – eine Simulation betrieblicher Tätigkeiten einer kreativen Management-Fachkraft, und damit sinnvoll, aber entgegen der erworbenen Fähigkeiten des Auswendiglerners, und daher Gegenstand vielfältiger Kritik.

Neues Lernen wird benötigt

Genau die hier angemahnte Fähigkeit können wir jetzt ausprobieren, wenn wir uns Gedanken darüber machen, weshalb diese Denkweise so schwer ist. Warum wird das nie geübt, warum scheitern so viele Prüfungsteilnehmer an scheinbar simplen Querverbindungen? Warum versagt schon die Schule dabei, aus der natürlichen Neugier und Kreativität des Kleinkindes die Genialität des Künstlers oder Forschers zu formen, so daß aus dem Volk der Dichter und Denker eines der Pisa-Versager wurde?

Die Untertanen-Mentalität

Wer verborgene Strömungen erkennt, wer Symptome in scheinbar sachfremden Zusammenhängen aufdeckt und in einheitliche theoretische Konzepte fassen kann, wie es Oswald Spengler (Der Untergang des Abendlandes) und Hans Sedlmayr (Verlust der Mitte mit einer unübertroffenen Meisterschaft verstanden haben, ist als Kind schwererziehbar, und als Erwachsener schwerregierbar, und beides ist unerwünscht, denn so einer könnte die wirklichen Motive der CO2-Neurose und des Nachhaltigkeits-Wahnes hinterfragen, und das gefährdet die Macht einer jeden durch induzierte Öko-Ängste und Kyoto-Repression gefestigten Regierung. Kurz, wer denkt, läßt sich viel schwerer gleichschalten. Keine Regierung kann das wirklich wollen. Das Gerede vom "mündigen Bürger" ist daher nur ein Vorwand für die möglicherweise durchaus beabsichtigte Absenkung des Volksbildungsniveaus. Scheinbar oder tatsächlich zurückgehende Prüfungsleistungen könnten damit ein Indikator für die wachsende Ideologisierung der Gesellschaft sein.

Links zum Thema

Break Even Rechnung: so versuchen die Prüfungslyriker Euch zu kippen! | Prüfung Betriebswirt/IHK vom 11. Juni: Die BSC-Frage | Wie aus Lernen Erfolg gemacht wird | Treibhausgasemissionsberechtigungen: Es wird ernst | Öko-Gleichschaltung: so weit sind wir schon gekommen (interne Links)

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