Wie lernt man für steuerrechtliche Prüfungen?

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Das deutsche Steuerrecht steht nicht ganz zufällig im Ruf, kompliziert zu sein. Gerüchte, die wir weder bestätigen noch dementieren können behaupten, daß zwei Drittel aller weltweit erscheinenden Texte über Steuerrecht in deutscher Sprache und über deutsches Recht publiziert werden. Kein Wunder, daß viele Prüfungsteilnehmer vor steuerrechtlichen Prüfungen einen gesunden Respekt haben. Es ist aber gar nicht so schwer, wenn man es nur richtig angeht.

Wichtiges von Unwichtigem trennen

So ist der wesentliche Erfolgsfaktor, Wichtiges zu erkennen und zuerst zu verstehen. Dann fällt es nicht mehr schwer, die weniger wichtigen Einzelheiten zu lernen, denn sie richten sich in ihrem materiellen Regelungsgehalt meist nach den grundlegenden Prinzipien einer Vorschrift. Dies ist der zentrale Erfolgsfaktor, und das nicht nur im Steuerrecht

Zum Beispiel das Einkommensteuerrecht

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I 1934, S. 1005), an dem seither die alliierten Besatzungsregime, alle Bundesregierungen der Nachkriegsrepublik, natürlich die Europäische Union und indirekt auch die DDR mitgewirkt haben. Es gilt als besonders komplex und unübersichtlich. Die Aufgabenlyriker der diversen prüfenden Körperschaften wissen das, und stellen die prächtigsten Prüfungsfallen. Dabei fällt ein Überblick über die Regelungen leichter als es den Anschein haben mag. Betrachten wir mal §2 EStG. Die Vorschrift ist gleichsam das Rückgrat des ganzen Gesetzes. Zunächst werden in Absatz 1 der Vorschrift die sieben Einkunftsarten eingeführt. Das nehmen wir erstmal zur Kenntnis. Hierauf folgen in Absatz 2 des Paragraphen die beiden Methoden der Einkünfteermittlung. Hier wäre es ein Fehler jetzt schon genau zu untersuchen, was das Steuerrecht unter "Gewinn" und unter "Werbungskosten" versteht; zu Anfang ist es nur wichtig zur Kenntnis zu nehmen, daß diese zwei Begriffe zwei verschiedene Definitionen desselben Begriffes darstellen. Die Einzelheiten folgen später. Dann lesen wir in den Absätzen 3, 4 und 5 jeweils nur den ersten Satz. Jetzt wissen wir, was der Unterschied zwischen Einkünften, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen und zu versteuerndem Einkommen ist. Diese Begriffe sind außerordentlich wichtig und werden in vielen Rechtsnormen zugrundegelegt, auch außerhalb des Steuerrechts. Erst jetzt macht es Sinn, in die Einzelheiten zu gehen, an denen es freilich im Steuerrecht nicht mangelt.

Grundlegende Vorgehensweise

Diese Vorgehensweise, Gesetze nicht von Anfang zum Ende, sondern vom Wichtigen zum Unwichtigen zu studieren, ist eine generelle Methode. Ein guter Dozent sollte seine Schäfchen dabei leiten, d.h. in der Lehrveranstaltung die wichtigen Grundlagen zuerst darstellen und möglichst in einprägsamer Form visualisieren. Das hilft in Prüfungen, denn wer die Einzelvorschrift nicht kennt, kann sie doch viel leichter finden, wenn er das grundlegende Prinzip beherrscht. Gleiches gilt auch für das inzwischen fast 2.800 Seiten starke Regelwerk der International Financial Reporting Standards. Viele Lehrgangsteilnehmer verzweifeln regelrecht an der Komplexität und am Umfang der Vorschriften. Dort fällt dem kundigen Leser aber sofort auf, daß die wichtigen Vorschriften jeweils in Fettdruck erscheinen. Das erleichtert, das Wichtige zuerst zu lesen und zu verstehen. Eines hat das internationale Rechnungswesen aber deutschen Gesetzen aber unstrittig voraus: Zahlenbeispiele und Hinweise zur Anwendung von Vorschriften. Mit solchen Hilfen werden die Anwender deutscher Vorschriften nicht beglückt. Leider. Ach ja: die Einzelheiten eines Regelwerkes zu verstehen und in ihrer Anwendung zu erlernen kann dennoch langweilig und mühselig sein. Doch auch hier gibt es eine Ausnahme: die findet man in §958 BGB (Grundregel) und in den §§961, 962, 963 und 964 BGB (Detailvorschriften). Ist das nicht eine leicht erlernbare Regelung?  

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