CAPEX, OPEX und der SNAFU im Rechnungswesen

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Anglizismen sind etwas Wunderbares: sie heben das Ansehen und befördern die Karriere dessen, der sie nutzt, sperren Unwissende durch Schaffung einer kryptischen Binnensprache aus und decken den Mantel der christlichen Nächstenliebe über die bisweilen erhebliche Inkompetenz dessen, der sie unkritisch einführt. Das gilt auch im Rechnungswesen, wo es ja bekanntlich ganz besonders auf die richtige Anwendung definitorischer Grundlagen ankommt. Schauen wir uns mal ein drastisches Beispiel an:

So fragte jemand im Forum für Betriebswirtschaft (konkrete Diskussion), ob der Erwerb von Softwarelizenzen denn als OPEX oder als CAPEX zu erfassen sei. Hier ist zunächst zu klären, daß "OPEX" die Abkürzung für "Operational Expenditure" ist und "CAPEX" das kryptische Kürzel für "Capital Expenditure", zwei prachtvolle Anglizismen.

Hier ist aber nicht nur ein sprachlicher Gernegroß am Werk gewesen, sondern auch jemand, der mit solchen wohlklingenden Abkürzungen seine offenbar fundamentale Inkompetenz verdecken will. Die Erläuterung der beiden Begriffe aus dem internen Handbuch des Unternehmens demonstriert, warum:

"CAPEX", so heißt es dort nämlich, sind die "Investitionskosten", also "Kosten für den Erwerb längerfristiger Anlagegüter". Das ist wahrlich schmerzhaft: die Anschaffung von Investitionsgütern verursacht nämlich gerade keine Kosten. Sie führt nur zu Auszahlungen (und bisweilen vorher zu Ausgaben), niemals aber zu Kosten. Der Begriff "Investitionskosten" ist also ein Widerspruch in sich, ein Unwort, ein Anlaß, in einer mündlichen Prüfung durchzufallen. Dabei ist die Abkürzung "Capital Expenditure" sogar dem Grunde nach richtig, wurde hier aber völlig falsch übersetzt. Englisch kann der sprachliche Gernegroß also auch nicht.

Noch schlimmer aber ist die interne Erläuterung für "OPEX": "Dazu zählen beispielsweise der Kauf von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, sowie die Personalkosten" heißt es in besagtem Handbuch. Au weia: der Kauf von Material und Waren führt ebenfalls nicht zu Kosten, sondern ist schon aufgrund des Vollständigkeitsgrundsatzes (§246 Abs. 1 Satz 1 HGB) stets zu aktivieren (mehr dazu im Zusammenhang mit dem Warengeschäft). Erst die Entnahme der Güter für Zwecke der Produktion oder des Verkaufes ist eine Kostenart. Auch hier war dem anonymen Anglizisten ganz offenbar was Wichtiges nicht bewußt.

So verdecken wohlklingende fremdsprachliche Abkürzungen die eigene Inkompetenz, und führen auf diese Weise zu einem SNAFU im Rechnungswesen. SNAFU?? System normal, all fucked up. Das ist, ohne verbale Angeberei, was wir an dieser Stelle immer als undurchdachte Praktikerlösung bezeichnet haben, denn die unkritische und falsche Anwendung solcher fremdsprachlichen Protzereien verdeckt die Arbeit, die wirklich gemacht werden muß: so muß wer die Anschaffung einer Software bucht erst prüfen, ob dies als Ware oder zur eigenen Nutzung beschafft wird, dann untersuchen, ob §6 Abs. 2, 2a EStG anwendbar ist und schließlich in diverse andere Rechtsquellen schauen, z.B. das BMF-Schreiben vom 18.11.2005 (IV B 2 – S 2172 – 37/05), die Schreiben der OFD Chemnitz vom 28.07.2005 (S 2172 – 14/8 – St 21), der OFD Frankfurt vom 07.05.2002 (S 7240 A – 9 – St I 22) und der OFD Koblenz vom 29.09.1998 (S 7100 A – St 51 2) und natürlich auch in R 5.5 EStR gucken, die übrigens bis heute §6 Abs. 2a EStG widerspricht. Insgesamt gibt es über hundert (!) möglicherweise zu berücksichtigende Fundstellen – von IAS 38 mal ganz zu schweigen. Ja, das ist eine harte Arbeit. Und Steuerrichtlinien klingen beiweitem nicht so vollmundig wie CAPEX oder OPEX. Aber sie zu ignorieren, führt todsicher zu einem SNAFU…

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