»Morbi-RSA«, oder was die Deutschen unter Marktwirtschaft verstehen

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Aufgrund des Vorschlages des Schätzerkreises beim Bundesversicherungsamt (und der liebevollen Arbeit der Zwangskassen-Lobby) hat die Bundesregierung am 5. Oktober einen Beitragssatz in Höhe von 15,5% für alle gesetzlichen Krankenkassen für die Zeit ab 2009 beschlossen. Die Politik spricht von Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit, Kritiker von Sozialismus und Staatsmedizin. Sind Einheitspreise und Pflichtleistungen, was man in Deutschland unter Marktwirtschaft versteht?

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Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Steuerzahler werden ab kommendem Jahr gleichermaßen in den Gesundheitsfond einzahlen, aus dem die langsam schwindenden Leistungen des staatsmedizinischen Systems finanziert werden sollen. Konnte der Zwangsversicherte seinen Unmut bisher noch durch einen Wechsel der Krankenkasse kund tun, so bringt ihm das aber ab 2009 mindestens eines nicht mehr: niedrigere Beiträge. Dann nämlich müssen alle Kassen die nunmehr vom Politbüro beschlossenen 15,5% Prozent nehmen. Und haben noch weniger Anreiz zu ökonomischen Verhaltensweisen.

Aus dem Fond bekommt nämlich jede Krankenkasse Geld, aber ohne Wettbewerb und ohne Markt. Nur nach dem durchschnittlichen Gesundheitszustand ihrer Mitglieder. "Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich" heißt das planwirtschaftliche Monster, oder einfach "Morbi-RSA". Anreize zum Sparen oder für kostengünstigen Einkauf von Leistungen z.B. bei preisgünstigen Anbietern bestehen hier indes nicht, denn so erzielte Einsparungen können nicht an die Zwangsversicherten weitergegeben werden. Ein sozialistisches Plansystem, aber ohne die einstige sozialistische Ideologie. Nicht einmal ein Anreiz, "gesunde" Kunden zu werben: eine Kasse, die viele Alte und chronisch Kranke als Kunden hat, bekommt mehr Geld. Ganz ohne dafür etwas tun zu müssen. Auch ganz ohne Vernunft bei den Leistungen walten zu lassen, so daß Vorsorgeuntersuchungen oder zahnärztliche Betäubungsspritzen weiterhin aus dem Leistungskatalog gestrichen werden: werden die Leute kränker, weil sie Vorsorgeleistungen nicht oder erst zu spät in Anspruch nehmen, dann zahlt der Gesundheitsfonds mehr Geld ganz so wie der Pflegedienst mehr Geld für kränkere Kunden kriegt, ein Anreiz, krankzupflegen. Ein krankes System…

Die jetzt zum Jahreswechsel ins Werk gesetzte Kostenexplosion von ca. einem Prozentpunkt dürfte niemandem außer der monströsen Geldverteilungsmaschine zugute kommen. Das also sind die Transaktionskosten des Fonds. Leistungen für Kranke werden dadurch nicht besser. Und später werden sie es vermutlich auch nicht, denn wenn wir weiter an das Märchen von der kollektiven Vollversorgung glauben, werden wir nicht die Versorgung der Kranken verbessern, sondern die Beraubung der Gesunden verschärfen. Das aber geht nur so lange gut, wie die sich das noch gefallen lassen.

Die Sache zeigt, daß man in Deutschland nach zwei gescheiterten sozialistischen Experimenten noch immer nichts dazugelernt hat. Umlagefinanzierte Systeme funktionieren nur bei einer wachsenden Wirtschaft und einer jungen, also ebenfalls wachsenden Bevölkerung. Beides ist derzeit in Deutschland nicht einmal im Ansatz gegeben. Man hätte sich dem Druck der Demographie schon vor Jahrzehnten beugen und komplett auf individuell finanzierte Vorsorge umstellen können, doch je länger man damit wartet, desto härter, und desto teurer, wird der Absturz bei Insolvenz des Fonds. Doch selbst bei Defacto-Abgabenquoten über 70% scheinen weder der schlafmützige Michel noch Merkels großkoalitionäres Politbüro in Berlin aufzuwachen. Wer aber heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen. Das weiß im Prinzip jeder Kleinunternehmer, nur in der Politik hat man das noch immer nicht begriffen.

Links zum Thema: Menschenverachtend: das Pflegestufen-System der Pflegeversicherung | Realabgabenquote bei Arbeitnehmern (interne Links)

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