Kapitalwert- und Effektivzinsrechnung: mit einfachen Sachen Freude machen…

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Unmittelbar vor Beginn der diesjährigen Herbstprüfungen an den Industrie- und Handelskammern wird überall fleißig gelernt. Bestimmte Dinge gehören dabei zum Standardrepertoire, zum Beispiel die Kapitalwertrechnung und die interne Zinsfußrechnung. Wer hier "Mut zur Lücke" beweist, der begeht einen schweren Fehler. Dabei können die Prüfungslyriker auch schon mit so einfachen Sachen viel Freude machen:

Die meisten Aufgabengestaltungen im Bereich der Kapitalwertrechnung werden nämlich auf eine bestimmte Art und Weise geübt. Schon eine kleine Änderung der Fragestellung bringt die aus dem Konzept, die nur auswendig gelernt haben. Es ist also unerläßlich, die Sache vertieft zu verstehen anstatt sie nur mechanisch zu wiederholen.

Ein Beispiel zeigt dies: Ein örtlicher Industriebetrieb liefert sich einen heftigen Konkurrenzkampf mit einem Wettbewerber vor Ort. Nachdem der Konkurrent Insolvenz anmeldet, wird sein Maschinenpark vom Insolvenzverwalter versteigert. Sie möchten auf der Auktion gerne einen Bearbeitungsautomat erwerben, der zu den größten Wettbewerbsvorteilen des Konkurrenten beigetragen hatte. Die Anlage stellt ein bestimmtes Kunstsoffteil her, das Sie am Markt verkaufen können. Die Maschine ist in gutem Zustand und kann noch vier Jahre genutzt werden. Sie rechnen mit den folgenden Zahlungsdaten für diese vier Jahre:

 

 
Jahr Einzahlungen Auszahlungen
1 190.000,00 € 175.000,00 €
2 210.000,00 € 170.000,00 €
3 200.000,00 € 140.000,00 €
4 170.000,00 € 160.000,00 €

 

Um die Anlage nach der Auktion am Ort des insolventen Konkurrenten zu demontieren, zu Ihrem eigenen Werk zu transportieren und dort aufzubauen, rechnen Sie mit Kosten i.H.v. 20.000 Euro, die sofort zur Zahlung fällig sind. Ferner müssen Sie für 4.000 Euro ein Fundament errichten lassen. Auch dieser Betrag ist zur sofortigen Zahlung fällig. Sie rechnen mit einem Mindestrentabilitätszins in Höhe von Rmin = 12%.

Ihr Einkäufer bittet zunächst um Instruktionen für die Teilnahme an der Auktion. Berechnen Sie den maximalen Preis, den der Einkäufer auf die Maschine bieten darf, und begründen Sie ihre Rechnung. Der Einkäufer erhält dann den Zuschlag bei einem Kaufpreis i.H.v. 54.000 Euro. Unter dieser Voraussetzung soll die angenäherte tatsächliche Verzinsung, die die Maschine vermittelt, wenn Versuchszinsen i.H.v. 18% und 24% zugrundegelegt werden.

Arhgg!

Im ersten Teil der Aufgabe liegt der Schwierigkeitsgrad darin, daß von der "normalen" Präsentation solcher Probleme abgewichen wird. Während "normalerweise" eine Anschaffungsauszahlung genannt wird, soll diese erst berechnet werden. Man muß also gleichsam "rückwärts" denken. Wer sich zu wenig Zeit genommen hat, solche Fallgestaltungen zu üben, und stattdessen nur auswendig für die Prüfung gepaukt hat, der erlebt jetzt ein recht unsanftes Erwachen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, denn es muß mit den 24.000 Euro für t = 0 und 12% Kalkulationszinsfuß abgezinst werden, und der Kapitalwert, der sich dann ergibt, ist der höchste zulässige Kaufpreis für den Einkäufer:

 
Jahr Einzahlungen Auszahlungen Saldo Barwert 12%
0   24.000,00 € –24.000,00 € –24.000,00 €
1 190.000,00 € 175.000,00 € 15.000,00 € 13.392,86 €
2 210.000,00 € 170.000,00 € 40.000,00 € 31.887,76 €
3 200.000,00 € 140.000,00 € 60.000,00 € 42.706,81 €
4 170.000,00 € 160.000,00 € 10.000,00 € 6.355,18 €
  770.000,00 € 669.000,00 € 101.000,00 € 70.342,61 €

 

Der Einkäufer darf also nur für maximal 70.342,61 Euro auf der Auktion bieten. Wird die Anlage zu genau diesem Preis erworben, so ist die interne Verzinsung des Geschäfts genau 12%, d.h. der Kapitalwert unter den vorstehenden Voraussetzungen genau null. So einfach kann das sein. Wie aber kommt man zu der (angenäherten) tatsächlichen internen Verzinsung, wenn die Anlage zu 54.000 Euro ersteigert wird?

Hier ist es zunächst relevant, die Rechnung zwei Mal zu wiederholen. Die 54.000 Euro Kaufpreis auf der Auktion sind bei t = 0 zu den Auszahlungen zu addieren. Dann ist der Barwert mit den beiden Versuchszinssätzen, die in der Aufgabe genannt sind, zu bestimmen:

 
t Einzahlungen Auszahlungen Saldo Barwert i = 18% Barwert i = 24%
0   78.000,00 € –78.000,00 € –78.000,00 € –78.000,00 €
1 190.000,00 € 175.000,00 € 15.000,00 € 12.711,86 € 12.096,77 €
2 210.000,00 € 170.000,00 € 40.000,00 € 28.727,38 € 26.014,57 €
3 200.000,00 € 140.000,00 € 60.000,00 € 36.517,85 € 31.469,24 €
4 170.000,00 € 160.000,00 € 10.000,00 € 5.157,89 € 4.229,74 €
  770.000,00 € 723.000,00 € 47.000,00 € 5.114,98 € –4.189,69 €

 

Jetzt ist bedeutsam, die Näherungsformel zu kennen. Die braucht im Zeitalter der Computer und programmierbaren Taschenrechner zwar kein Mensch, aber in Prüfungen geistert sie noch immer überall herum. Die Effektivverzinsung kann näherungsweise aus zwei Zinssätzen i1 und i2 sowie aus zwei Kapitalwerten C1 und C2 bestimmt werden:

 

Die Näherungsmethode

Für diese Berechnung ist aus der vorstehenden Kapitalwertrechnung i1 = 18% und i2 = 24%. Die zugehörigen berechneten Kapitalwerte C sind C1 = 5.114,98 Euro und C2 = –4.189,69 Euro. Die Berechnung der internen Verzinsung ist dann:

 

Die Berechnung der internen Verzinsung

Dieses Ergebnis ist nicht ganz exakt, wie jeder prüfen kann, der den Kapitalwert damit ausrechnet. Das ist aber im Vorfeld einer Prüfung die falsche Frage, denn hier muß dem Prüfungsteilnehmer diese Methode geläufig sein. Wer diese Formel nicht anwenden kann, verliert wesentliche Punkte.

Wie kommt man zu den Symphonikern? Richtig, üben, üben, üben. Betriebswirt wird man nicht in wenigen Tagen, auch hier gibt es zum Erfolg keinen Lift. Man muß ummer die Treppe benutzen. Das hier ist eine Stufe dieser Treppe, aber wenn man das erstmal durchschaut hat ist es alles nur noch halb so schlimm, nich?

Ach ja: diese Übungsaufgabe, und viele weitere zu diesem Thema, findet der geneigte Leser auf der BWL CD im Übungsordner in der Datei "Kapitalwertrechnung.pdf". Diese Datei ist, wie die meisten Inhalte der CD, nicht öffentlich verfügbar.

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