Gewinn- und Verlustrechnung: die Falle im UKV

Share

 

Nachdem wir uns gestern über die Geheimnisse der Bilanzpositionen ausgelassen haben, schauen wir uns heute eine vergleichbare Aufgabe zur Gewinn- und Verlustrechnung an. Auch hier kommt es oberflächlich betrachtet darauf an, die einzelnen Posten richtig zuzuordnen. Dumm ist nur, daß sich hier eine ganz besonders leckere Falle versteckt. Schauen wir mal, ob wir die finden können:

Sie haben als Assistent der Geschäftsleitung den Jahresabschluß vorbereitet, aber kurz vor Beendigung Ihrer Arbeit einen schweren Festplattencrash erlebt. Natürlich bestand keine Sicherungskopie, huch wie leichtsinnig. Bei dem Totalabsturz blieben aber nicht nur die gestern dargestellten Bilanzdaten übrig, sondern auch die folgenden Informationen zur Gewinn- und Verlustrechnung, die aber ebenso ungeordnet Ihren Desktop bevölkern (alle Zahlen in €uro):

 

Lohn- und Gehaltskosten 350.000   Abschreibung auf Anlagen 400.000
Hierauf Sozialaufwand 100.000   Zinsaufwand auf Darlehen 60.000
Büro, Verwaltung, Fuhrpark usw. 320.000   Ertragsbesteuerung 55.000
– Hierin Verwaltungskosten 40.000   Bestanderhöhung Absatzlager 30.000
– Hierin Vertriebskosten 40.000   Bestandminderung Zwischenlager 10.000
Umsatzerlöse aus Hauptgeschäft 1.700.000   Aktivierung selbst erstellte Maschine 40.000
Einmalerlöse, außerordentlich 15.000   Mieterträge Wohnungsvermietung 20.000
Materialaufwand 310.000   Verlust durch Unterschlagung 35.000

 

Aus diesen verstreuten Daten soll eine ordnungsgemäße Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt werden, und zwar nach dem Gesamtkostenverfahren und dem Umsatzkostenverfahren (§275 Abs. 2 und 3 HGB). Arghh!

Schwieriger als die Bilanzierungsaufgabe

Gestern konnte man die eigene Lösung kontrollieren, denn nur wenn es richtig gemacht wurde, ging die Bilanz auch auf. Jetzt ist das weitaus schwieriger, denn es gibt keine unmittelbare Möglichkeit der Kontrolle. Allerdings muß natürlich in den beiden gefragten Rechenwegen das gleiche Ergebnis herauskommen. Wir rascheln zunächst mit dem Handelsgesetzbuch und schauen uns mal die Rechenwege des Gesamt- und des Umsatzkostenverfahrens an. Auch hier muß dem Bearbeiter für jede einzelne Zeile klar sein, was sie bedeutet. Mit der Lösung nach dem Gesamtkostenverfahren (GKV) zu beginnen ist einfacher:

Die GKV-Lösung…

Hier sind zunächst die gegebenen Daten auf irrelevante Informationen zu untersuchen und dann den gesetzlichen Positionen zuzuordnen. Die beiden "Hierin"-Positionen spielen für die Sache keine Rolle; "Büro, Verwaltung, Fuhrpark" ist insgesamt mit Zeile 8 des GKV-Schemas zu identifizieren. Die beiden Bestandsveränderungen sind zu saldieren und ergeben insgesamt einen Ertrag von 20.000 Euro und die Mieterträge sind als Nebengeschäft zu identifizieren und in Zeile 4 auszuweisen. Nicht vorkommende Posten können ausgelassen werden. Und so sieht das Ergebnis aus:

 

1. Umsatzerlöse 1.700.000 EUR
2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 20.000 EUR
3. andere aktivierte Eigenleistungen 40.000 EUR
4. sonstige betriebliche Erträge 20.000 EUR
5. Materialaufwand 310.000 EUR
6. Personalaufwand  
  a) Löhne und Gehälter 350.000 EUR
  b) soziale Abgaben 100.000 EUR
7. Abschreibungen 400.000 EUR
8. sonstige betriebliche Aufwendungen 320.000 EUR
13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 60.000 EUR
14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 240.000 EUR
15. außerordentliche Erträge 15.000 EUR
16. außerordentliche Aufwendungen 35.000 EUR
17. außerordentliches Ergebnis –20.000 EUR
18. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 55.000 EUR
20. Jahresüberschuß des Berichtszeitraumes 165.000 EUR

 

…und das UKV-Desaster

Aber wie zum Teufel kommt man aus dieser ersten Lösung nun zur Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren (UKV)? Ein Blick in §275 Abs. 3 HGB zeigt, daß hier nach den Umsatzerlösen in Zeile 1 die "Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen" (HKU) auszurechnen sind. Natürlich stehen die oben nicht da; wie aber kann man die heir berechnen?

Der wohlvorbereitete Prüfungsteilnehmer weiß, daß hierzu die Löhne, Abschreibungen, Material- und Personalaufwendungen der Periode gehören – nicht aber die Verwaltungs- und Vertriebskosten, die ja in den Zeilen 4. und 5. separat auszuweisen sind. Ahaa, dafür also sind die beiden "Hierin"-Posten der Aufgabe gedacht! Der Rechenweg ist also:

 

HKU = 350.000 + 100.000 + 320.000 – 40.000 – 40.000 + 400.000 + 310.000 = 1.400.000 Euro

 

Bewaffnet mit dieser Erkenntnis fällt es nicht mehr schwer, die folgende Lösung aufzustellen, die natürlich zum gleichen Ergebnis führt:

 

1. Umsatzerlöse 1.700.000 EUR
2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 1.400.000 EUR
3. Bruttoergebnis vom Umsatz 300.000 EUR
4. Vertriebskosten 40.000 EUR
5. allgemeine Verwaltungskosten 40.000 EUR
6. sonstige betriebliche Erträge 80.000 EUR
12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 60.000 EUR
13. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 240.000 EUR
14. außerordentliche Erträge 15.000 EUR
15. außerordentliche Aufwendungen 35.000 EUR
16. außerordentliches Ergebnis –20.000 EUR
17. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 55.000 EUR
19. Jahresüberschuß des Berichtszeitraumes 165.000 EUR

 

Erst jetzt kann der Bearbeiter die Richtigkeit seines Ergebnisses kontrollieren – oder mit der Fehlersuche beginnen, wenn die beiden Rechenschemata nicht das gleiche Ergebnis erzielt haben. Auch in diesem Fall kommt es "nur" darauf an, jede einzelne Zeile mit Vornamen zu kennen, also genau zu wissen, was wohin einzuordnen ist. Der Weg dahin führt nur über viel Fleiß und Mühe, denn zum Erfolg gibt es bekanntlich keinen Lift. Man muß immer die Treppe benutzen 🙂

Links zum ThemaGrundlagen der Bilanzierung: das Geheimnis der Bilanzpositionen | Was nicht im Abschluß steht, Teil 3 von 3 – vom Schweigen der GuV-Rechnung | Skript zum Jahresabschluß nach HGB | Skript zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS (interne Links)

Das könnte dich auch interessieren …