Termingeschäfte: die volkswirtschaftliche Zeitbombe

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Termingeschäfte sind Geschäfte über Waren, Devisen, Zinssätze oder Wertpapiere, die zu fest vereinbarten Bedingungen zu einem späteren (zukünftigen) Zeitpunkt erfüllt werden sollen. Das Termingeschäft. ist damit das Gegenteil zum sofort auszuführenden Kassageschäft. Wird über ein Termingeschäft eine Urkunde ausgestellt, also das Termingeschäft "verbrieft", so entsteht ein i.d.R. handelbares Wertpapier. Die Börse, an der solche Kontrakte gekauft und verkauft werden können, ist die Terminbörse. Termingeschäfte, die an Börsen abgewickelt werden, heißen auch "Futures". Außerbörsliche Termingeschäfte werden als "Forwards" bezeichnet. Diese beiden Geschäftstypen aber sind eine gesamtwirtschaftliche Zeitbombe.

Da der zuvor fest vereinbarte Terminkurs und der tatsächliche Marktkurs am Termin auseinanderklaffen, ist das Termingeschäft nämlich in aller Regel ein Nullsummenspiel. Was ein Geschäftspartner gewinnt, das verliert der andere. Ein Beispiel verdeutlicht dies: zwei Parteien vereinbaren am Anfang eines Jahres, zum 30. Juni des Jahres 1.000 Tonnen eines Rohstoffes zum Preis von 100 Euro/t zu kaufen. Liegt der Marktpreis am 30. Juni tatsächlich bei 100 Euro je Tonne, so kaufen bzw. verkaufen die Vertragsparteien genau zum Marktpreis. Das Termingeschäft verursacht daher niemandem einen Verlust oder Gewinn. Dies ist aber außerordentlich selten. Normalerweise weicht der tatsächliche Marktkurs am Termin vom zuvor fest vereinbarten Terminkurs ab.

Hochspekulative Geschäfte

Ist der Marktkurs für den Rohstoff beispielsweise am Termin 90 Euro je Tonne, so muß der Käufer trotzdem zu 100 Euro x 1.000 t = 100.000 Euro kaufen. Er hätte aber am Markt zu 90 Euro x 1.000 t = 90.000 Euro kaufen können und macht daher einen Verlust i.H.v. 10.000 Euro. Dieser Verlust ist aber genau gerade der Gewinn des Verkäufers, der das Gut um genau gerade diese 10.000 Euro über dem eigentlichen Marktpreis für Kassageschäfte über das gehandelte Gut veräußern kann. Beträgt der Marktkurs für den Rohstoff aber am Termin 150 Euro je Tonne, so kann der Käufer für ebenfalls für 100 Euro x 1.000 t = 100.000 Euro kaufen. Er zahlt damit aber 50.000 Euro weniger, als er am Markt "eigentlich" zahlen müßte. Durch den Kursanstieg beim Preis des zugrundeliegenden Gutes macht der Käufer also einen Gewinn i.H.v. 50.000 Euro. Dieser Gewinn ist aber gerade der Verlust des Verkäufers, der das Gut, das er am Kassamarkt zu 150.000 Euro hätte verkaufen können, zu 100.000 Euro verkaufen mußte.

Die geldpolitische Terminbombe

Die Nullsummeneigenschaft der Termingeschäfte führt zu einem Akzeleratoreffekt, der eine latente Inflation durch Aufblähung der langfristigen Buchgeldmenge bewirken kann: wird über ein "reales" Gut wir einen Rohstoff ein Termingeschäft abgeschlossen, so kann dieses selbst wieder Gegenstand neuer Terminspekulationen sein. Termingeschäfte gehören aber durch ihre Definition in die "oberen" Geldmengen. Zwischen der zugrundeliegenden materiellen Basis (dem Rohstoff) und der daraus im Wege der Termingeschäfte geschaffenen Termingeldmenge (M3 und M4) besteht also ein Hebel. Jeder Euro "Realwirtschaft" schafft viele Euro Buchgeldmenge. Das ist aber nichts anderes als eine latente Inflation: zwar merken wir an der Ladenkasse (noch) nichts vom Terminwahn, aber das könnte sich ändern wenn das Vertrauen der Anleger verlorengeht. Dann flüchten sie nämlich aus den Termingeschäften, so daß aus den Termingeldern (teilweise, d.h. unter Realisierung von Verlusten) Buchgelder werden. Diese aber suchen Angebote auf dem Gütermarkt, was angesichts des großen Volumens der Termingeschäfte zu einem explosiven Preisanstieg führt: die Hyperinflation der 1920er Jahre, die immerhin dem Hitler an die Macht geholfen hat, wäre gegen dieses Schreckensszenario ein wahrer Sonntagsspaziergang. Der aber hat schon in Auschwitz und Stalingrad geendet. Was also könnte uns noch bevorstehen? Termingeschäfte sind offensichtlich volkswirtschaftlich, eh, fragwürdig. Um nicht zu sagen, eine Zeitbombe mit brennender Lunte.

Vernünftige Verbote

Es ist daher gewiß nicht zufällig, daß die Termingeschäfte in der Weimarer Republik, in der Hitlerzeit, in der Nachkriegszeit in Westdeutschland und in der DDR gleichermaßen verboten waren, denn man konnte sich noch gut an die Inflationszeit erinnern. Sie wurden im Westen erst Anfang der 1970er Jahre und in Mitteldeutschland infolge der Wende ab 1990 wieder zugelassen, als diese Erinnerung langsam verloren gegangen war: Ein vernünftiges Verbot, aber heute leben wir in einer unvernünftigen Zeit. Oder besser gesagt, in Zeiten des offenbaren politischen Rinderwahns.

Politischer Rinderwahn

Anstatt das einzig vernünftige zu tun, nämlich Termingeschäfte sofort ersatzlos abzuschaffen, wurde der längst lodernde finanzpolitische Flächenbrand ab 2005 noch massiv ausgeweitet, nämlich durch die Einführung des zwangsweisen Emissionshandels. Daß der nichts mit "Klimaschutz" und gar der Umwelt zu tun hat, haben wir an anderer Stelle schon gezeigt. Offensichtlich ist man der Ansicht, daß man das längst bestehende Problem mit riesigen spekulativen Buchgeldmengen nicht mehr lösen kann. Also legt man einen Gegenbrand, um das eigentliche Feuer einzudämmen. Doch Probleme sind dazu da, gelöst zu werden und wer aus der Geschichte nichts lernt ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Links zum Thema: Die Geldmengendefinitionen, oder was man vor uns verheimlichen will | Kapitalmarkt-Magie: Das Wertpapier ohne Rückwärtsgang, oder wie Verluste nachhaltig verhindert werden | Wo es rückwärts vorwärts geht: über Produktivität, Knappheit und Herrschaft | Wertpapierrechnen: was zum Teufel ist ein Bilanzkurs? | Wertpapierrechnen: wie bewertet man eine Anleihe? (interne Links)

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2 Antworten

  1. Andreas Mann sagt:

    Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich habe mich ebenfalls intensiv mit dieser Thematik, vor allem jedoch mit dem derivativen Wertpapieren, beschäftig. Dazu kann ich nur sagen, dass viele Menschen sind sich über die immense Bedeutung von Derivaten nicht bewusst sind. Die immense Größe des Derivatemarktes ist für Normalbürger unverständlich. Neben dem Einsatzgebiet von Derivaten, welches sinnvollerweise in der Risikominimierung, jedoch leider auch in der Spekulation befindet, stellt der Derivatemarkt sicherlich ein potenzielles Risiko dar. Hierbei geht das Risiko von seiner Größe, bzw. Unregulierbarkeit aus. Auf den zweiten Blick muss man jedoch auch die Sinnhaftigkeit von Derivaten betrachten. Anhand eines sinnvollen Einsatzes können Derivate gezielt Risiken minieren. Anhand dieser Tatsache sind sie ein essentieller Bestandteil der Finanzwirtschaft – und werden dies auch bleiben. Wahrscheinlich wird ihnen vor allem im Bereich der Geldanlage in Zukunft noch eine größere Bedeutung zukommen.

  2. Ron Berger sagt:

    Der Handel mit Derivaten ist in der Tat eine tickende Zeitbombe. Nur eine Kleinigkeit und sie kann hochgehen… mit nicht zu ahnenden Folgen. Der Zeitpunkt ist offen, doch Fakt ist, dass dieser Fall ohne Zweifel irgendwann eintreten wird.