Schulpolitik: warum Klausuren und Prüfungen abgeschafft werden

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Klausuren und Prüfungen dürften das wohl beliebteste Gesellschaftsspiel sein, wie jeder Teilnehmer des Forums für Betriebswirtschaft recht gut weiß. Wie alle Spiele erfüllt aber auch dieses einen über sich selbst hinausweisenden Zweck, nämlich den Prüfungsteilnehmer auf das Leben nach der Prüfung vorzubereiten. Man mag die Prüfungen inhaltlich oder formal kritisieren, doch Einigkeit besteht vermutlich darin, daß die Prüfung bereits am Abend vorher ihren eigentlichen Zweck erfüllt hat. Das aber haben unsere Schulreformpolitiker nicht begriffen – oder etwa doch?

Deutschland ist bekanntlich ein bildungspolitischer Flickenteppich, mit 16 Bundesländern und 16 vollkommen unterschiedlichen schulpolitischen Ansätzen. Allen ist aber gemein, daß die Kinder immer weniger und immer später mit Klausuren und Prüfungen konfrontiert werden. Anscheinend sollen die zarten Kinderseelen vor den Härten des Wettbewerbes und den Gefahren des Sitzenbleibens geschützt werden. Sie werden freilich auch vor den Härten des Lebens geschützt und vor späterer Wettbewerbsfähigkeit im Beruf bewahrt, denn dort wird es immer Prüfungen und Testate geben, auch wenn die dann nicht mehr so heißen.

So weiß jeder Marktwirtschaftler, daß Wettbewerb das Geschäft belebt. Schulsport, Klassenarbeiten und Prüfungen erfüllen aber auch gerade diesen Zweck – sichtbare Rangordnungen durch erreichte (oder eben auch verfehlte) Leistungen zu bilden und jedem zu erlauben, durch Anstrengung und harte Arbeit auf der Leiter zu klettern. Das mag man schön finden oder nicht, aber es liegt in der menschlichen Seele. Schon die ältesten Steinzeitgesellschaften kannten soziale Differenzierungen. Wir werden das nicht abschaffen, sondern uns anpassen oder untergehen. Eine ideologiefreie Schule muß die Schüler aber auf das Leben vorbereiten und nicht versuchen, die Welt zu verbessern.

Besonders unverständlich ist die Instrumentalisierung des Datenschutzes gegen die Lehrer. Diese dürfen nämlich nichtmal mehr die Noten vor der Klasse bekanntgeben, sondern müssen diese personenbezogenen Informationen individuell mitteilen. Und auch nur den Schülern, nicht den Eltern. Das behindert nicht nur den Wettbewerb, sondern ist auch eine Einladung an die Schüler, Zeugnisse und Testate zu fälschen, denn Vati bekommt keine direkten Informationen mehr von der Schule. Das freilich ist oft genug ohnehin vergeblich, denn in der Schule bleibt vielerorts ohnehin keiner mehr sitzen. Das freilich wirkt sich auf den Klassenschnitt in der folgenden, von einigen Mitschülern nur scheinbar erreichten nächsten Klassenstufe aus. Der nämlich sinkt kontinuierlich, bis nach der nächsten Pisa-Studie der ganze Hühnerhof wieder ein paar Tage lang flattert. Die Politik reagiert darauf durchaus angemessen: mit Forderungen nach der Abschaffung der Hauptschule. Wenn wir schon die Kinder nicht mehr bilden, sollen wenigstens alle Gymnasiasten sein. Ein Zeichen der virtuellen Bildungsillusion, die ein mächtiges Symbol unserer Zeit ist.

Die Schule, in der keiner mehr sitzen bleibt, disqualifiziert aber auf Dauer auch die Pädagogen. Deren Aufgabe ist es nämlich gerade, die Wettbewerbe zu schaffen, an denen die Schüler wachsen sollen. Dies erfordert nicht nur Fachkenntnis und Sozialkompetenz, sondern auch Fairneß. Dies aber verlernen Lehrer, die keine Prüfer mehr sein dürfen. Sie verlieren damit einen wesentlichen Teil ihrer beruflichen Fähigkeiten, denn auch die Fairneß im Kampf, die Achtung des Gegners als Menschen und die Kompetenz, schwere aber lösbare Aufgaben mit angemessenem Tiefgang, und also mit angemessenem Lerneffekt zu stellen, wird nur über viele Berufsjahre vom Lehrer erworben und durch viele Klassenstufen vom Schüler erlernt. Sie ist aber eine wichtige Kompetenz späterer Vorgesetzter. Auch diese wird nicht mehr an die Kinder weitergegeben. Auch Führungsfähigkeit wird nicht mehr gelehrt. Dies beschädigt die spätere Karrierefähigkeit der Kinder. Kein Wunder, daß es so viele kriminelle Karrieren gibt, denn erst dort lernt man heute, was Leben bedeutet. Nur eben ohne gesellschaftlich anerkannte Regeln.

In der Politik aber geschieht nichts zufällig, nur die wahren Gründe für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen werden in aller Regel mit Lügen kaschiert. Das ist hier nicht anders. Die zunehmende Unbildung ist gewollt, denn nur denn ein dummes und armes Volk ist leicht regierbar, glaubt dem Klimaschwindel und ist von staatlichen Verteilungs- und Rationierungsbürokratien abhängig. Will heißen, es unterstützt die politische Macht, und wenn nur dadurch, sie nicht mehr zu verstehen. Umwelt- und Bildungspolitik ergänzen einander in dieser Zielstellung hervorragend. Kein Wunder also daß Konkurrenzdenken und lebenslanger Wettbewerb als grundlegende Verhaltensweise abgeschafft werden sollen, denn das gefährdet die politische Stabilität dieses Landes. Jedenfalls solange die politische Kaste noch von einer Substanz zehren kann. Dies ist aber derzeit noch der Fall, nur nicht unser Verdienst: solange China wächst kann Deutschland von Gleichheit träumen. Doch auch das vergeht, und an die Zeit danach mag ich lieber nicht denken.

Links zum Thema: Forums für Betriebswirtschaft | Die brennende Bibliothek, oder warum das Internet der Bildung schadet | Über Chancengleichheit und Gleichmacherei in der Schule, oder scheinbare Selbstverständlichkeiten | Schulgewalt: was keiner sehen will, oder das Plädoyer für die gute, alte Ohrfeige | Gleichheit in der Bildung: Plädoyer für Schuluniformen | Notprogramm und Gegenrevolution: alternative Vorschläge zur Schulreform (interne Links)

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