Die Anschaffungskosten im Probelauf, oder wo der Teufel im Detail steckt

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In Prüfungen und ähnlichen Veranstaltungen sind Aufgaben zur Herstellkostenrechnung häufig. Im Rahmen der Prüfungen nach den neuen Rahmenstoffplänen müssen in der Regel auch wenigstens die grundlegenden Unterschiede der Herstellkostenbewertung nach IAS/IFRS bekannt sein. Allerdings enthalten auch scheinbar einfache Aufgaben über die Anschaffungskosten die eine oder andere Klippe, die gerne übersehen wird. Gucken wir mal etwas näher hin…

 

 
  §255 HGB (1) 1Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. 2Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. 3Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen.
  (…)

Grundsätzlich muß dem Prüfungsteilnehmer zunächst die nebenstehende handelsrechtliche Regelung bekannt sein, die im wesentlichen auch der at cost Bewertung in IAS/IFRS entspricht. Zudem ist der Begriff auch im Steuerrecht nahezu deckungsgleich definiert.

Wesentlich ist hier zunächst, daß nur dem Propdukt einzeln zurechenbare Größen, insbesondere der Anschaffungspreis zugerechnet werden darf. Nebenkosten sind beispielsweise Zölle, Notare oder Fundamentierung und Montage bei Maschinen und nachträgliche Anschaffungskosten sind Erschließung bei Grundstücken, der Erwerb notwendigen Zubehörs oder die Zulassung von Fahrzeugen. Alle diese Dinge dürfen nicht erfolgswirksam gebucht werden, sondern sind zu aktivieren. Sie sind also gerade keine Kosten (und natürlich auch keine Aufwendungen), aber daß der Gesetzgeber in dieser Hinsicht ungenau artikuliert, ist ja nicht neu. Anschaffungspreisminderungen (Satz 3 der Vorschrift) sind Rabatte, Skontio und Boni, und müssen abgezogen werden. So weit, so gut. Der Teufel liegt, wie so oft, im Detail.

Dieses Detail findet sich in einer derzeit auf meinem Schreibtisch herumlungernden Prüfungsfrage, in der Stellung genommen werden soll, ob der (technisch notwendige) Probelauf einer Maschine als Aufwandsposition erfolgswirksam zu buchen oder als Anschaffungskostenbestandteil zu aktivieren sei. Für den Probelauf entstehen u.a. Personal-, Werkzeug- und Hilfsstoffkosten, über deren buchhalterische Behandlung zu entscheiden sei – mit Begründung.

Die Sache ist spannend, weil sie ein Grenzfall ist. Erfolg hat, wer die allgemeinen Regelungen des Gesetzes auf die konkrete Situation anwenden kann. Hier gilt ja, daß was geleistet werden muß, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen zu den Anschaffungskosten zu rechnen ist. Diese Regelung muß man auswerten. Dann kommt heraus, daß nur Probeläufe im Zusammenhang mit Produktion oder Erwerb des Vermögensgegenstandes zu den Anschaffungskosten zählen, spätere Probeläufe aber erfolgswirksam zu buchen sind.

Ein Beispiel: ein Flugzeughersteller liefert einer Airline ein neues Fluggerät. Dieses wird vor dem ersten kommerziellen Einsatz auf seine Flugtauglichkeit und Sicherheit geprüft. Dieser Probelauf ist aktivierungspflichtig, insbesondere dann, wenn er mit einer Zertifizierung oder Genehmigung durch eine externe Stelle endet. Spätere Probeläufe zum Beispiel nach technischen Veränderungen oder zur erneuten (turnusmäßigen) Sicherheits- und Funktionsüberprüfung hingegen sind Aufwendungen und gehören nicht in die Anschaffungskosten, auch nicht in die nachträglichen Anschaffungskosten. Ähnlich wäre es auch beispielsweise bei einem Testflug nach dem kompletten Austausch von Turbinen: werden alte Triebwerke gegen neue ersetzt, so wird nur ein Zustand wieder hergestellt, der schon einmal bestand. Der Ersatz ist als Erhaltungsaufwand (und nicht als nachträgliche Anschaffung) zu buchen, und ebenso wäre dann der nachfolgende Probelauf zu erfassen.

Die Frage scheint einfach, aber nur für die, die das Gesetz verstehen anstatt die Regelungen auswendig zu lernen. Wer nur paukt, wer also schematisch lernt, könnte hier durch Reproduktion eines möglicherweise in einem IHK-Textband gefundenen Beispieles eine böse Überraschung erleben – oder ratlos enden, wenn dieser Fall nie in den Lernsitzungen vorkam. Hier also sind wir wieder mal bei der Treppe angekommen, die einzig zum Prüfungserfolg führt.

Links zum Thema: Handels- und Steuerrecht: Schwierige Aufgabengestaltungen zur Herstellkostenrechnung | Herstellkosten: der »wirkliche« Rechenweg | Skript zum HGB-Abschluß | IAS/IFRS-Gesamtskript | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt (interne Links)

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