Der Techniker zwischen Barwert und Bilanz, oder die kreative Inkompatibilität der Technischen Betriebswirte

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"Wer schreibt, der bleibt" weiß ein altes Sprichwort, und Volkes Mund tut Wahrheit kund. Auch bei den technischen Berufen, denn trotz Fachkräftemangels stehen die Chancen für Techniker in China oder Rußland besser, also in den Ländern, die nicht an den Klimaschwindel glauben. Das alleine ist schon Grund genug, sich kaufmännisch zu qualifizieren, denn meist bleiben nur die Konzernzentralen hier, nicht aber die produktiven Bereiche. Wer sich also nicht in Rechnungswesen und Controlling auskennt, muß bald nach Übersee oder zum Arbeitsamt. Das stellt manchen Techniker vor ganz eigene Probleme.

Liest sich der Rahmenstoffplan "Geprüfter Technischer Betriebswirt" inzwischen nämlich fast wie der Bilanzbuchhalter-Stoffplan, muß der Techniker die typisch kaufmännischen Denkmuster doch erst lernen. Die werden nicht gelehrt, sondern vorausgesetzt, auch im neuen Stoffplan: so fällt Leuten, die in Volt und Kilo rechnen, das Denken in Mittelherkunft und Mittelverwendung schwer, denn Kräfte wirken direkt, aber Kapitalbeträge kann man nicht dem Vermögen direkt zuordnen. Sie werden daher oft verwechselt (ein beliebter Fehler). Auch das Denken in Einheiten, das Techniker in ihrer Ausbildung bis zum Umfallen üben, ist Kaufleuten oft fremd: sie kennen nur eine Einheit, den Euro. Oder höchstens noch mal eine Relativkennzahl als Prozentwert. Gleichungssysteme wie bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung fallen Technikern daher oft schwer, selbst wenn sie das mathematische Handwerkszeug beherrschen.

Auch die Auf- und Abdiskontierung von Geldbeträgen in der Zeit, auf der alle dynamischen Rechenmethoden basieren, verträgt sich schlecht mit dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik [von der Energieerhaltung], denn das Geld als Energiemaß der Wirtschaft kann eben sehr wohl erzeugt (und noch viel leichter vernichtet) werden. Die gleichwohl mit Widersprüchen, Ausnahmen und Rechtsvorschriften gespickte Parallelität verschiedener Geldbegriffe wie der Auszahlungen, der Ausgaben, der Aufwendungen oder der Kosten macht die Verwirrung dabei oft komplett.

Diese kreative Inkompatibilität zeigt sich dem Dozenten auf vielerlei Art in den Fragen der Lehrgangsteilnehmer oder den oft wenig prüfungsfesten Lösungswegen, die sie wählen. Bisheriger Gipfel ist (bei mir) der Elektroniker, der diese Break Even Aufgabe vollkommen richtig aber mit Winkelfunktionen gelöst hat. Auf die (eigentlich verlangte) Idee, fehlende Größen als irrelevant zu erkennen und willkürlich zu ergänzen, kam der Mann gar nicht erst, aber dennoch zum richtigen Ziel. Selbst mir blieb dabei die Spucke weg. Ob der Prüfungsausschuß die Sinus- und Cosinus-Lösung verstanden hätte, wage ich zu bezweifeln. Kein Wunder, daß das Denken in Vermögen und Kapital, die Unterscheidung von Soll und Haben oder die Dualität aus Bankzinsen und kalkulatorischen Zinskosten, die keine Entsprechung in der physischen Realität haben, vielen Technikern schwer fallen.

Dabei haben wir die gröbsten Kracher erst noch vor uns: zwar wurde der Rahmenstoffplan reformiert, aber die Realität eilt jeder Reform voraus, wie so oft auch hier: sind derzeit nur einige Tausend kapitalmarktnahe Unternehmen zur Anwendung der IFRS verpflichtet, werden es mit den kommenden IFRS für kleine und mittelständische Unternehmen in einigen Jahren viel mehr IFRS-Anwender werden. Auf die Techniker kommen daher nicht nur die Bestandteile des IFRS-Abschlusses, Bewertungsunterschiede beim AV und beim UV sowie Rückstellungen und das Eigenkapital nach IFRS zu, derzeit im Rahmenstoffplan Nr. 2.3.6, sondern solche Hauer wie IAS 39 (Finanzinstrumente, Bilanzierung und Bewertung) oder gar IFRS 7 (Finanzinstrumente, Ausweis): sehr unanschaulich, abstrakt und außerordentlich "untechnisch". Das kiloschwere IFRS-Werk wird mit seinen über 2.600 Seiten spätestens nach der jetzt schon fälligen nächsten Reform des Rahmenstoffplanes einigen also noch ziemlich schwer auf die Füße fallen.

Aus all dem läßt sich ein strategischer Rat ableiten, den man jedem Fortbildungsteilnehmer geben kann: wer nicht tut, was er lernt, der lernt auch nicht, was er tun soll. Man kann nicht "nebenbei" zum Geprüften Technischen Betriebswirt werden, sondern nur, wenn man möglichst schon während der Fortbildung auch kaufmännische Aufgaben übernimmt. Man muß Kaufmann sein, um Kaufmann werden zu können – so einfach ist das! Das genau ist nämlich der Vorteil, den die "Betriebswirt/IHK"-Teilnehmer haben: die kommen nämlich meist schon aus dem mittleren Management, wo sie die vielen strategischen und qualitativen Konzepte des Rahmenstoffplanes vielfach gleich in den Betrieben anwenden können. Techniker haben oft in ihrer beruflichen Praxis bisher nichts mit der Erbsenzählerei ("Korinthenkackerei") der Kaufleute zu tun gehabt, auf die etwas verächtlich herabzublicken in vielen technischen Abteilungen üblich ist. Auch wenn bleibt, wer schreibt.

Wer es also mit dem technischen Betriebswirt ernst meint, muß mehr tun als lernen: er muß die eigene Karriere auf das ausrichten, was der Lehrgang vermittelt. Theoretisches Wissen und praktisches Können muß auch das eigene Sein vermitteln. Nur dann wird aus Wissen, Können und Erkennen auch beruflicher Erfolg. "Mehr wissen, mehr können, mehr sein" ist keine hohle Floskel, sondern ein karrierestrategisches Konzept. Das aber muß jeder für sich mit Leben füllen. Pauschalratschläge sind meines Erachtens nach unmöglich. Nur die Mechanismen und Denkmuster kann ich hier offenlegen. Was draus lernen muß jeder für sich selbst.

Links zum Thema: Knallharte Prüfungsfragen zur Break Even Rechnung, Teil 3 von 3 | Technischer Betriebswirt: Erste Erfahrungen mit der neuen Verordnung | Der frühe Gockel, oder was ein »Technischer Betriebswirt« wert ist | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Forum für Betriebswirtschaft (interne Links)

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