»Dr. No« und die Kostenrechnung, oder von der Arroganz der Unwissenheit

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Die Kostenrechnung ist ein theoretisches Thema. Man muß sich mit spitzfindigen Definitionen zum Bleistift des Gewinnbegriffesherumschlagen oder verstehen, warum Bankzinsen nichts in der Kostenrechnung verloren haben. Oder, auch so ein Fehler, warum Wagnisse und Gewinne nie in einen Topf geworfen werden dürfen. Diplomanden haben nicht selten Probleme, ihren Vorgesetzten solche Grundregeln klarzumachen. Jetzt liegt uns aber ein besonders drastischer Fall vor: Sie S-Hotelgruppe.

Dieser Hotelkonzern, über dessen vollständigen Namen wir den Mantel der christlichen Nächstenliebe decken, betreibt weithin bekannte Häuser in verschiedenen deutschen Großstädten. Dort arbeitet eine gewisse Frau Dr. G.N., die sich in ihren eMails als "Dr. No" bezeichnet, wie treffend. Schauen wir mal nach warum:

Das Grundmodell der Kostenartendefinitionen

So erwähne ich in diesem Artikel, daß es in einem Hotel keine Einzelkosten gebe, da keinerlei Kosten einer einzigen Nacht zuzurechnen seien. Einzelkosten, wir erinnern uns, sind auf das einzelne Produkt bezüglich – und das Hotel produziert Übernachtungen (nicht Gäste). In der Datei "Kalkulation Hotel und Vermietung.pdf" im Skripte-Ordner der BWL CD wird das näher begründet. Beide Texte scheinen "Dr. No" vorzuliegen. Sie schreibt mir dazu, daß Reisebüroprovisionen doch Einzelkosten seien. Daß dies eine ganz andere Kostenstelle ist, scheint sich bis in die S-Hotels noch nicht herumgesprochen zu haben. Auch Pay-TV und die Minibar wären Einzelkosten. Aha, wie man dann aber Gäste abrechnet, die beides nicht benutzen, erläutert "Dr. No" nicht.

Unwissenheit ist keine Schande, Arroganz aber schon. So erfahre ich weiter, daß ich im "vorigen Jahrhundert" lebe. Ich muß wohl doch mal meine Kalender überprüfen. Die S-Hotels, so weiter, arbeiten nach dem "Uniform System of Accounts", der "internationalen Rechnungslegung für die Beherbergungsindustrie" – übrigens falsch, denn mit IFRS hat das nichts zu tun, was "Dr. No" freilich nicht anficht. Und überhaupt, jedem Amerikaner wäre bei meinen Ausführungen schlecht geworden.

Die Kostenartendefinitionen im Hotelbetrieb

Nun, ich hbe nicht gespuckt, nichtmal angesichts solcher Feedbacks einer offenbar studierten Frau. Die freilich auch nicht erklärt, was die Uniformkonten mit der Einzelkostendefinition zu tun haben – die "Dr. No" nicht von variablen Kosten zu unterscheiden weiß. Und überhaupt, daß Kosten nicht schon deshalb variabel sind, weil sie sich in der Höhe ändern, war ihr auch nicht klarzumachen. Auch nicht mit meinem Lehrbuch der Kosten- und Leistungsrechnung, das ich ihr kostenlos geschickt habe. Dafür aber erfuhr ich, daß man bei den S-Hotels alle bisher eingestellten Betriebswirte nach der Probezeit wieder entlassen habe. Na prima.

Dummheit und Arroganz sind eigentlich keinen Artikel wert, aber in diesem Zusammenhang sind sie leider häufig. Viele Betriebe glauben, es besser zu wissen und externen Sachverstand entlassen zu können – oder gar zu müssen, denn was aus den USA kommt ist natürlich immer besser. Wofür man dann mühselig Leute ausbildet, wenn deren in harter Arbeit erworbene Kompetenz dann solcherart marginalisiert wird, verschließt sich mir freilich bisweilen.

Auch die Industrie- und Handelskammern und anderen prüfenden Körperschaften haben gute Gründe, in ihren Prüfungsveranstaltungen gerade diese definitorischen Grundlagen so in den Vordergrund zu stellen, wie sie es bekanntlich immer wieder tun, denn die Spitzfindigkeiten bilden das Fundament des gesamten Rechnungswesens: so ist die Unterscheidung in Einzel- und Gemeinkosten die Grundlage der Vollkostenrechnung, also der Preiskalkulation, die nur eine Zuschlagskalkulation sein kann, wenn es eine nutzbare Einzelkostengrundlage gibt. Da die im Hotelbereich (nicht im Reisebüro, nicht in der Gaststätte!) fehlt, nimmt man dort nämlich die Äquivalenzziffernkalkulation. Aus fixen und variablen Kosten macht man hingegen Deckungsbeitrags- und Break Even Rechnungen, Leistungsmengenplanungen und den Rest – jeder Auszubildende wird damit gequält. Nur bei den S-Hotels nimmt man es damit anscheinend nicht so genau. Da braucht man anscheinend keine Kalkulation. Aber in Essen, Düsseldorf, Frankfurt oder Leipzig weiß ich jetzt, welches Hotel ich künftig meide.

Ach ja: "Dr. No" ist nicht irgendwer. Sie ist die Geschäftsführerin in dem Laden. Arghhh!

Links zum ThemaDer kaufmännische Gewinnbegriff: Ohne Moos nix los… | Irrungen und Wirrungen der Kostenrechnung: warum Bankzinsen keine Kosten sind | »Wagnis und Gewinn«: verbreitete Fehler und Irrtümer im Rechnungswesen | Zuschlagskalkulation, Teil 1 von 4: Wie richtig zugeschlagen wird (interne Links)

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