Die Betriebswirtschaft als Wissenschaft oder vom Hochmut der Professoren

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Wissenschaft, so wissen wir, ist die methodisch definierte Verfahrensweise, neue Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu gewinnen. Einzelne Aussagen über die Realität werden mit Tests der verschiedensten Art verifiziert oder falsifiziert, ggfs. zu komplexeren theoretischen Systemen und vielfach zu Gesamtmodellen integriert und dienen der Vertiefung unserer Macht über Natur und Gesellschaft. Studenten sollen das wissenschaftliche Arbeiten erlernen, auch die Studenten der Betriebswirtschaft – so weiß mindestens die verbreitete Meinung an den höheren Lehranstalten. Diese aber hinterfragt der BWL-Bote, der sich wiedermal unbeliebt zu machen droht.

Als Hauptkriterium der Wissenschaftlichkeit gilt die Falsifizierbarkeit, also die Möglichkeit, daß sich eine Aussage als falsch herausstellen könnte. "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist / ändert sich das Wetter oder es bleibt wie's ist" ist damit keine wissenschaftliche Aussage, weil sie immer richtig ist – ebenso wie die beliebigen Katastrophenvorhersagen der Priesterkaste der Klimatologen.

Die Aufstellung wissenschaftlicher Aussagen über die Wirklichkeit erfordert die Beherrschung eines meist ausgedehnten Instrumentariums. Schon daran fehlt es den Klima"wissenschaftlern" die allgemein ignorieren, daß man keine Vorhersage für hundert Jahre machen kann, wenn schon eine zuverlässige Wettervorhersage für zwei Wochen unmöglich ist. Ähnlich ist es bei den Betriebswirten, deren Instrumentarium aus mathematischen Optimierungsverfahren, Managementmethoden und Rechtsvorschriften besteht. Schon letzteres zu beherrschen erfordert eine große kognitive Leistung bedenkt man den Umfang alleine des Steuerrechts. Nur aber wer diese drei Verfahrenskategorien beherrscht kann mit der Wissenschaft überhaupt erst beginnen.

Zudem ist die Betriebswirtschaft, also die Lehre von der oberzielkonformen Leitung mikroökonomischer Einheiten zumindestens taxonomisch ein Teilbereich der Gesellschaftswissenschaften, weil Wirtschaft ein Phänomen der menschlichen Gesellschaft ist. Der Betriebswirt verfolgt also nicht Erkenntnis um der Erkenntnis willen, sondern um des Erfolges willen. Wir reden über Geld, denn Geld ist das Blut der Welt! Ein guter Betriebswirt ist, wer mathematische Methoden, Managementverfahren und Rechtsvorschriften oberzielkonform einzusetzen weiß, also damit wirtschaftlichen Erfolg erzielt, denn was den Betrieben nützt, davon profitiert die ganze Nation – jedenfalls solange diese noch eine Marktwirtschaft ist. Die Betriebswirtschaft ist damit utilitaristisch. Sie optimiert Wohlstand und Fortschritt. Sie ist gesellschaftlich nützlich.

Diese Art des gesellschaftlichen Nutzens aber erfordert nicht Hinterfragung der Realität und Abwägung, ob ein Kostenbegriff eher Rieger oder eher Kosiol ist, sondern oberzielkonformen Einsatz der richtigen Mittel, und das heißt in Deutschland insbesondere Vorschriftenkenntnis. Tausende Seiten Steuerrecht, Rechnungswesen, Richtlinien und Paragraphen – die sind das primäre Handwerkszeug. Die sich anzueignen ist der Sinn des Studiums, und eben nicht die Wissenschaft. Das Studium ist damit eben gerade keine wissenschaftliche Veranstaltung, sondern eine Berufsausbildung. Es dient der Aneignung des Handwerkszeuges, und das ist eine harte Arbeit. Erst danach, also erst nach dem Examen, kann man mit der Wissenschaft beginnen. Danach, und wenn man gezeigt hat, in der Führungsetage die erlernten Mittel und Wege auch erfolgreich einzusetzen.

Das also ist der Hochmut der Professoren, die schon Erstsemesterstudenten was von Wissenschaftlichkeit erzählen, anstatt von IFRS, Microsoft und Steuerrecht, denn im Bereich des Rechnungswesens steckt manch fleißiger Lehrling einen gestandenen Universitätsabsolventen in die Tasche. Und das gilt erst Recht für den Umgang mit den technischen Arbeitsmitteln, denn das Klavier des Betriebswirtes hat heute 105 Tasten und eine Maus. Betrachtet man, wie dilettantisch viele Studis selbst noch ihre Diplomarbeit schreiben (und wie sehr das manchen Professoren egal ist) wird offenbar, daß beide die fundamentalen Arbeitsmittel nicht beherrschen. Wie aber kann ein guter Handwerker sein, wer mit dem Werkzeug nicht umgehen kann?

Im hergebrachten Lehrbetrieb bauen wir das Haus vom Dach an abwärts. Universitätsabsolventen kennen die feinen Unterschiede zwischen Schmalenbach und Nicklisch, können aber keine Körperschaftsteuererklärung für Ihren Arbeitgeber erstellen. Oder gar eine Werbeanzeige mit einer Grafiksoftware produzieren, preflighten und als PDF an den Drucker senden. So aber schaffen wir keine kompetenten Führungskräfte, sondern Dummies. Diese aber auf hochwissenschaftliche Art und Weise.

Links zum Thema: Gravierende Schwächen in Studien- und Diplomarbeiten: wie man es nicht machen sollte | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Grundzüge des Wissensmanagements | Theoretische Grundlagen: Unternehmerische Strategie und Taktik und die Grundgedanken der Sozialwissenschaft (interne Links)

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