Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt

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Immer wieder haben wir uns an dieser Stelle darüber ausgelassen ("selbstverherrlicht"), daß es zum Erfolg keinen Lift gebe, sondern immer die Treppe benutzt werden müsse. Grundlage all dieser Überlegungen ist meist der Artikel über die Lernziele von 2002, in dem Wissen, Können und Erkennen als die drei grundlegenden Ebenen des Lernens dargestellt wurden. Wie aber manifestiert sich das in einer Prüfungsfrage?

Wissen

Die Wissensfrage prüft Kenntnisse, also inwieweit ein Prüfungsteilnehmer über Einblick, Überblick, Kenntnis oder Vertrautheit mit dem Prüfungsgegenstand verfügt. Die Wissensfrage ist damit häufig reproduktiv. Sie setzt, falls Einblick oder Überblick ausreichen, Auswendiglernen voraus. Das ist in juristischen Prüfungen besonders häufig, denn Rechtswissenschaftler müssen eine große Vorschriften- und Rechtsprechungskenntnis besitzen – und wagen oft keine eigenen Interpretationen, denn diesen könnte in Zukunft von einem Gericht widersprochen werden, was die mühsam erstellte Prüfung ad absurdum führten würde. Im Bereich der allgemeinen BWL sind eher Fragen wie "Was bedeuten diese Abkürzungen?" oder "Nennen Sie die an einem Akkreditiv Beteiligten" solche Fälle. Fragt ein Aufgabenpoet nach den drei Methoden, etwas zu tun, oder nach den vier Arten von etwas, dann gehört die Wissensfrage eindeutig ins Gruselkabinett der unfairen Prüfungsfragen, wenn die drei Methoden oder die vier Arten nur in einem zugrundeliegendsen Leerbrief oder Skript so eingeteilt werden und nicht universell gültig oder gesetzlich so strukturiert sind. Dieses Problem ist leider häufig.

Können

Können ist die Fähigkeit, Wissen anzuwenden. Das ist in Prüfungen heftiger und meist ein Rechenverfahren. Man kann beispielsweise die Methoden nach IAS 2.25 bzw. den §§240 Abs. 4 und 256 HGB kennen (also über Wissen verfügen), aber dies zu auch an konkreten Zahlen zu rechnen, prüft das Können des Prüfungsteilnehmers. Können erwirbt man nur durch Übung der Anwendung von Wissen. Wichtig ist hierbei, daß in dem Übungsmaterial Lernschritte sorgfältig geplant und vom Aufgabenerstellermöglichst wenig Fehler gemacht werden. Auch sollte die Unterscheidung zwischen Wissen und Können klar sein – dem Fragesteller.

Erkennen

Erkennen ist die Basis für die selbständige Erweiterung von Wissen und Können. Durch Erkennen kann ein aus einer bestimmten Situation bekanntes Problem auf eine neue Sachlage angewandt werden. Wer über Erkennen verfügt ist daher in der Lage, neue, Kreative Lösungen für bislang noch nie erlebte Situationen zu finden und anzuwenden. Man spricht daher auch von Transferwissen. Dies vermittelt nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern auch die Wahrheit hinter den Lügen der Politiker, weshalb das Erkennen entgegen manch offizieller Lippenbekundung nicht sehr beliebt ist, denn es schwächt strukturelle Macht. Im Bereich von Prüfungen sind Erkennensfragen solche, die scheinbar unlösbare Probleme präsentieren, bei denen Standardlösungsansätze versagen. Solche Fragen sind meist echte Knallschoten und daher zu Recht gefürchtet. Wir haben deshalb an dieser Stelle immer wieder versucht, die Prüfungskandidaten auf solche Anforderungen vorzubereiten, aber die Phantasie der Prüfungslyriker ist nicht zu unterschätzen. Sie sind aber nicht nur eine Gefahr, denn man kann an ihnen scheitern, sondern auch eine Chance, denn man kann an ihnen auch wachsen. Was uns zum Zweck des ganzen Gesellschaftsspieles bringt…

Vom Zweck der Prüfung

Prüfungen hätten am Abend zuvor ihren Zweck bereits erfüllt – sagt man. Das freilich gilt nur, wenn die, die Prüfungen erstellen ("Prüfungslyriker", "Aufgabenpoeten"), mit einer sorgfältig ausgewogenen Mischung von Wissens-, Könnens- und Erkennensfragen und einer wohlgesetzten Reihenfolge von anfänglichen Erfolgserlebnissen und über die Dauer des Lehrganges und die Zeit der Prüfung zunehmendem Schwierigkeitsgrad für entsprechend Herausforderung aber eben auch für sicht- und fühlbaren Erfolg gesorgt haben. Bei den Industrie- und Handelskammern ("Kämmerlingen") bahnt sich ganz offenbar eine entsprechende Verbesserung an. Das gilt selbst für Detailprobleme. Mal sehen, ob andere Bildungsveranstalter mitziehen – oder ob dies den Markt tüchtig aufmischt. Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft – auch im erstarrten und verkrusteten Bildungsbereich!

Links zum Thema

In eigener Sache: Dies ist ein unabhängiges Projekt – wir betreuen keine Bildungsfirma! | Wie aus Lernen Erfolg gemacht wird | Lernen als Konzept zum Erfolg |  Kleine Typologie unfairer Prüfungsfragen | FIFO, LIFO und die SGD: veraltete Aufgaben, falsche Lösungen | Der Bilanzgewinn und die SGD, oder wie man Können und Erkennen sachgerecht vermittelt | Zwischenruf: Was uns der kalte Claus zu lehren hat, wir aber nicht lernen wollen | Knallharte Prüfungsfragen zur Break Even Rechnung | Interner Zinsfuß: eine hammerharte Prüfungs-Knallschote |Engpaß-Rechnung: wo der dicke Hammer hängt | IHK-Lehrgänge: ein grundlegender Strategiewechsel? |»Rechnungswesen/Controlling«: was wir aus der Prüfung vom 02.03.2006 lernen können (interne Links)

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