Wie Hartz IV die Lebensversicherer subventioniert

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Die zum Jahresbeginn anstehenden Sozialreformen enthalten nicht nur zum Teil massive Kürzungen für Leistungsempfänger, sondern auch eine ebenfalls massive indirekte Subvention an private Renten- und Lebensversicherer. Und damit ist nicht das ebenfalls in Kraft tretende Alterseinkünftegesetz mit dem Umstieg auf die nachgelagerte Besteuerung der Renten gemeint – aber lesen Sie selbst!

Derzeit werben die Versicherer mit dem "Auslaufen der Steuerfreiheit für Lebensversicherung" durch das Alterseinkünftegesetz, was in gewissen Grenzen auch zutrifft: Gemäß §10 Abs. 3 EStG sind Einzahlungen in solche Versicherungen nämlich bislang steuerfrei. Ab 2005 wird die Besteuerung der Leistungen dieser Versicherer gemäß §22 EStG neu in der Weise geregelt, daß die bisherige (teilweise) Steuerfreiheit dieser Auszahlungen schrittweise abgeschafft wird, dafür aber die Einzahlungen ebenfalls schrittweise in voller Höhe besteuert werden sollen. Schon diese bevorstehende Umstellung, die nur neue Verträge ab 2005 erfaßt, beschert den Gesellschaften ein hohes Neugeschäft.

Aber es gibt noch eine andere Art der Vermögensmehrung für die Versicherer, und zwar durch Hartz IV. Die bevorstehenden Kürzungen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger ab 2005 enthalten nämlich auch die Pflicht des Arbeitslosen, bestehendes Vermögen aufzubrauchen bevor Leistungen gewährt werden. Hierzu können auch bestehende private Lebens- und Rentenversicherungen gehören, die der Betroffene auflösen, also kündigen muß, bevor er vom Staat Geld erhält.

Und das ist, wo die Versicherungen massiv profitieren, und zwar auf Kosten der Versicherten und gewiß nicht ohne Kenntnis und Willen des bekanntlich liebevollen und fürsorglichen Gesetzgebers: Eine Lebens- oder Rentenversicherung ist nämlich eine Art Sparvertrages, bei dem der Versicherte durch regelmäßige Zahlungen ein Vermögen aufbaut und sich in der Form von Zinsen und Gewinnanteilen am Erfolg der Gesellschaft beteiligt. Beträgt dieser Garantiezins seit dem 1. Januar 2004 nur noch 2,75%, ist doch die mögliche Gewinnbeteiligung viel höher – aber erst am Schluß des Vertrages verfügbar. Diese Überschußbeteiligung verliert, wer vorzeitig kündigt. Und das alleine können schon mal 20%-25% oder mehr der Versicherungssumme sein. Aber mehr noch: Auch Stornogebühren werden berechnet, und am Anfang werden bis zum ersten Jahresbeitrag als Gebühr einbehalten ("Zillmerung") – was der Versicherte i.d.R. nicht weiß. Auch dieses Geld kassiert jetzt der Versicherer, der damit ein indirektes Interesse an Vertragskündigungen durch seine Versicherten hat.

Wir müssen davon ausgehen, daß der Gesetzgeber diesen Aspekt der Reform kannte – oder grob fahrlässig war. Es ist also zu vermuten, daß hier eine Art indirekte Subventionierung der bekanntlich notleidenden Versicherungswirtschaft vorliegt: schließlich hat es mit der Insolvenz der Mannheimer Versicherung (nicht zu verwechseln mit der Hamburg-Mannheimer!) schon den ersten Zusammenbruch eines Lebensversicherers gegeben. So liebevoll kümmert sich also der Gesetzgeber um die geschätzten Einkünfte der wohnbehüteten Finanzwirtschaft!

Links zum Thema: Alterseinkünftegesetz heute im Bundestag beraten | Kleine Übersicht über das Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes | "Zillmerung", oder wie ein Sparvertrag mit Schulden begonnen wird | Hartz IV: Drastische Mehrkosten im Vorfeld | Arbeitslosengeld II: Das große Sozialquiz | Die Arbeitsagenturen und das Sturmgewehr | Der deutsche Traum: vom Millionär zum Tellerwäscher | 8,6 Millionen Arbeitslose – schon vor Beginn der Energierationierung (interne Links)

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