Europawahl: Sieg mit absoluter Mehrheit

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Mit absoluter Mehrheit oder 57% der Stimmen hat die Partei der Nichtwähler die gestrige Europawahl haushoch gewonnen, was zweifellos ein großer Erfolg für die demokratische Entwicklung der erweiterten Europäischen Union darstellt. Das Wahlergebnis zeigt die Begeisterung des Volkes für die europäische Einigung und den überragenden Erfolg so demokratischer Institutionen wie des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission.

Gegenstand Anzahl 2004 % Anzahl 1999 % Ändrg.
Wahlberechtigte 61.650.330 60.786.904
Wähler 26.525.514 43,0 27.468.932 45,2 -2,2
Ungültige 744.741 2,8 409.659 1,5 1,3
Gültige 25.780.773 97,2 27.059.273 98,5 -1,3
Partei Anzahl 2004 % Anzahl 1999 % Ändrg.
CDU 9.412.009 36,5 10.628.224 39,3 -2,8
SPD 5.549.243 21,5 8.307.085 30,7 -9,2
CSU 2.063.564 8,0 2.540.007 9,4 -1,4
GRÜNE 3.078.276 11,9 1.741.494 6,4 5,5
PDS 1.579.693 6,1 1.567.745 5,8 0,3
FDP 1.565.000 6,1 820.371 3,0 3,0
REP 485.691 1,9 461.038 1,7 0,2
Tierschutzpartei 331.270 1,3 185.186 0,7 0,6
GRAUE 314.204 1,2 112.142 0,4 0,8
NPD 241.678 0,9 107.662 0,4 0,5
FRAUEN 145.326 0,6 100.128 0,4 0,2
ödp 145.479 0,6 100.048 0,4 0,2
PBC 98.643 0,4 68.732 0,3 0,1
CM 46.088 0,2 30.746 0,1 0,1
BP 35.086 0,1 14.950 0,1 0,1
BüSo 22.009 0,1 9.431 0,0 0,1
ZENTRUM 26.823 0,1 70.80 0,0 0,1
FAMILIE 267.361 1,0 4.117 0,0 1,0
Deutschland 134.916 0,5
Unabhängige 70.244 0,3
AUFBRUCH 43.161 0,2
DKP 37.231 0,1
DP 61.954 0,2
PSG 25.824 0,1
Übrige 253.087 0,9

Rechnet man den Anteil der 9.412.009 Stimmen für die CDU, die sich heute als große Wahlsiegerung feierte, auf die insgesamt 61.650.330 Wahlberechtigten, dann kommt man selbst bei der Partei mit dem größten Stimmenanteil auf eine Zustimmung von nur ganzen 10,4% der Grundgesamtheit, was ein vernichtendes E rgebnis ist – selbst für die Siegerin. 57% der Wahlberechtigten sind offensichtlich schon so resigniert, daß es sie gar nicht mehr in die Wahllokale gezogen hat, und 2,8% der Wahlberechtigten machten ihre Stimmzettel ungültig – ein Zufall?

Sogar der deutsche Außenminister Josef "Joschka" Fischer stellte fest, daß die schwache Wahlbeteiligung ein Legitimationsproblem für die Institution Europäisches Parlament darstelle – Daraus müßten Konsequenzen gezogen werden meinte er weiter. Die Konsequenz, die Europäische Union endlich mit demokratischen Strukturen auszustatten, wagte er aber offensichtlich nicht zu ziehen und beschwichtigte sogleich mit dem Satz, daß die Menschen in Deutschland sich für die Europapolitik interessierten. Die Erklärung, weshalb sie dann mehrheitlich nicht gewählt hätten, blieb Fischer jedoch schuldig.

Immerhin hat Fischer mit seiner Kritik zweifellos Recht, wie offenbar wird wenn man sich an die Wende in Deutschland 1989/90 erinnert: kaum war die verhaßte DDR-Grenze offen, lagen sich Ost und West unbekannterweise feiernd in den Armen. Unvergessen sind die Bilder von den Leuten mit Vorschlaghämmern auf der Berliner Mauer, und der berühmte Satz von Erich Mielke, er liebe "Euch doch alle". Es wuchs zusammen was wirklich zusammengehörte, auch nach 40 Jahren Trennung. Doch wie war es am 1. Mai 2004?

Lustlos schleppte sich der Maifeiertag hin, und zu Feiern war nur denen zumute, die von der EU kostenlos etwas zu Essen bekamen. Freude im Volk war nicht aufgekommen, und zu feiern gab es auch nur den Verlust nationaler Souveränität, teilweise erhebliche Preissteigerungen und die daraus resultierende Vertiefung der sozialen Ungleichheit besonders in den Beitrittsstaaten. Daß dort die Wahlbeteiligung zum Teil noch viel niedriger lag als in Deutschland verwundert nicht: 20,7% Wahlbeteiligung in Polen, die niedrigste überhaupt in der Geschichte des Landes, ist ein offener Mißtrauensantrag des Volkes, das offenbar begriffen hat, was die EU wirklich bringt: absurde Bürokratie, Preissteigerung, Verlust nationaler Souveränität und Würde, Abbau von Bürgerrechten, Diktatur.

Die aus der Geschichte nichts lernen sind dazu verdammt, sie zu wiederholen. Das mußte die Sowjetunion einst erleben, der die Eurounion inzwischen verblüffend ähnelt, und die EU wird daher das gleiche Schicksal erleiden wie einst das rote Riesenreich und seine Satellitenstaaten, denn genau wie dieses erstickt auch die EU schon längst in ihren eigenen Widersprüchen und Lügen. So konnte man in der DDR nur die Volkskammer, nicht aber den Staats- und den Ministerrat wählen – ganz so wie man auch heute nur die EU-Volkskammer… pardon, das EU-Parlament, nicht aber den EU-Ministerrat und die EU-Kommission wählen kann. Wie einst in der DDR sind also auch in der EU die wirklich politisch bedeutsamen Organe der demokratischen Kontrolle entzogen – eine Wahl als demokratische Fassade.

Wer zu spät kommt, so sagte einst Gorbatschow, den bestrafe das Leben. Wir sind gespannt zu sehen, wann ein weitsichtiger Staatsmann kommt, der Glasnost in der EU einführt und dann die Demokratie zurückbringt, denn diese ist schon lange aus den Amtsstuben der Eurokraten entfleucht.

Die Kommunisten ahnten vermutlich nicht, wie Recht sie hatten: von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen. Ob man das in Brüssel mal durchdenkt?

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