Kundenzufriedenheit und Qualitätsmanagement im Bildungsbetrieb

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Die Kundenzufriedenheit ist allgemein ein wichtiges Maß im Qualitätsmanagement, denn der Kunde entscheidet durch seine ökonomische Wahlhandlung über Fortbestehen oder Ende des Unternehmens, und besonders im Dienstleistungsgewerbe kommt es darauf an, denn hier ist die Wertschöpfungskette kurz, d.h., Fehler lassen sich nicht vor den Augen des Kunden verbergen. Doch im Bereich der Aus- und Fortbildung gelten andere Gesetzmäßigkeiten als in anderen Dienstleistungsbranchen. Dieser kleine Beitrag beleuchtet einige wenig beachtete Aspekte.

Kundenzufriedenheit ist subjektiv

Qualität wird allgemein als Nutzbarkeit für einen spezifischen Zweck definiert, und Kundenzufriedenheit ist die Übereinstimmung eines Prozeßergebnisses mit den Erwartungen des Kunden an dieses Ergebnis. Während der Qualitätsbegriff also durch Bestimmung des Zwecks objektivierbar ist, ist es Kundenzufriedenheit nicht. Sie ist subjektiv, d.h., hängt von ausgesprochenen aber auch von nicht-ausgesprochenen Erwartungen des Kunden ab. Besonders letztere sind ein Problem.

Ausgesprochene und nicht ausgesprochene Kundenerwartungen im Bildungsbetrieb

Eine Bildungsveranstaltung soll einem Teilnehmer Wissen, Können und Erkennen vermitteln, deren Schnittmenge bei richtiger Anwendung der Erfolg ist. Hierzu hat schon im März 2002 der BWL-Bote ein grundsätzliches Konzept veröffentlicht. Da Schülerleistung aber nicht immer Lehrerleistung ist, wie man einst in der DDR zu wissen glaubte, muß der Teilnehmer aus fähig und willens sein, sich Wissen, Können und Erkennen anzueignen – sonst bleibt der objektiv angestrebte Erfolg aus. Die Ziele des Dozenten und die Ziele des Teilnehmers müssen also zueinander in Harmonie stehen.

Zwangsverhältnisse und verborgene Ziele

Im Rahmen des am Motiv des Zwanges ausgerichteten deutschen Arbeits- und Sozialrecht mit all seinen Pflichtversicherungen und Weisungsbindungen haben viele Arbeitnehmer oft wenig eigene Ziele. Das gilt um so mehr, je weniger selbständig sie den Weg in eine Bildungsveranstaltung finden – was insbesondere die von öffentlichen Stellen finanzierten Veranstaltungen betrifft, in denen oft viele Leute sitzen, die mit der Bildungsveranstaltung nur die Zeit zur Rente überbrücken oder die bis zur Sozialhilfe verlängern wollen, aber auch Arbeitnehmer in berufsbegleitenden Maßnahmen sind oft unfreiwillig anwesend, etwa wenn sie durch ihre Arbeitgeber (und nicht ihren eigenen Willen) in die Veranstaltung geraten sind.

Früher Schluß, langes Wochenende, Brückentag

Solche Kunden legen oft weniger Wert auf die vermittelten Inhalte, sondern auf einen frühen Schluß der Lehrveranstaltung – besonders Wochen wie die mit Himmelfahrt oder einfach die Freitage sind gute Beispiele hierfür. Die Kunden haben also mehr oder weniger unausgesprochene Ziele, die vom formalen Ziel der Vermittlung von Wissen, Können und Erkennen abweichen. Allgemein weichen die offiziellen und die inoffiziellen Ziele zumeist voneinander ab, wenn Zwangselemente und Unfreiwilligkeit die Zusammensetzung und Durchführung einer Lehrveranstaltung betreffen.

Unzufrieden mit guter Leistung

Ein guter Dozent wird alles tun, seinen Teilnehmern die offiziellen Ziele der Lehrveranstaltung zu vermitteln, und sich den informellen "Feierabendzielen" nicht anschließen. Er muß, wenn er den langfristigen Erfolg der Teilnehmer im Blick hat, auch unbequeme und längere Wege gehen um sicherzustellen, daß Lehrinhalte vermittelt werden. Dabei ist er aber immer auf die Kooperation der Teilnehmer angewiesen. Und das ist ein Problem: Teilnehmer eines Verkäuferlehrganges haben sich beispielsweise über mich beschwert, weil ich auf die intensive Arbeit an der von ihnen nicht beherrschten Prozentrechnung bestand. Die Notwendigkeit der Prozentrechnung für Verkaufspersonal liegt auf der Hand – aber mit dem Bestehen auf dem offiziellen Ziel der Vermittlung dieser Fertigkeit erzeugte ich Kundenunzufriedenheit. Nur im Bildungsgewerbe passen Kundenunzufriedenheit und Qualität zusammen!

Ein grundlegendes Postulat

Der scheinbare Widersprich zwischen Kundenzufriedenheit und Erfolg wird meines Erachtens nach um so größer, je mehr Zwangselemente in einer Veranstaltung vorhanden sind. Ein Dozentenrating ist in solchen daher oft wenig aussagekräftig: ein Dozent wird gehaßt, weil er nicht früher Schluß macht und auf Mitarbeit besteht, insbesondere weil er sich in die Verhaltensweisen der Teilnehmer einmischt, was ihm in der Spaßgesellschaft nicht mehr zugestanden wird, was er aber tun muß, um den Erfolg der Veranstaltung sicherzustellen. Zwischen Qualität und Kundenzufriedenheit besteht also ein grundsätzlicher Widerspruch, der um so größer wird je mehr Elemente staatlicher Verteilung (und nicht freier Entscheidung) den Bildungsmarkt beherrschen.

Keine Unterstützung von oben

Noch schlimmer ist, daß die Aufraggeber solcher Zwangsveranstaltungen offenbar nicht in der Lage sind, offizielle und inoffizielle Ziele auseinanderzuhalten. Für mein Bestehen auf die Prozentrechnung wurde ich beispielsweise aus der besagten Verkäuferveranstaltung vom Arbeitsamt Erfurt, das die Maßnahme finanzierte, fristlos rausgeworfen. Diese allen Ernstes mit "Qualitätssicherung" begründete Maßnahme erlaubte also den Teilnehmern, auf Staatskosten zu faulenzen – was offensichtlich beim Umgang mit Zwangsabgaben der Pflichtversicherten kein Problem ist. Und sowas habe ich mehr als einmal erlebt.

Qualität und Zwang passen nicht zusammen

Dies sagt uns, daß Maßnahmen des Qualitätsmanagements im Rahmen staatlicher Verteilungsprozesse problematisch sind. Der damals zuständige Arbeitsberater T. hatte es weder nötig noch dazu Lust, mir auch nur die Chance einer Stellungnahme zu geben – wofür auch? Exemplarisch demonstriert dies, daß Maßnahmen der Qualitätssicherung stets auf Marktmechanismen angewiesen sind. Dies bestätigt sich über die Jahre in hunderten von Feedbacks mit meinem persönlichen Dozentenrating übrigens insoweit, daß meine Bewertungen bei solchen Teilnehmern, die die offiziellen Ziele der Veranstaltung unterstützen, viel besser sind als bei denen, die diese Ziele nicht (mehr) teilen. Doch während beispielsweise der Autohersteller auf die verborgenen Wünsche reagieren und einen Manta erschaffen kann, hat der Bildungsanbieter diese Möglichkeit nicht: er ist dem latenten Widerspruch ausgeliefert. Das macht das Qualitätsmanagement im Bildungsgewerbe so schwierig!

Das ist verallgemeinerungsfähig

Meines Erachtens nach ist das verallgemeinerungsfähig auf viele Bereiche mit staatlichem Zwang wie etwa das Gesundheitswesen, die öffentlichen Schulen oder die Behörden. Letztere ganz besonders. Eine solche Verallgemeinerung würde den hier gegebenen Rahmen zwar sprengen, wäre aber ein interessantes Diplomthema: "Qualitätsmanagement und staatliche Verteilung", oder, etwas wissenschaftlicher, "Qualitätsmanagement in koerziven Organisationen"…

Links zum Thema

Wie aus Lernen Erfolg gemacht wird | Dozentenrating online (nur für meine Veranstaltungen!) (interne Links)

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