Theoretische Grundlagen: Unternehmerische Strategie und Taktik und die Grundgedanken der Sozialwissenschaft

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Strategische und taktische Methoden sind nicht nur ein Phänomen der Betriebswirtschaft, sondern können in einen breiteren Kontext gestellt werden. Dabei zeigt sich, daß ihnen oft Denkansätze zugrundeliegen, die mit bestimmten Grundströmungen der Sozialwissenschaften parallel sind. Der Beitrag vergleicht diese und findet, wie moderne betriebswirtschaftliche Konzepte sich in eine alte Geschichte einfügen.

Die taktische Basis

Taktische Verfahren sind kurzfristig. Sie analysieren das Tagesgeschehen auf möglichst zeitnaher Basis und versuchen, Lösungen aus formalen Verfahren abzuleiten, die die Wirklichkeit in einem mathematischen Raum abbilden und aus den Ergebnissen Prognosen und Optimierungsempfehlungen ableiten. Die Bestellmengenoptimierung und Dispositionsrechnung ist ebenso ein Beispiel wie das Simplex-Verfahren. Kollektiv heißen solche mathematisch orientierten Methoden auch Operations Research Verfahren. Sie können eine strategische Basis sein, denn die konsequente Anwendung solcher Methoden bietet eine mittel- bis langfristige Optimierung der Marktanpassung und damit eine oberzielkonforme interne Unternehmenssteuerung. Während solch "intelligenzintensive" Unternehmen bei vielen (potentiellen) Nutzern wegen ihrer Umständlichkeit unbeliebt sind, drängen sie doch zunehmend ins Blickfeld; als Kernfeature etwa von Workflow Management Systemen (Enactment Service) haben sie inzwischen auch praktische Anwendung gefunden.

Strategische Denkweise

Anfang der 70er Jahre gründeten Paul Allen und William ("Bill") Gates in Seattle/WA die Firma Traf-O-Data, die Prozessorsteuerungen für Ampelanlagen herstellte, ja, Verkehrslichtzeichenanlagen. Aus diesem verkehrstechnischen Anfängen wurde 1975 Micro-Soft (der Bindestrich wurde erst später aus dem Namen entfernt), bekanntlich ein großer Erfolg (jedenfalls für den Gründer, nicht immer für den Produktnutzer). Kein mathematischer Enactment Service hätte diesen Erfolg voraussehen können: so argumentieren die Strategiker, ihre langfristigen und unmathematischen Konzepte und oft instinktiv und "aus dem Bauch heraus" gefällten Entscheidungen seien der kurzfristigen Erbsenzählerei überlegen.

Die verborgene Mentalität

Beide Denkansätze lassen sich auf die Grundgedanken der Sozialwissenschaften reduzieren und sind damit betriebswirtschaftliche Ausprägungen eines alten Richtungsstreits in den Gesellschaftswissenschaften – was eine sinnvolle Verallgemeinerung ist, denn Wirtschaft und Knappheit sind Phänomene der Gesellschaft und die Betriebswirtschaft ist daher ein Fachbereich der Gesellschaftswissenschaften:

Basis und Überbau

Karl Marx argumentierte, eine materielle Grundlage sei die Basis für einen geistigen Überbau. Die materielle Realität forme also das gesellschaftliche Geschehen, eine Denkweise, die als Materialismus bekanntgeworden ist, wegen ihrer Hostorizität auch als historischer Materialismus. Dieser Kerngedanke ist aber nichts anderes als das, was die Taktiker praktizieren: durch mathematisch-statistische Analyse der materiellen, tatsächlichen Gegebenheiten werden unternehmerische Handlungsweisen optimiert, also gesellschaftliche Wirklichkeiten geformt. Mehr noch, Marx postulierte (in jüdisch-christlicher Tradition), durch wiederholte Umwälzungen (Revolutionen), die aus dem Umschlag von Quantität in Qualität beruhten, entstünden gesellschaftliche Höherentwicklungen, die schließlich zum Ausbruch des totalen Kommunismus führen würden, zum Paradies auf Erden. Ob der Unternehmer das innerweltliche Paradies herbeiführen kann, weiß ich zwar nicht, aber mehrfach sind in der neueren Geschichte der Wirtschaft erhebliche Umwälzungen eingetreten, die jeweils zu einer qualitativen Änderung, zumeist auch Verbesserung, geführt haben: Schwerindustrie, Chemieindustrie, Kernkraft, Raumfahrt, Computertechnik und Gentechnik – die Revolutionen der Neuzeit basieren oft auf mathematisch-technischen, also im Sinne der obigen Definition taktischen Erkenntnissen und Methoden. Besonders in der Datentechnik ist das der Fall. Und in jedem Fall wurde die Macht des Menschen über die Natur erhöht, hat sich also der Mensch weiter emanzipiert.

Max Weber und die Betriebswirtschaft

Der deutsche Soziologe Max Weber postulierte im Gegensatz zu Marx, daß geistige, i.d.R. religiöse Grundströmungen materielle Wirklichkeiten formten. So sei der Kapitalismus aus einer extremen Form des Protestantismus (dem Calvinismus) entstanden, die lehrte, Gott zeige sein Wohlgefallen durch die Gewährung materiellen Reichtums – was zur Entwicklung produktiver Wirtschaftsmethoden führte. Dies kann auf die Grundidee der strategischen Unternehmensführung übertragen werden, denn der Stratege wendet nichtquantitative, von den Taktikern oft als Ideologie bezeichnete Lösungsverfahren und -mechanismen an und versucht, aus ihnen einen langfristigen Marktvorteil zu ziehen. Besonders das Bill-Gates-Beispiel zeigt, daß – insofern überhaupt eine rationale Überlegung vorlag – diese nichtquantifizierbar ("ideologisch") gewesen sein muß, denn 1972/75 war die heutige (und vermutlich zukünftige) Bedeutung von Computern und digitalen Methoden noch kaum vorauszusehen. So wie Unternehmen also einst auf der "strategischen" Grundlage einer religiösen Strömung geführt wurden, so betrachten die Stragiker Unternehmensführung als primär langfristig-qualitatives Problem und die taktisch-mathematischen Verfahren nur als geringfügige Zutat.

Der Zeitgeist identifiziert?

Geht der Trend eindeutig zu Digitalisierung und damit Mathematisierung, dann kann man dies als Paradigma unserer Zeit betrachten, umgangssprachlich also als Zeitgeist. Dies würde aber die Denkschule der Taktiker zur herrschenden Lehre machen, zumal strategische Visionäre wie in der sogenannten Gründerzeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts heute völlig fehlen. Doch auch ein signifikanter Unterschied ist zu beobachten: Bei Marx verwirklicht sich der Mensch durch Arbeit. Der Arbeit kommt also eine positive Rolle zu; der Export des "revolutionären Weltprozesses" in möglichst viele Staaten beschleunige schließlich den Ausbruch des Paradieses in möglichst vielen Staaten. Das ist heute grundlegend anders: Im Menschen wird vielfach nur noch ein Parasit gesehen, der die Rohstoffe des Planeten frißt und die Umwelt zerstört. Das im Kern positive und lebensbejahrende Menschenbild des Marxismus, das offenbar im jüdisch-christlichen Weltbild des Juden Marx wurzelt, ist also einem Öko-Pessimismus gewichen, der schon seit dem Anfang der 90er Jahre sogar eine aktive Reduktion der Weltbevölkerung fordert – größer könnte der Gegensatz kaum sein. Der Zeitgeist ist also materialistisch, aber – im Gegensatz zum alten Marxismus – antimenschlich und lebensfeindlich. Er stellt die Natur über den Menschen, bemüht sich also nicht mehr, Siege über die Natur durch Nutzung neuer Naturgesetzmäßigkeiten zu erringen, also den Menschen schrittweise vom Würgegriff der Naturgewalten zu emanzipieren, sondern den menschlichen Einfluß über die Natur zurückzudrängen. Ich bezeichne daher den Marxismus als positiven Materialismus, die gegenwärtig herrschende ökologistische Doktrin aber als negativen Materialismus.

Links zum Thema

Skript zur Bestellmengenoptimierung | Skript zur Dispositionsrechnung | Skript über das Simplex-Verfahren | Zitatesammlung zum politischen Ökologismus | Führt der CO2-Wahn zum »aktiven Bevölkerungsmanagement«? (interne Links)

Literatur zum Thema

Marx, Karl: "Zur Kritik der Politischen Ökonomie", Dietz Verlag, Berlin 1981, insbes. S. 12ff.
Weber, Max: "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 20 (1904). S. 1-54 u. 21 (1905). S. 1-110
Roeder, Wolfgang: "Umwelt-Naturschutz-Betrug", Wiesbaden 1993, ISBN 3-925725-20-2
Schauerhammer, Ralf: "Sachgasse Ökostaat: "Kein Platz für Menschen", Wiesbaden 1990, ISBN 3-925725-06-7

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