Es geht uns noch Gold, oder der Goldpreis, Saddam und der drohende Krieg

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Gold passe in jedes Fluchtgepäck, weiß der Volksmund, und daher gilt der Goldpreis traditionell als guter Krisenindikator: steigt er, muß mit massiven Problemen gerechnet werden. Will man also die gegenwärtige Krise untersuchen lohnt es sich, einen Blick auf den Verlauf des Goldpreises zu werfen:

Der Anstieg des Goldpreises…

Beobachtet man die Entwicklung des Goldpreises (London PM-Fixing, Quelle: The London Bullion Market Association), dann fällt in der Tat ein deutlicher Anstieg des Kurses seit Anfang 2002 von 278 US$ (Jahresanfang) bis auf 382 US$ (gestern) auf. Der würde übrigens noch viel dramatischer aussehen, würde man die Grafik an der unteren horizontalen Linie erst bei, sagen wir, 200 US$ anfangen lassen; um möglichst objektiv zu bleiben beginnt meine Grafik aber im Ursprung.
Auf den ersten Blick könnte das als Krisenindikator verstanden werden: Investoren gehen in Gold, weil sie wissen, daß das in praktisch jeder Situation seinen Wert behält. Einige Medien haben auch schon berichtet, der Goldpreis sei "so hoch wie schon seit fünf Jahren nicht mehr".
Aber ist es wirklich so? Und wenn ja, hat es was mit dem Irak zu tun? Ein Blick auf weitere Daten kann helfen:

…ist keine wirkliche Hausse!

Schauen wir uns mal den Goldpreis seit 1989 an, dann stellen wir fest, daß es seit 1986 eine regelrechteBaisse gegeben hat. Der Satz, der Goldpreis seit gegenwärtig so hoch wie in den letzten fünf Jahren nicht, ist also formal richtig, aber die Wahrheit ist auch, daß der derzeitige Anstieg nur den Rückgang der Zeit nach der Wende wieder ausgeglichen hat: ganz so wie wir auf den Aktienmärkten heute wieder sind, wo wir zur Zeit der markteinführung der T-Aktie 1996 schon einmal waren, also die Hausse der Aktienmärkte vorüber ist, so ist die Baisse des Goldkurses wieder ausgeglichen: auch hier sind wir wieder, wo wir vor fünf oder sechs Jahren schon einmal waren.

Die wahren Kursschwankungen liegen über 20 Jahre zurück

Noch viel interessanter ist es, sich den Kursverlauf über eine längere Zeit, sagen wir die vergangenen 30 Jahre anzuschauen. Dabei fällt auf, daß die derzeitige Entwicklung nur eine unwesentliche Schwankung im Vergleich zu den früheren Kursausschlägen ist, was unsere Sicht der derzeitigen Entwicklung erheblich relativieren sollte:

Der Maximalkurs des Betrachtungszeitraumes war übrigens ein Goldkurs von 850 US$ am 21.01.1980, und wenn Gold wirklich ein Krisenindikator ist, was man freilich noch separat diskutieren könnte, dann muß es damals wesentlich heftigere Krisen gegeben haben. Was könnte das gewesen sein? Der erste Golfkrieg vom 22.09.1980 bis zum 20.08.1988? Die Spannungen zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion, auch nach dem SALT II Abkommen vom 18.06.1979? Die Falklandkrise, die 1982 mit der Wiederbesetzung der Falklands durch die Briten endete? Die Besetzung der US-Botschaft in Theran von November 1979 bis Januar 1981 nach der islamischen Revolution von 1979 im Iran? Oder der Boykott der olympischen Spiele in Moskau durch die USA?

Aber die Aktienmärkte?

 

Derivatverbindlichkeiten der Deutschen Bank 1996 und 2001
Datum Eigenkapital Bilanzsumme Derivate D:E
31.12.1996 15,2 Mrd. € 453,0 Mrd. € 2.324,8 Mrd. € 153:1
30.09.2001 36,4 Mrd. € 950,0 Mrd. € 11.227,0 Mrd. € 308:1

Wenn Gold sich nicht als Krisenindikator eignet, tun es dann die Aktienmärkte? Im BWL-Boten vom 24.07.2002 haben wir auf eine interessante hirtoprische Parallele hingewiesen (und wiederholen uns an dieser Stelle nicht), die immerhin den Schluß zuläßt, daß die Aktienmärkte wesentlich bessere Indikatoren für drohende Probleme sind. Auch die nebenstehende Tabelle ist nicht uninteressant: aus ihr geht hervor, daß alleine die Derivatverbindlichkeiten der deutschen Bank in 2001 das Fünffache des Bruttosozialproduktes Deutschlands betrugen. Zudem betrug das weltweite Derivatvolumen Ende 2001 ca. 1.581 Mrd. US$, mehr als die Einkommen aller Erdenbürger der gesamten Neunziger Jahre. Der Anteil der Derivatgeschäfte, die materielle Güter zum Gegenstand haben, lag Ende 2001 unter 1% des Gesamtvolumens. Was hat uns das zu sagen?

 

Geldmengenaufblähung und latente Inflation

Die Volkswirte wissen, daß M1 die Menge aller Geldzeichen und M2 die Menge M1 plus die Summe aller Buchgeldbestände mit sofortiger Fälligkeit ist. Diese beiden Werte sind besonders zur Inflationssteuerung relevant, weil sie direkt auf die Nachfrage wirken: ein Anstieg von insbesondere M2 über dem Anstieg des Bruttosozialproduktes führt zu einem Preisniveauauftrieb (wegen M*v=P*Y, der Grundgleichung des Monetarismus). Derivatgeschäfte sind aber per definitionem Termingeschäfte, bewegen sich also in den Geldmengen M3 und M4, die für die unmittelbare Preisniveauveränderung nicht relevant sind.
Was wir also hier sehen, ist eine latente Hyperinflation, d.h., eine Art "potentielle Krise", solange die Geldinhaber nicht das Vertrauen in die Validität ihrer Derivatgeschäfte verlieren. Tun sie dies, d.h., drängten die in M3 udn M4 gebundenen Geldmengen plötzlich in den Kassamarkt, dann gäbe es eine wahre Preisexplosion, d.h., die 20er Jahre würden sich in wenigen Tagen oder höchstens Wochen wiederholen. Das allerdings wäre eine wirkliche Katastrophe, gegen die alles Bisherige wie ein Sonntagsspaziergang: und man vergesse nie, daß durch den "Rundungsfehler" von 1922/23, und die daraus folgende indirekte Enteignung des schon damals durch Geld, insbesondere Sparguthaben abgesicherten Mittelstandes, schließlich auch Adolf Hitler an die Macht geholfen wurde!
Vor diesem Hintergrund erscheint der scheinbar so kleine Anstieg des Goldpreises gar nicht so harmlos, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag…

Links zum Thema

Soll ein Krieg das Finanzsystem retten? | (interne LinksThe London Bullion Market Association (externer Link)

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