Lohnt sich die Riester-Rente? Unzeitgemäße Gedanken zur Altersvorsorge

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Aus gegebenem Anlaß faßt der BWL-Bote nachstehend die Grundzüge der sogenannten Riester-Rente zusammen. Er versammelt die wichtigsten Vorschriften und Rechengrößen, nennt die Zulassungsvoraussetzungen für Finanzprodukte nach dem Gesetz und bietet kritische Überlegungen zum Sinn und Unsinn der Vorsorge in Geld vor dem Hintergrund der deutschen Rahmenbedingungen in wie gewohnt kritischer und staatsferner Form. Dieses Dokument ist Teil des Stichwortes "Riester-Rente" im Lexikon für Rechnungswesen und Controlling (ab Version 6.45) und der Datei "Rentenrechnung.pdf" im Manuskripte-Ordner der BWL CD.

Der Grundgedanke der Riester-Förderung

Nach dem damaligen Arbeitsminister Riester benannte Form der staatlichen Förderung der betrieblichen Altersvorsorge, die im wesentlichen in einer Zulage des Staates zu privat angesparten Beträgen besteht. Grundsätzlich ist die "Riester-Rente" also eine Form der staatlichen Transferleistung. Seit dem 01.01.2002 können Arbeitnehmer, Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes dafür zunächst 1%, ab 2003 2%, ab 2006 dann 3% und ab 2008 schließlich 4% ihres Bruttoeinkommens dafür aufwenden. Ziel der Riester-Rente ist, die Kürzungen der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Für jeden eingezahlten Betrag erhält der Sparer eine Zulage, die sich nach dem Familienstand und der Kinderzahl richtet und ebenfalls bis 2008 ansteigt.
Die in Frage kommenden Verträge müssen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (BAFin) zertifiziert werden. Die Bundesanstalt prüft, ob das jeweilige Produkt alle im Gesetz geforderten Eigenschaften aufweist. Als förderfähige Produkte kann man zwischen Rentenversicherungen oder Fonds- und Banksparplänen wählen.

Förderberechtigter Personenkreis

Förderberechtigt sind Arbeitnehmer (inklusive der Angestellten des Öffentlichen Dienstes) und Auszubildende, Wehr- und Zivildienstleistende, bestimmte Selbstständige (z.B. Handwerker), wenn sie sozialversicherungspflichtig sind, Bezieher von Arbeitslosengeld oder -hilfe, Personen in der Zeit, für die Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (pro Kind drei Jahre) Pflegepersonen und geringfügig Beschäftigte, die auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben.
Neben den Zwangsversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung sind außerdem förderberechtigt: Empfänger von Besoldung und Amtsbezügen (z.B. Beamte, Richter, Soldaten, Minister), Beschäftigte, die rechtlich wie Beamte behandelt werden (z.B. Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, Lehrer oder Erzieher an nicht-öffentlichen Schulen), Pflichtversicherte der Alterssicherung der Landwirte. Keinen Anspruch auf Förderung haben: Selbstständige, sofern sie nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, Beschäftigte, die noch in einer Zusatzversorgung pflichtversichert sind, welche die Einschnitte in der gesetzlichen Rentenversicherung durch höhere Leistungen ausgleicht, Personen, die freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, Sozialhilfeempfänger, Rentner, geringfügig Beschäftigte, die versicherungsfrei sind.

Die "Riester-Fähigkeit"

Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, daß ein Vertrag "riester-fähig" ist:

  1. Altersvorsorge-Verträge: Als Altersvorsorge-Verträge kommen Rentenversicherungen, Bankguthaben mit Zinsansammlung, Investmentfonds, deren Erträge nicht ausgeschüttet, sondern stets wieder angelegt werden und Verträge zur Förderung selbstgenutzten Wohneigentums in Betracht.
  2. Verminderte Erwerbsfähigkeit: Sämtliche Produkte sollen mit einer Zusatzversicherung für verminderte Erwerbsfähigkeit verbunden sein; die Kosten für die Zusatzversicherung dürfen aber 15% des Gesamtbeitrags nicht übersteigen.
  3. Hinterbliebenen-Absicherung: Eine ergänzende Hinterbliebenen-Absicherung, an sich nicht Fokus der staatlich geförderten Altersvorsorge, ist zulässig.
  4. Laufende Beiträge: Vorgesehen sind regelmäßige Beitragszahlungen, die jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich zu entrichten sind. Die Beitragshöhe kann schwanken, was auf die Steigerung der Beiträge von 1% des Bruttoeinkommens in 2002 bis auf 4% in 2008 zurückzuführen ist.
  5. Leistungszeitpunkt: Die Rentenzahlung der Riester-Rente soll nicht vor dem 60. Lebensjahr beginnen; der Zahlungsbeginn sollte mit dem Beginn der gesetzlichen Rente einsetzen. Diese Einschränkung soll dem Sinn der zusätzlichen Riester-Säule Rechnung tragen: Sie ist ausschließlich für die Altersvorsorge da.
  6. Leistungsart: Die Altersvorsorge-Verträge müssen eine lebenslange, gleichbleibende oder steigende Rente garantieren. Ausdrücklich nicht vorgesehen ist die Einmalauszahlung eines Kapitalbetrags.
  7. Beitragsgarantie: Dem Versicherten muß zu Beginn der Rentenzahlung mindestens die Summe der bis dahin eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen, inklusive der gewährten staatlichen Zulagen.
  8. Kostenverteilung: Das Zertifizierungsgesetz richtet sich gegen eine Tilgung der Abschlußkosten mit den ersten Monatsbeiträgen, was ein an sich übliches Vorgehen ist und als "Zillmerung" bekannt ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß das Interesse des Versicherers an der Kundenpflege nicht nachläßt, wenn die Abschluß- und Vertriebskosten über mindestens zehn Jahre verteilt werden.
  9. Informationspflicht: Der Anbieter muß den Versicherten jährlich über folgende Komponenten seines laufenden Altersvorsorgevertrags informieren: Die Verwendung der eingezahlten Beiträge, das bisher gebildete Kapital, die einbehaltenen anteiligen Abschluß- und Vertriebskosten, die Kosten für die Verwaltung des gebildeten Kapitals, die erwirtschafteten Erträge.
  10. Wechselrecht: Der Gesetzgeber geht davon aus, daß das Wechselrecht den Wettbewerb unter den Anbietern der Altersvorsorgeverträge fördert. Daher ist es in das Zertifizierungsgesetz mit aufgenommen. Der Versicherte hat somit das Recht, den Vertrag wie auch den Anbieter durch Kündigung zu wechseln.
  11. Selbstgenutztes Wohneigentum: Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Versicherte die Auszahlung des gebildeten Kapitals für den Wohnungsbau oder -erwerb verlangen.
  12. Freiwilligkeit: Die Riester-Rente ist keine Pflicht, sondern freiwillig. Allerdings wurde bereits spekuliert, ob bei zu geringem Abschlußinteresse der Bundesbürger eine "private Zwangsrente" zum Wohle des überalternden Volkes politisch vertretbar wäre.

Kosten der Riester-Rente: Die Höhe des Beitrages bestimmt der Versicherte im Grunde genommen selbst. Es muß allerdings ein Mindesteigenbeitrag eingezahlt werden, um die staatliche Förderung in vollem Umfang zu bekommen, der von 1% des zwangssozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens im Jahre 2002 auf 4% im Jahre 2008 ansteigt.

Lohnt es sich?

Ob sich die "Riester-Rente" lohnt, ist oft umstritten. Die folgende Modellrechnung könnte Klarkeit schaffen. Besonders relevant sind dabei steuerrechtliche Fragen, und zwar während der Ansparphase, in der der Rentenversicherte in eine Versicherung einzahlt, und zu Zeit der Auszahlung, wenn der Versicherte die Rente entweder als Einmalzahlung oder als eine Zahlungsreihe ("Rente") ausbezahlt bekommt.

Wichtige steuerliche Aspekte der Ansparphase

§10 Abs. 1 Nr. 2 EStG normiert, daß Zahlungen an Rentenversicherungen von der Einkommensteuer befreit sind, d.h., der Versicherte muß den in die Versicherung einbezahlten Betrag nicht versteuern. Während es eine Anzahl von nicht steuerbefreiten Ausnahmen gibt (z.B. fondsgebundene Verträge) bedeutet dies im wesentlichen einen Steuervorteil in Höhe des jeweils auf den einbezahlten Betrag ansonsten fälligen Steuerbetrages, d.h., zwischen ca. 20% (Mindeststeuersatz) und 50% (Höchststeuersatz) – besser als jede Kapitalmarktverzinsung.
In §10 Abs. 3 Nr. 1 und 2 lesen wir jedoch, daß dem Versicherten diese Steuerbefreiung nur bis zu einem Grundhöchstbetrag von 1.334 € plus einem sogenannten "Vorwegabzug" von 3.068 € zusteht, also zusammen 4.402 € pro Jahr (bei Verheirateten ist es das Doppelte). Diese Summe deckt aber alle in Absatz 1 aufgezählten sogenannten Sonderausgaben, also auch etwa Kranken-, Unfall- oder Pflegeversicherungen und viele andere Dinge. Der Steuervorteil der Ansparphase in Höhe von 20% bis 50% kommt also nur zum Tragen, wenn der pro Jahr eingezahlte Betrag diesen Grenzwert nicht übersteigt. Hat Ihnen das Ihr freundlicher Versicherungsvertreter vorher gesagt?
OK, es kommt noch besser. In §10 Abs. 3 Satz 2 (also gleich hinter den Grenzwerten) steht aber zu lesen, daß dieser Wert bei Arbeitnehmern um 16% des Bruttolohnes zu kürzen ist. Was bedeutet das schon wieder?
Machen wir mal eine Beispielrechnung: Ein Arbeitnehmer verdient ("erhält") einen Monatslohn von 2.000 €, macht 24.000 € im Jahr. Davon 16% sind 3.840 €. Der Freibetrag von 4.402 € ist also um diese 3.840 € zu kürzen; verbleiben magere 562 €: dieser Betrag ist die tatsächliche Grenze der Steuerfreiheit von Vorsorgeleistungen!
Dieser Steuerfreibetrag gilt aber nicht nur für private Renten- oder Rentenzusatzversicherungen, sondern auch für die gesetzlichen Kassen. Nehmen wir überschlägig (und stark vereinfacht) an, daß der Arbeitnehmeranteil an den gesetzlichen Zwangssozialversicherungen 20% vom Bruttoentgelt betrage, so hat unser Beispielarbeitnehmer im Jahr 20% von 24.000 € oder 4.800 € in die gesetzlichen Kassen einbezahlt. Davon waren nur 562 € steuerfrei; schon der Rest dieser Summe war steuerpflichtig!

Die Riester-Förderung

Der in eine "riester-fähige" Rente oder Versicherung eingezahlte Betrag ist jedoch nicht durch die obengenannten Beschränkungen gekürzt. Erst durch diese Förderform kann ein Arbeitnehmer also eine nennenswerte Kapitalverzinsung erreichen – als staatliche Transferleistung. Achten Sie also auf das Kleingedruckte: ist ein neu abzuschließender Vertrag auch wirklich "riester-fähig"?

Steuerliche Effekte in der Auszahlungsphase

Hier wird oft §20 EStG herangezogen. Diese Vorschrift besagt verkürzt gesagt, daß bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerfrei sind, d.h., die aus dem Kapitalvermögen erzielten Zinsen. §22 EStG ordnet dabei einen fiktiven Zinsanteil bei Renten an, der vom Alter des Rentners bei Rentenbeginn abhängt: wer beispielsweise mit 60 beginnt, eine Rente zu beziehen, zahlt auf 32% dieser Rente Einkommensteuer, d.h., 32% werden als Zinsertrag behandelt. Ist der Rentner bei Rentenbeginn hingegen schon 65 Jahre alt, so beträgt der Ertragsanteil nur noch 27%. Das ist im prinzip logisch, denn je älter jemand ist, desto mehr bekommt er nur noch sein zuvor eingezahltes Kapital zurück und kassiert in seiner verbleibenden Lebenszeit keine Zinsen mehr. Allerdings ist das auch aus zwei Gründen recht unerheblich: zum einen weiß heute keiner, was mit dieser Vorschrift in den nächsten 20 oder 30 Jahren geschieht, d.h., ob sie dann überhaupt noch besteht. Außerdem ist dies aber nur ein Steuervorteil auf die Zinseinkünfte und nicht auf die insgesamt eingezahlten Geldbeträge – wie während der Ansparphase. Zudem kann man im Alter mit niedrigeren Einkünften rechnen, so daß die Steuer auch prozentual geringer wird, denn das Einkommensteuerrecht hat einen Progressivtarif.

Und die Moral von der Geschicht?

Traue deinem freundlichen Versicherungsvertreter nicht: wenn der sagt, eine Rentenversicherung sei steuerfrei, so ist dies bei Arbeitnehmern fast immer unzutreffend. Nur Freiberufler und andere Selbständige können die 4.402 € mit Versicherungen füllen, die wirklich steuerfrei sind – Arbeitnehmer nur im Rahmen der Riester-Rente.

Noch ein Haken

Aber wir sind immer noch nicht fertig: im Gesundheitswesen gibt es bekanntlich schon jetzt eine mehr oder weniger rigorose Rationierung, und bestimmte Bereiche (Zahnersatz, Brillen) sind schon jetzt praktisch vollkommen aus der Versicherungsleistung entfernt worden. Das dürfte kaum besser werden: schon jetzt bekommen immer größere Teile der Bevölkerung überhaupt keinen Zutritt mehr zu irgendeiner Krankenversicherung, sind also vollkommen ungeschützt. Werden solche Leute ernsthaft krank, so müssen sie Sozialhilfe beantragen – und das Sozialamt übernimmt zwar Behandlungskosten ("Hilfe in besonderen Lebenslagen"), fordert aber die geleisteten Beträge zurück. Und das geht ggfs. per Pfändung, man muß also durch das Verbraucherinsolvenzverfahren. Dieses gewährt zwar nach sieben Jahren eine Restschuldbefreiung, aber zuvor können privaten Versicherungen bis auf den Sozialhilfesatz "geköpft" worden sein.
Und was lehrt uns das? Und aus der Traum! Ein Vollkaskoleben gibt es nicht. Wer weniger hat, stirbt früher. Das ist jetzt schon so, und es wird sich in Zukunft kaum verbessern. Die finanzielle Vorsorge des Mittelstandes hat schon während der großen Inflation der 20er Jahre versagt – und sie droht wieder zu versagen, wenn nicht durch Inflation dann doch durch die sozialstrukturelle Schieflage Deutschlands. Und es ist kein Wunder, daß das kleptokratische Regime insbesondere ab 2003 noch mehr nach den Spargroschen der Menschen greift. Was lehrt uns das also? Wer spart, ist selber schuld!

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