Betriebswirt/IHK und Technischer Betriebswirt: wo sind die Unterschiede?

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Heute finden die ersten schriftlichen Prüfungen im Lehrgang "Betriebswirt/IHK" statt, und zugleich beginne ich heute mit meinem ersten Einsatz in dem neuen Lehrgang "Technischer Betriebswirt" – beides im Auftrag der örtlichen IHK als freiberuflicher Dozent. Seit ca. Mitte der 80er Jahre unterrichte ich, und in diesen beiden Lehrgängen bin ich seit über 8 Jahren tätig – für die Kammer und für private Bildungsfirmen. Ich nutze daher die Gelegenheit und fasse die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Lehrgänge ein bißchen zusammen – eine Entscheidungshilfe für alle, die es noch vor sich haben.

Eine Geheimwissenschaft: Die Rahmenstoffpläne

Vor mir liegen beide Rahmenstoffpläne, die die IHK herausgegeben hat, aber das Copyright liegt beim Deutschen Industrie- und Handelstag. Das scheint, wie ich sozusagen am Rande erfuhr, der Grund zu sein, daß die Themenaufstellungen nicht an jeden Teilnehmer möglichst gleich zu Beginn herausgegeben werden, denn es scheint irgendwelche urheberrechtlichen Querelen gegeben zu haben – ähnlich übrigens wie mit den Textbänden, über die ich mich ja bereits an anderer Stelle verbreitet habe.

Von Aktualität und Moderne

Übermäßig tagesaktuell scheinen die Stoffpläne übrigens auch nicht gerade zu sein: die mir vorgestern von der örtlichen Kammer übergebene Version des Lehrplanes "Technischer Betriebswirt IHK" weist unter Punkt 6.3.2 "Kenntnisse über die Arbeit in einem modernen Büro vermitteln" solch intensive Dinge wie Bildschirmtext oder Teletex oder Telebox als Unterrichtsinhalte aus – sehr zeitgemäß, wirklich. Wo kriegt man eigentlich noch ein Bloedschirmtext-System zur Demonstration dieser hypermodernen Technik her?? Auch die Vermögenssteuer ist noch offizieller Unterrichtsgegenstand (Punkt 3.8.3), obwohl sie ja bekanntlich noch von der Regierung unter Helmut Kohl abgeschafft wurde – doch wenn Rot-Grün so weitermacht, ist der Stoffplan vielleicht seiner Zeit voraus… und von wirklich neuen Entwicklungen wie IAS oder auch einfach nur dem Internet findet man kein Wort. Schade. Inwieweit sich diese altehrwürdige Patina des Stoffplanes auch in der Prüfung fortsetzen wird, bleibt abzuwarten, doch auch die Prüfungslyriker waren bislang nicht immer so ganz auf der Höhe der Zeit.

Wem es das Fürchten lehrt

Übersieht man die oben dargestellten Mängel, so stellt sich bei einem Vergleich klar heraus, daß der Lehrgang "Betriebswirt/IHK", der übrigens der höchste Abschluß ist, den die Kammer zu vergeben hat, auf die mittlere bis obere Managementebene zielt, während der Technische Betriebswirt eher den qualifizierten ausführenden Mitarbeiter oder die techniknahe Führungskraft ansprechen soll. So wimmelt es im Betriebswirte-Rahmenplan von qualitativen Management-Techniken und verallgemeinernden Portfolio-Auswertungen, während der Technische Betriebswirt sich mit Statistik, numerischen Auswertungen, optimaler Bestellmenge und dergleichen mehr herumschlägt. Man kann Betriebswirt/IHK werden, ohne einen BAB gesehen zu haben oder zu wissen, was die Binomialverteilung ist – denn in den Stellen, auf die der Lehrgang zielt, hat man seine Mitarbeiter, die so was wissen müssen: technische Betriebswirte, zum Beispiel, die wiederum unter Qualitätsmanagement gemäß ihrem Rahmenstoffplan nur Qualitätskontrolle verstehen sollen: Total Quality Management kommt dort nicht vor. Beides meines Erachtens nach übrigens kein sehr günstiger Zustand, aber so ist es halt nunmal.

Vom Schrecken der Theorie

Meine langjährige Erfahrung mit Technikern ist, daß diese Leute meist mit ihren Händen und ihren Werkzeugen tolle Sachen machen können, aber sich mit der Theorie schwertun. So wie Programmierer oft an Problemen scheitern, die man nicht mit der Maus lösen kann, so können viele Techniker nichts, was man nur mit dem Geist vollbringen kann: Etwa die Begriffe "Auszahlung", "Ausgabe", "Aufwand" und "Kosten", die bekanntlich einer spitzfindigen und theoretischen Differenzierung unterliegen, stehen ausdrücklich im Lehrplan, und der technische Betriebswirt wird vielleicht eines Tages seinem Vorgesetzten begreiflich machen müssen, weshalb die Zinsen, die einer Bank für die Finanzierung einer Maschine gezahlt werden, in der Kostenrechnung nichts verloren haben, sehr wohl aber die Insolvenzrate der Branche etwas mit den Zinskosten zu tun hat – oder warum eine in Bargeld bezahlte Anlage dennoch Zinskosten verursacht. Das ist schwer – je "technischer" jemand denkt, desto mehr. Wer das nicht glaubt, der lese auch mal den Beitrag "Warum nicht alles, was Verlust erwirtschaftet, auch abgeschafft werden sollte". Alles klar?

Wer schreibt, der bleibt

Vor 30 Jahren, als sie zum Mond flogen, versprachen Sie uns in einem halben Menschenalter fliegende Autos und 3-Tage-Arbeitswochen, doch jetzt, da man die Kernkraft wegwirft und noch immer keine Astronauten den Mars betreten haben, wird immer klarer, daß wir um die Technik, um den Fortschritt und damit um das Erwachsenwerden der Menschheit betrogen werden – die Beschlüsse vom Iron Mountain sind offenbar wie noch nie. Kein Wunder, daß die Prognose für einen Techniker, der kein Chinesisch spricht, derzeit düster ist – es seit denn, er baut Solarzellen oder Windrädchen, aber das bekanntlich auf Kosten der zwangsfinanzierenden Allgemeinheit, und solche planwirtschaftlichen Experimente gehen nicht lange gut, wie man aus dem recht plötzlichen Ableben der DDR, Walter Ulbricht habe sie selig, ja gut ersehen kann. Der Techniker verdient zwar das Geld, doch der Kaufmann bekommt es – wer schreibt, der bleibt, wußte der Volksmund schon zu rotsozialistischen DDR-Zeiten (und jetzt, im Grünsozialismus, ist es kaum anders). Das verbessert die grundsätzlichen Aussichten für den Betriebswirt/IHK, dessen Diplom am Ende aber doch noch immer heftigen diskutiert wird, wie man im Forum für Betriebswirtschaft nachlesen kann. Während ich hier keine Vorhersage über den Marktwert dieser Diplome abgebe, kann ich jedoch relativ sicher prognostizieren, daß Produktionsbetriebe immer weiter ausgelagert werden, d.h., sich nach der Ukraine oder gleich noch viel weiter weg verflüchtigen. Es werden daher Manager und kaum noch Techniker gebraucht. Das Beschäftigungsrisiko ist daher für den Technischen Betriebswirt größer – und das könnte sich bald noch drastisch verschärfen.

Kleine Entscheidungshilfe

Hermann Hesse schreibt im Steppenwolf, daß ein starker Charakter immer unfehlbar das erreiche, wonach er sich sehne – und das ist meine einzige Empfehlung. Techniker lassen bitte die Finger vom Betriebswirt/IHK, der ihnen vielleicht viel zu theoretisch ist, und Managertypen unterlassen bitte den Technischen Betriebswirt, der sehr ins Detail geht – aber alle werden sich bitte, bitte darüber klar, was sie wirklich im Leben wollen – und zwar vorher. Nichts schadet einem Lebenslauf so wie ein Bruch – sei es eine abgebrochene Ausbildung, sei es ein Job, den der Inhaber nicht liebt und bald wieder hinschmeißt (oder rausgeworfen wird): so verbaut man sich die Zukunft. Verlieren Sie nicht den roten Faden durch ein Experiment: sie haben nur einen Schuß!

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