Symptome der Fäulnis: IAS und die kreative Bilanzierung

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Die Einführung der internationalen Rechnungslegung ab 2005 wird immer mehr als eine Art Allheilmittel betrachtet, und US-GAAP wurde geradezu als eine Art von Wunderdroge gegen den Anlegerbetrug vermarktet. Doch ist das wirklich der Fall? Enron, Worldcom oder auch Flowtex und Balsam-Procedo könnten immerhin Zweifel angebracht erscheinen lassen. Dieser kleine Beitrag beleuchtet den Umbruch in der Rechnungslegungslandschaft aus einer unkonventionellen Perspektive und kommt zu Schlüssen, die so manchem nicht schmecken werden.

Die erweiterte Einführung der IAS ab 2005

Mit Zustimmung des Ministerrates der Europäischen Union vom 07.06.2002 ist die Verordnung des Europäischen Parlamentes zur Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards verabschiedet worden (der BWL-Bote berichtete schon im Mai 2002). Danach werden ab 2005 kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Bilanzierung nach IAS verpflichtet, was einen wesentlich weiteren Kreis zieht als die bisherige Erlaubnis zur Anwendung der IAS durch börsennotierte Konzernmuttergesellschaften (§292a HGB). Für Unternehmen, die schon vor 2005 nach US-GAAP bilanziert haben, wird eine Übergangsfrist bis 2007 eingeräumt.
Darüberhinaus enthält die Verordnung die Option, daß die Mitgliedsstaaten auch anderen Unternehmen erlauben oder vorschreiben können, Konzernbilanzen oder sogar Einzelabschlüsse nach IAS aufzustellen. Auch wenn noch nicht bekannt ist, wie sich der deutsche Gesetzgeber zu dieser Option stellen wird, kann doch angenommen werden, daß mindestens allen "kapitalmarktnahen" Unternehmen, möglicherweise auch allen Kapitalgesellschaften die Bilanzierung nach IAS mindestens erlaubt werden wird.

Die Kritik am HGB

Grundgedanke des Handelsrechts war stets der vorsichtige Kaufmann (§252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Dieses Kernprinzip führt zur Imparität, d.h., zur Höchstbewertung der Schulden (etwa bei Rückstellungen oder Fremdwährungsverbindlichkeiten) und zur Niederstbewertung bei Vermögensgegenständen, sowohl Anlage- als auch Umlaufvermögen, u.a. nach §253 HGB. Dies führt sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite zur Bildung stiller Reserven, und damit zur Vermittlung eines nicht mehr den wahren Verhältnissen entsprechenden Bildes – jedenfalls in Zeiten einer funktionierender Wirtschaft. Und das war der Hauptkritikpunkt am Handelsrecht, legen doch die internationalen Rechnungslegungsstandards, sei es nach IAS oder nach US-GAAP, die true and fair view presentation, also die möglichst weitgehende und wahrheitsgetreue Offenlegung als Kernprinzip zugrunde.

IAS in der Krise

Doch in Zeiten der Krise und Virtualisierung wurde aus Produktion Betrug und aus Offenlegung Fassadenglanz, und der Grundsatz des vorsichtigen Kaufmannes hat sich wiedermal bewährt – wenn auch oft nur noch in den Folgen seiner Nichtmehranwendung. Luftbuchungen und Überbewertungen sind nämlich viel leichter in einer Bilanz zu verstecken, die nur auf Offenlegung statt auf Vorsicht ausgerichtet ist, und wenn Entwicklungsaufwendungen und Markenrechte aktiviert werden dürfen (IAS 38) wundert es nicht, daß der Wirtschaft zunehmend die Substanz fehlt. Und daß die Deutsche Bank alleine schon in 2001 bei einem Eigenkapital von 36,4 Mrd. € und einer Bilanzsumme von 950 Mrd. € außerbilanzielle Derivatverbindlichkeiten in Höhe von 11.227 Mrd € hatte, also etwa dem 308fachen des Eigenkapitals oder dem 5fachen des deutschen Bruttosozialproduktes, könnte die Enron-Pleite wie einen Rundungsfehler aussehen lassen, wenn es eines Tages wirklich einstürzt, was Gott der Herr verhüten möge, wenn wenigstens Ihm das noch möglich sein sollte…

Die Reaktion der Europäischen Union

In Europa dauert alles etwas länger, jedenfalls dann, wenn die Dinosaurier der Politik es erkennen müssen. Zum Beispiel fern jeder demokratischen Kontrolle in Brüssel. Dort hat nämlich gerade das EU-Parlament den Plänen der Kommission zur Einführung eines zwangsweisen Klimazertifikatehandels zugestimmt, und diese Pläne noch weiter verschärft, was den Finanzsektor durch die weitere Aufblähung der Derivateblase noch ein paar Jahre retten könnte, bis dann ein noch viel drastischerer Zusammenbruch kommt. Und wenn das nicht reicht, bereitet man ja bekanntlich gerade einen fröhlichen, munteren Krieg vor.

Was wirklich nötig wäre

Vielleicht brauchen wir die IAS in einer globalisierten Wirtschaft, aber die true and fair view presentation funktioniert unter den Bedingungen der Gier offensichtlich nur in Schönwetterphasen. Und das ist die Wurzel des Problemes: wenn immer weniger produziert und immer mehr virtualisiert wird, dann wird die Wirtschaft immer hohler. Das kommt durch die IAS besser zum Ausdruck als es in einer HGB-Bilanz der Fall wäre. Die internationale Rechnungslegung ist damit ein Symptom. Doch der Absturz wird fürchterlich sein: wenn die Eigentümer jener 11.227 Mrd. € Derivate-Eventualverbindlichkeiten nur in der Bilanz der Deutschen Bank (!) bald nicht mehr an die Stabilität des Finanzsystems glauben, und ihr Geld abziehen, könnte es zu einer Hyperinflation kommen, gegen die sich die 20er Jahre wie ein Sonntagsspaziergang ausnehmen – und dieser Spaziergang endete bekanntlich im Zweiten Weltkrieg.

Konkrete Vorschläge

Machen wir es kurz, dem hier gegebenen Rahmen folgend: Entschädigungsloses Verbot von Derivategeschäften (§1 Abs. 11 KWG) wie es 1931 bis 1970 ja schon der Fall war, Ausstieg aus Kyoto und Stopp aller Verschwendung von Geldern in "Klimaforschung", Wiederherstellung einer sicheren Energieversorgung durch Förderung der Kernenergie und Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes als Kernstück der Wiedereinführung der Marktwirtschaft. Weiterhin Radikale Rechtsreduktionen auf Gebieten wir Steuer-, Gewerbe-, Bau- und Umweltrecht, um Produktion statt Finanzspekulation wieder attraktiv zu machen. Daß die Wiederherstellung von Vollbeschäftigung durch diese Maßnahmen sicher wäre müßte jedem einleuchten der sich verdeutlicht, daß 1,2 Milliarden Chinesen bald Autos, Fernseher, Kühlschränke und die anderen Segnungen der Industriegesellschaft kaufen wollen. Und dann könnte man auch die IAS einführen, aber eben erst dann.

Mehr zum Thema

Einführung der IAS ab 2005 in erster Lesung beschlossen | außerbilanzielle Derivatverbindlichkeiten in Höhe von 11.227 Mrd € | EU-Parlament stimmt Plänen zu Zertifikatehandel zu | Soll ein Krieg das Finanzsystem retten? | Manuskript zu IAS (internere Links) Verordnungstext der EU (externer Link)

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