Pleitewelle und Arbeitslosigkeit: Zahlen, Fakten, Gründe

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Noch klingen mir die Versprechungen der Regierung in den Ohren, die Arbeitslosigkeit rechtzeitig zur Wahr nennenswert durch Niedriglohnsubventionen zu senken. Sehen wir mal, inwieweit Deutschland diesem Ziel in den letzten Tagen nähergekommen ist:

  • Am 21. März meldete Philipp Holzmann Insolvenz an, was für einen nicht unerheblichen Teil der 23.000 Beschäftigten das Aus bedeuten dürfte.
  • Am 28. März folgt der Baudienstleister Mühl, meines Wissens das einzige börsennotierte Konzernmutterunternehmen in Thüringen und angeblich seit 1990 eine „ostdeutsche Erfolgsgeschichte“. Jetzt ist die Zukunft von 3.800 ungewiß.
  • Am 2. April ist der ameriaknisch-deutsche Flugzeugbauer Faichild Dornier zahlungsunfähig, was nur oberflächlich mit den rückläufigen Fluggastzahlen nach dem 11. September begründet werden kann, aber die Zukunft von 3.600 Arbeitsplätzen ungewiß werden läßt.
  • Am 4. März stellt der bekannte Büroartikelhersteller Herlitz die Zahlungen ein, was wiederum 3.000 Arbeitsplätze bedroht.
  • Am 8. April geht dann Kirch Media zum Insolvenzrichter, bislang in Deutschland die größte Firmenpleite der Nachkriegszeit, und wieviele Entlassungen es hier geben wird, steht noch in den Sternen, zudem die derzeit angekündigten Sonderprüfungen der Kirch-Unternehmen noch allen möglichen Unrat aufwirbeln könnten und auch täglich auf den Insolvenzantrag des Pay-TV-Anbieters Premiere gewartet wird.
  • Heute, am 10. April, beschließt der Berliner Senat ein milliardenschweres Gesetz, das durch eine Bürgschaft die Berliner Bankgesellschaft absichert – für 30 Jahre. Weiß man, daß die Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin höher ist als in Argentinien, wo bekanntlich der Staat insgesamt zahlungsunfähig ist, dann wird klar, welch gewaltiger Druck auf den sozialistischen Abgeordneten liegen muß, so einem Gesetz zuzustimmen, um eine drohende Pleite abzuwenden.
  • Heute morgen wurde außerdem bekannt, daß ein großes am Neuen Markt notiertes Unternehmen verdächtigt wird, nur ca. 1,5% seines Umsatzes auch wirklich ausgeführt zu haben. Der Rest der Geschäfte soll aus Luftnummern bestehen, erdichtete Verträge mit erfundenen Geschäftspartnern rund um die Welt, zum alleinigen Zweck des Betruges an den Aktionären.

In allein zwei Wochen dürften damit mehr Arbeitsplätze verlorengegangen sein, als man durch Niedriglohnsubventionen bis zum Herbst schaffen wollte – wobei hier nur die spektakulären Großpleiten gelistet wurden. Über die vielen Kleinunternehmen, die in der letzten Zeit aufgeben mußten, zum Beispiel über die vielen Einzelhändler, die schließen mußten, weil die Kunden seit der Einführung des Teuro jeden Cent zwei mal umdrehen, über die spricht ja keiner.

Derivatverbindlichkeiten der Deutschen Bank 1996 und 2001
Datum Eigenkapital Bilanzsumme Derivate D:E
31.12.1996 15,2 Mrd. € 453,0 Mrd. € 2.324,8 Mrd. € 153:1
30.09.2001 36,4 Mrd. € 950,0 Mrd. € 11.227,0 Mrd. € 308:1

Dabei ist es gar nicht so schwer, zumindestens einige Ursachen für diese Entwicklungen auszumachen. Man muß nur ein bißchen hingucken. Das tat der BWL-Bote schon in seiner 12. Ausgabe vom 26.03.2002, und wir wollen hier die dort auf S. 1 präsentierten Zahlen über Eventualverbindlichkeiten nochmal ins Gedächtnis rufen. Im Jahre 1996 sind die Derivatverbindlichkeiten alleine der Deutschen Bank schon ca. das 1,5-fache des Bruttosozialproduktes; in 2001 betragen sie das Fünffache des Bruttosozialproduktes Deutschlands. Ende 2001 betrug das weltweite Derivatvolumen ca. 1.581 Mrd. US$, mehr als die Einkommen aller Erdenbürger der gesamten Neunziger Jahre. Der Anteil der Derivatgeschäfte, die materielle Güter zum Gegenstand haben, lag Ende 2001 unter 1% des Gesamtvolumens.

Wo soll das noch hinführen? Nachdem die Israelis gestern, am Holocaust-Gedenktag, ein neue palästinensische Stadt besetzten und unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gegen ihre Nachbarn vorgingen als hätten Sie es einst im Warschauer Ghetto von Adolf gelernt, stieg der Goldpreis auf über 300 US$ die Feinunze, was ein Symptom ist, denn Gold paßt in jedes Fluchtgepäck, und daß der Benzinpreis immer weiter steigt, braucht man deutschen Autofahrern ja nicht zu sagen.

Ein weiteres Puzzleteil findet sich im Rätsel um die Herlitz-Pleite: Angeblich ist der Büroartikelhersteller über eine verweigerte Kreditzusage in Höhe von 30 Millionen Euro gestolpert, für ein so großes Unternehmen eigentlich Peanuts. Warum haben sich die Banken dennoch geweigert? Wirft Basel II schon seine Schatten voraus? Und wenn das ein Vorgeschmack auf Basel ist: was soll dann noch werden, wenn die Vergabekriterien für Kredite weiter verschärft werden und nach und nach praktisch der gesamte Mittelstand nicht mehr kreditwürdig ist?

Gestern gab der neue Boß der Bundesanstalt für Arbeit die gegenwärtige Arbeitslosenzahl mit genau 10% an, und vergaß offensichtlich zu erwähnen, daß die diesjährige Frühjahrsentspannung auf dem Arbeitsmarkt weitaus schwäche ausgefallen ist als in den Vorjahren, also dieses Jahr im März viel mehr Menschen arbeitslos waren als im Märt der Vorjahre. Offensichtlich kommt die Einheit doch, über 12 Jahre nach Fall der Mauer: Ost und West vereinigen sich auf hohem Niveau der Arbeitslosigkeit. Denn anders als in den USA, wo in einer weitaus geinger von Reglementierungen drangsalierten Wirtschaft die Arbeitslosigkeit nach jeder Pleite zwar auch ansteigt, in den Folgemonaten dann aber auch wieder auf das alte Niveau sinkt, weil die Entlassenen anderswo Jobs finden, stieg die Arbeitslosigkeit hierzulande nach jeder Rezessionsphase treppenartig an, um hernach auf diesem Niveau zu verharren, weil im überreglementierten deutschen Arbeitsmarkt kaum einer einen Job findet, der keinen hat.

Ja, und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht: LKW-Maut, Ökosteuer und die geplanten handelbaren Steuern auf Luft (das ist leider kein Witz) werden das ihre dazu beitragen, blühende Landschaften entstehen zu lassen, denn die deutschen Politiker sind unbestechlich. Sie nehmen nicht einmal Vernunft an…

Aktuell zum Thema: BWL-Bote Nr. 12 mit Beitrag über Eventualverbindlichkeiten | Was der Staat gegen das produzierende Gewerbe tut (BWL-Bote) | Verteuerung von Verkehr und Energie (BWL-Bote)

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