Was nach den Krediten kommt…

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Der BWL Bote berichtete schon vor einiger Zeit in Ausgabe 6 über New Basel Capital Accord (das sogenannte "Basel II") und die sich daraus ab voraussichtlich 2003 ergebenden Verschärfungen der Kreditbedingungen der Banken. Kurz gesagt: ab 2003 könnte es für viele Kleinbetriebe oder Freiberufler viel schwerer oder schlicht unmöglich sein, Außenfinanzierung durch Darlehen oder auch nur durch Dispokreditlinien auf Girokonten zu betreiben. Aber was kommt danach?

Immermehr zeichnet sich ab. daß Venture Capital eine neue Finanzierungsform sein wird, bei der bankunabhängig und damit jenseits der Beschränkungen durch Basel II finanziert werden kann – freilich nach neuen Kriterien:

Was ist neu am Venture Capital?

Venture Capital ist haftendes Kapital, das einem Kapitalnehmer von einem Kapitalgeber für einen begrenzten Zeitraum (üblicherweise ca. 3 bis 5 Jahre) zur Durchführung einer risikoreichen Investition oder Transaktion ("Venture") zur Verfügung gestellt wird. Die Bereitstellung des Kapitals wird im Gegensatz zur �klassischen“ Kreditvergabe nicht vom Vorhandensein beleihungsfähiger Kreditsicherheiten abhängig gemacht (à Bonität), sondern allein von den geschätzten Ertragschancen des zu finanzierenden Objekts. Im Gegensatz zur traditionellen Strategie der Banken nimmt der Kapitalgeber also am Risiko bewußt teil.

 

  • Kapitalnehmersind meist Unternehmen, die Investitionsobjekte mit hohen Ertragschancen, aber auch hohem Verlustrisiko realisieren wollen. Meist handelt es sich dabei um kleine Unternehmen, die an Innovationen auf dem technischen Sektor arbeiten; wegen des hohen Verlustrisikos der Investition, mangelnder Sicherheiten und der Unmöglichkeit für den Kreditgeber, die Chancen und Risiken des zu finanzierenden Objekts richtig einzuschätzen, erhalten sind i.d.R. keine Kredite. Die Beschaffung von Eigenkapital scheitert oft am fehlenden Kapitalmarktzugang und der mangelnden Risikobereitschaft von Investoren. Die Möglichkeiten der Selbstfinanzierung sind wegend der in der Anlaufphase geringen Gewinne nicht ausreichend, um das in der Expansionsphase stark steigenden Investionsvolumen zu finanzieren.
  • Kapitalgebersind meist spezielle Beteiligungsfonds. Um das Risiko durch Diversifikation zu vermindern, sind diese an mehreren verschiedenen innovativen Projekten aus unterschiedlichen Branchen beteiligt. Durch das technische Wissen ihrer Mitarbeiter ist die Venture-Capital-Gesellschaft in der Lage, die Ertragschancen von innovativen Produkten gut einzuschätzen.

Das Venture Capital Geschäft ist also eine Form der Zusammenarbeit, die (noch?) in keiner Weise rechtlich typifiziert ist, weil der Kapitalgeber am Kapitalnehmer für beschränkte Zeit beteiligt ist, sein Risiko mitträgt, dennoch aber oft nicht die "volle" Eigentümerposition des Aktionärs übernimmt. Man kann von Venture Capital Konstruktionen daher als einer Art "beschränkter Partnerschaften" sprechen.

Anders als Banken sehen Venture Capital Geldgeber ihr wirtschaftliches Interesse nicht in einem vom Kapitalnehmer zu zahlenden Zins, sondern im eigentlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner Idee, der sich etwa in Form steigender Aktienkurse oder zukünftiger Gewinne manifestiert. Nach erfolgreicher Einführung der Geschäftsidee des Venture Capital Kapitalnehmers wird der Kapitalgeber daher vielfach durch einen Aktienverkauf aussteigen und dabei durch gestiegene Kurswerte einen Gewinn realisieren.

Aus Sicht der "traditionellen" Finanzierungsarten ist Venture Capital daher eine Mischform aus Eigen- und Fremdfinanzierung.

Formen von Venture Capital

 

  • Seed financing: Finanzierungen, die einem Gründer helfen sollen, ein marktfähiges Konzept einer Idee zu entwickeln. Die Finanzierung dient meistens der Produktentwicklung und der Marktforschung.
  • Start-up financing: Die Finanzierung der Entwicklung eines marktfähigen Produktes aus einer ursprünglichen Konzeptstudie, zumeist die Nachfolgefinanzierung einer ursprünglich erfolgreichen Seed finance operation.
  • First or Early Stage financing: Die Finanzierung der Einführungsphase eines neuen Produktes.
  • Second or Later Stage financing: Erhaltungsfinanzierung bestehender Unternehmen, die auch dazu dienen sollen, ihre Marktstellung zu verbessern.
  • Third or Mezzanine Stage financing: Die letzte Finanzierungsebene, die dazu dienen soll, ein Produkt zum Gipfel seines Lebenszyklus zu bringen und im Produktlebenszyklus-Portfolio die Cash Cow Phase zu erreichen. Der Kapitalgeber verkauft seine Anteile häufig in dieser Phase, weil das Unternehmen dann am profitabelsten arbeitet und die höchsten Kursgewinne zu realisieren sind.
  • Bridge financing: Überbrückungsfinanzierung bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten oder anderen Zwischenphasen, die mit traditionellen Mitteln nicht zu überwinden sind.

Diese neue Finanzierungsform ist also ein wesentlich flexibleres Instrument als die bisher häufige Kreditfinanzierung. Es scheint (aus vielen Gesprächen, die ich mit Gründern, Unternehmern, Studenten und Bankern geführt habe), daß die Banken aus der Unternehmensfinanzierung jedenfalls der Gründer und des Mittelstandes aussteigen wollen. Haben wir also hier, was nach den Banken kommt?

Aktuell zum Thema: BWL-Bote Nr. 6 mit Beitrag zu Basel II (PDF, 237k), Link zum Thema: Press Release der Bank for International Settlement über Basel II vom 25.06.2001 (Externer Link)

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